. . . um die so laaaaangweilige Zeit rumzukriegen?
Nun, wenn er nicht gegen das Funkloch und Verbindungsabbrüche kämpft, macht er erweiterte Spaziergänge und bewegt Vincent III, die letzte Version des nach eigenen Bedürfnissen modifizierten Fahrrads. Wobei sowohl die Spaziergänge als auch die rollenden Bewegungen um Berg und Tal meistens das Ausmaß der geplanten Unternehmungen sprengen 🙂
So kann es denn schon passieren, daß ein kleiner Spaziergang mit Tongs an den Füßen, die unsere Generation als Jesuslatschen kennt, letzlich auf schmalen Ziegenpfaden mit hier meist stachligem Bewuchs fortgesetzt wird, wenn nicht sogar pfadlos querfeldein . . . und immer lauert ja hinter der nächsten Krümmung des Pfades der noch interessantere Ausblick, das noch schönere Motiv . . .
Das Bild mit Vincent III und den am Wegweiser hängenden Wanderschuhen ist am zentralen Punkt der Aktivitäten in den Osterfeiertagen entstanden. Bevor ich meinen Panoramaplatz am Valle Bonito verlassen wollte, gab es da noch eine Piste in die Berge zu erkunden, in der Hoffnung auf einen Blick über die Ebene des Turia, des Flusses, an desssen Mündung Valencia liegt. Nur mal kurz gucken . . . die Piste führte aber nicht an der Bergkante entlang, sondern über eine schöne Ebene im Hintergrund. Und als ich nach ca. eineinhalb Stunden an diesem Wegweiser angekommen bin, habe ich mir gedacht, daß ich für den Rückweg einen kleinen Kreisbogen schlagen könnte, sozusagen an der inneren Kante der Bergrippe entlang zurück zum alten Herrn Magirus . . . ein wenig Abwechslung, hab ich mir gedacht 🙂 . . .
. . . die Piste führte aber, wiewohl ab und auf, tendenziell abwärts, irgendwann auf einer schmalen geteerten Straße hinab in eine lauschige grüne Schlucht, wieder hinauf und wieder hinab in ein wunderschönes Tal mit unter anderem dieser paradiesischen Naturbadewanne, dann weiter bis zur CV-245 (CV steht für Carretera Valenciana) und nach Altura, dem nächsten halbwegs größerem Ort der Gegend, in dem ich immer wieder mal im örtlichen Aldi die Lebensmittelvorräte auffülle. Alle schönen Abfahrten wollen auf einem Rundkurs im Gebirge aber mit langen und anstrengenden Aufstiegen bezahlt werden, ein Naturgesetz. Will heißen, jetzt ging der Spaß erst los, jetzt hieß es, von 380 Höhenmetern hinauf auf die nächste Bergrippe mit 711 Metern, wieder hinunter auf 625 Meter, danach hinauf zum Herrn Magirus auf 750 Höhenmetern zu strampeln. Man gönnt sich ja sonst nichts! 🙂 nach dreieinhalb Stunden fast ununterbrochenem Kurbeln wieder am Bus, erschöpft, aber mit sich selbst zufrieden.
Dem Spanier an sich (wer ist das?) gilt das Fahrrad eher nicht als Transportmittel, sondern als Sportgerät. Auf geteerten Straßen in der Form des Rennrades, leicht wie eine Feder, in den Bergen abseits des Asphalts als Mountainbike, neueste Generation, Fully mit 29″-Bereifung. Dazu gehört selbstverfreilich auch die poppig bunte Funktionskleidung ~ der mit abgeschnittenen Jeans und grauem T-Shirt ohne Aufdruck strampelnde Vagabund erntet teilweise befremdete Blicke. Meist ist er (wer?) in Gruppen unterwegs und unüberhörbar, denn wenn der Spanier an sich (wer ist das wohl?) nicht alleine ist, dann unterhält er sich. Und wenn er sich unterhält, dann unterhält er sich laut 🙂
Scherz beiseite, aber das Ende der Semana Santa, der heiligen Osterwoche, hat jede Menge Volk (zu Fuß, mit Fahrrad oder Auto, Familien und Häufchen von Jugendlichen, und auch einen alten Spanier mit Einspänner, Pferd mit Blumen hinter den Ohren und Mann mit Pinscher auf dem Arm) in die ansonsten eher leeren Gebirgsgegenden gespült. Das hat dem alten Herrn Magirus manch bewundernden Blick eingetragen, und der alte Herr Gutmann bekommt Lob für sein Eigentum (¡que preciosa!) und Bildchen des wanderereigenen Wohnmobils deutscher Produktion auf dem Handy gezeigt 🙂 Allerdings muß ich die auch so schon sparsam installierte Mobilnetz-Infrastruktur mit all den Leutles teilen, was immer wieder zu Verbindungsabbrüchen führt und die Bloggerei so gut wie unmöglich macht. Inzwischen (Dienstag) sind die Montañas leergefegt, wie sich das gehört, und die Daten fließen wieder 😉
Nach der Strampelaktion und einem Grüntee zur Erholung packe ich meinen Kram zusammen und ziehe mit dem alten Herrn Magirus wieder los, an der Quelle vorbei, kurz Wasser auffüllen, in Altura Lebensmittel für den Sonntag und ein wenig mehr einkaufen, dann auf die CV-245, um in dieses schöne Tal mit der Badewanne zu fahren . . . aber, des Menschen Wille wird nicht immer wahr, irgendwie verpasse ich den Abzweiger und lande schließlich auf fast tausend Metern Höhe auf obigem Übernachtungsplatz, in Mulde und Funkloch. Ein Wanderwegweiser zeigt nach Gatova, wie auf dem ersten Bild dieses Artikels, das macht natürlich neugierig: ob der Weg wohl da vorbeiführt? Ob sich so wieder mal ein Kreis schließen läßt?
So bringt der nächste Tag, der Ostersonntag, neben einem Spaziergang über den heimischen Hügel zur Aufnahme des obigen Panoramas der Serra Calderona auch eine Radtour in Richtung Gatova den GR10 entlang. Die Nummerierung der europäischen Fernwanderwege GR, was französisch Sentier de Grande Randonnée, niederländisch Grote Routepaden oder Lange-afstand-wandelpaden, portugiesisch Grande Rota, spanisch Gran Recorrido, katalanisch Gran Recorregut heißen soll, scheint etwas widersprüchlich zu sein, denn es gibt auch einen GR10 in den französischen Pyrennäen. ‚Mein‘ Zipfel des GR10 gehört zum Fernwanderweg von Valencia am Mittelmeer bis zur Atlantikküste bei Lisboa, Lissabon. Obwohl es schön gemütlich auf einer fast horizontalen Waldfahrstraße losgeht, mutiert der Weg zwischendurch als Fußwanderweg zu Etappen, die mich bei meiner persönlichen Regel, keine Pfade hinunterzufahren, bei denen Vincent beim Hochfahren die Traktion verlassen würde, zum Fußgänger machen. Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, daß der alte Herr Gutmann laut Spezifikation für erdnahe Umlaufbahnen zu dünnhäutig konstruiert ist, und daß Verletzungen der Außenhaut trotz guten Heilfleisches länger Unannehmlichkeiten machen, als der Spaß anhält 🙁 Aber das ist nur ein ganz kurzes Stück des Weges, und tatsächlich lande ich nach einem kurzen Intermezzo auf einem asphaltierten Sträßchen wieder auf einer Piste, die mir immer bekannter vorkommt und mich schließlich zu obigem Hinweisschild mit Wanderschuhen bringt. Nach zweieinhalb Stunden Sportprogramm mit rauf und runter, runter und rauf, beschließe ich, meine Agenda in den nächsten Tagen etwas weniger anstrengend zu gestalten 🙂
Also muß sich am nächsten Tag, dem Ostermontag, der in Spanien kein Feiertag mehr ist, der alte Herr Magirus anstrengen. Wieder die CV-245 entlang zuerst in westlicher, dann südlicher Richtung, bis mir ein Schild auffällt, das alte Mühlen ankündigt. Eine schmale, aber geteerte Straße entlang bis zu den Überresten eines Bauernhofes. Da die Mühlen, die schaue ich mir erst gar nicht an, denn sie sind einfach zu perfekt restauriert. Weiter führt das immmer noch geteerte Sträßchen im Bogen zurück in die Berge, einen Hang hinauf, auf der anderen Seite wieder hinunter. Irgendwann die Entscheidung: Rechts geteert hinunter oder links gepflegter Schotter hinauf? Keine Frage, links sieht interessanter aus. Und so klettert der alte Herr Magirus wieder mal über etliche Bergketten, im kleinen Gang und an besonders steilen und ausgewaschenen Streckenabschnitten auch im Kriechgang, um am Ende wieder oben an der CV245 anzukommen, fast da, wo wir mittags aufgebrochen sind. Braver alter Herr! 🙂
Der westliche Teil der Serra Calderona, in dem ich mich jetzt befinde, gehört nicht mehr zum Nationalpark, wohl weil in der Vergangenheit etliche große Feuer die meisten Hänge leergebrannt haben. Zum Teil liegen die verbrannten und dann vom Wind umgeworfenen Pinien noch da, wie sie fielen, zum Teil sind die Hänge leergeräumt, verwertbare Stämme abtransportiert, Äste und Zweige liegen zum silbergrauen Polster gebleicht geschreddert an den Verarbeitungsplätzen. Wenn dann Büschel von Grün daraus sprießen, leuchtet das als natürliches Kleinkunstwerk. Das Bild gibt’s übrigens als Bildschirmhintergrund (Wallpaper) auf ralfgutmann.eu >> wallpaper . . . auch am Platz des Funklochs war der Boden so belegt.
An sich ist die Pinie ja durch ihre dicke, normalerweise rotbraun und grausilbern schimmernde Borke recht gut gegen Brände gefeit, aber irgendwann ist die dickste Borke durchgebrannt. Die noch stehenden Bäume sind meist auf den unteren Metern schwarz verkohlt, die unteren Zweige vertrocknet und kahl, nur oben lebendiges Grün. Auch wenn nur das recht flache Wurzelwerk durchgeglüht wird, reicht der nächste stärkere Wind, den Baum einfach umzuwerfen.
Der Wind . . . Spanien hat wahrlich genug Wind, in jeder Stärke. Der entfacht aus jeder weggeworfenen Kippe einen veritablen Waldbrand, der sich dann auch schwerlich wieder eindämmen läßt. Und bis Löschzüge aus Valencia hier im entlegenen westlichen Teil der Serra ankommen . . . mit Flugzeugen und Hubschraubern wird Wasser abgeworfen, aber wenn der Wind so richtig weht, ist das wie ins Feuer gespuckt.
Der unten zu sehende Feuerwachturm ist nicht mehr besetzt, hier ist schon alles verbrannt. Aber die Gefahr ist gerade wegen der winterlichen Stürme durchaus aktuell, keine Sache nur des Sommers, wie man meinen könnte. Anfang des Monats hat es bei Segart im Parque Natural gebrannt, ich konnte die Rauchwolken auf meiner Fahrt zum Strand sehen. Für fast jedes Jahr findet man Berichte über Waldbrände, wenn man nach Incendio und Sierra Calderona googelt.
Schöner anzusehen und weit weniger gefährlich ist das Feuer am Himmel, auch wenn es einen manchmal vom Kochen ablenkt, wobei auch das eine oder andere Unglück passieren könnte. Ist aber nochmal gutgegangen, nichts verkohlt und auch die Nudeln noch schön al dente 🙂