Ein Besuch bei Miguel Horn

Miguel Horn an seiner Skulptur Felsenreiter
Miguel Horn an seiner Skulptur Felsenreiter

Vor knapp zwei Jahren hatte ich auf meiner Tour entlang der Donau in Oberösterreich die Werke von Miguel Horn entdeckt und Bilder in einem Artikel in diesem Blog veröffentlicht. Nach mehreren Telefonaten, in denen wir uns gut unterhalten hatten, waren wir uns einig, dass wir uns ~ irgendwann einmal ~ in natura begegnen sollten. Und nun war es soweit; drei Tage waren der alte Herr Magirus und ich bei Miguel zu Gast.

Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ links der Abgrund
Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ links der Abgrund

Dass nun ausgerechnet an dem Tag, an dem sich Miguel die Zeit genommen hat, mich kreuz und quer durch die niederösterreichische Landschaft zu fahren, um mir einige seiner im öffentlichen Raum installierten Kunstwerke zu zeigen, auch der Tag war, an dem sich die Wasser über dem Horizont mit den Wassern unter dem Horizont zu vereinigen suchten, machte die Arbeit mit der Kamera etwas schwieriger, zeigte aber auch, wie unterschiedlich die komplexen Edelstahlinstallationen je nach Licht und Betrachtungsstandpunkt wirken.

Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ rechts geht es senkrecht nach unten
Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ rechts geht es senkrecht nach unten

In seiner Skulptur der Felsenreiter, über der Donau bei Waldhausen, verdichtet er gleich vier Mythen der Donau, die Donau-Nixe Isa, den Raubritter, der die Gegend einmal unsicher machte, der sich der Bestrafung durch Kaiser Maximilian dadurch entzog, dass er sich samt Pferd über diesen Felsen in die Tiefe stürzte, und den grauen Mönch, der den Kaiser vor dem sicheren Tod rettete, in dem er ihn aus einem danach zusammenstürzenden Saal führte, und dem Donaufürsten zu einem komplexen Kunstwerk aus verschränkten Edelstahlelementen. Zweidimensionale Platten, aus denen mit dem Plasmaschneider Konturen und Silhuetten geschnitten werden, verschränkt zu stabilen dreidimensionalen Werken, die lebendig werden durch mit der Schruppscheibe gearbeitete, in der Sonne schillernden Texturen.

Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ Sprung in den Abgrund
Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ Sprung in den Abgrund

Die Donaunixe Isa, die einige der Arbeiten Miguels am Wanderweg Donausteig verbindet, hat bei ihm nicht den sonst üblichen Fischschwanz, sondern zu Flossen geformte Füße, und wird begleitet von den symbolischen Schlangen der sich durch die Landschaft mäandernden Donau. Die Stophand sowohl aktuelle Warnung für den Wanderer, als auch bewußt missachtete für den Raubritter, der im Sprung mit beiden Händen in den Abgrund, zur Donau zeigt.

Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ Blick zur Donau
Miguel Horn ~ Felsenreiter ~ Blick zur Donau
Gobelwarte Grein und das Strudengauer Burgspektakel
Gobelwarte Grein und das Strudengauer Burgspektakel
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Gobelwarte Grein
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Gobelwarte Grein

Wie sehr diese Werke dazu einladen, sie immer wieder aus einem andern Blickwinkel zu betrachten, weil immer wieder neue Ansichten die Phantasie beflügeln, wird auch bei der Skulptur des Strudengauer Burgspektakels deutlich, die man auch vom daneben stehenden Aussichtsturm aus unterschiedlicher Höhe betrachten kann. Das Fest auf der Burg, wo das Pferd in der einen Hand den Reichsadler (oder den Pleitegeier?) und in der anderen den tanzenden Hund (oder den schlauen Fuchs?) balanciert, während der Ritter (warnend?) in die Ferne zeigt und der Hofnarr/Harlekin ausgelassen tanzt, zeigt nach Perspektivwechsel . . .

Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Gobelwarte Grein
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Gobelwarte Grein
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Detail
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Detail

. . . in ironischem Augenzwinkern, wie das gehörnte Tier mit erigiertem Gemächt der anmutigen Frau (nennen wir sie Eva, oder ist sie Isa inkognito, ohne ihre Flossen?) an die Titten grapscht, während die nach dem biblischen Apfel (der Erkenntnis oder der Sünde?) greift, der ihr von der Schlange angeboten wird. Und eine Figur rauft sich (aus Verzweiflung?) mit zur Fratze verzerrtem Gesicht die Haare.

Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Eva (Isa?), die Schlange Donau und der Apfel
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, Eva (Isa?), die Schlange Donau und der Apfel

Es begeistert nicht nur die schillernde Darbietung der Geschichte, sondern auch die durch Texturen dreidimensional anmutenden Ausarbeitung der Platten. Phantasie, kreative Intelligenz plus gekonntes Handwerk ist gleich Kunst!

Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, vom Turm aus gesehen
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, vom Turm aus gesehen

Miguel selbst ist übrigens kein Fan von solchen schriftlich niedergelegten Interpretationen, der Betrachter selbst soll den von den Werken inspirierten Assoziationen nachspüren. Der oben gezeigte Text ist also mein persönliches Erleben beim Besuch, erweitert noch durch die Auseinandersetzung mit den Bildern während der Auswahl und Bearbeitung zu diesem Artikel. Für Euch gilt: selber hingehen, schauen, erleben! Am Schluss des Artikels finden sich dazu die Positionen in Google Maps.

Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, vom Turm herab
Miguel Horn ~ Strudengauer Burgspektakel, vom Turm herab
Miguel Horn ~ die Messerer ~ der Künstler an seinem Werk
Miguel Horn ~ die Messerer ~ der Künstler an seinem Werk

Die komplexen Edelstahlskulpturen sind sozusagen der vorläufig aktuelle Stand der Entwicklung der Arbeiten von Miguel Horn, der eigentlich in den 60er und 70er Jahren als Holzbildhauer mit zum Teil monumentalen Skulpturen Aufsehen erregte ~ davon später. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre entstanden die ersten Arbeiten aus Metall; eine der Arbeiten ist diese: Die Messerer, entstanden 2007, fünf Meter hoch, mit ausgeschnittenen Kopfprofilen, aus der Ebene der vollen Platten herausgedreht und verschränkt. Nicht ganz so monumental sind die Skulpturen in der Freiluftgalerie in Engelhartszell, die ich schon in meinem Artikel von vor zwei Jahren gezeigt habe.

Miguel Horn ~ die Messerer, Ausschnitt
Miguel Horn ~ die Messerer, Ausschnitt

Miguel verarbeitet auch immer wieder aktuelle Ereignisse in zum Teil stark provozierende Werke. 1997 führte seine Installation ‚Wer vergibt uns unsere Schuld?‘ gegen Krieg und Ungerechtigkeit in Blindenmarkt , einer Kreuzigungsgruppe kopfüber, zu rigiden Kommentaren des Kameradschaftsbundes (der sich in seiner Selbstbeschreibung darstellt als ‚überparteiliche Organisation, die für aktiven „Frieden in Freiheit“ eintritt und die Zukunft unserer Heimat mitgestaltet‘) und zum Abbruch der Ausstellung. Hier die Arbeit ‚Rinderwahn‘, die auf einer Verkehrsinsel bei Waidhofen an der Ybbs ihren Platz gefunden hat.

Miguel Horn ~ Rinderwahn
Miguel Horn ~ Rinderwahn

Ergreifend ins Eingemachte gehen die Arbeiten, die in Impression durch die medial voll übertragenen Bilder aus dem Golfkrieg entstanden sind. Man google nach ‚Highway of Death‚: Die USA stoppten in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 1991 mit Minen Anfang und Ende des Konvois der Irakischen Truppen auf dem von der UN geforderten Rückzug, um mit mehrstündigen Luftangriffen alles niederzumähen. Zivilisten, die auf dem Highway unterwegs waren, hatten Pech. Zwischen 1800 und 2700 Fahrzeuge wurden zerstört, mindestens 800 bis 1000 Menschen kamen um. Wer sich die gruseligen Bilder noch einmal antun will, kann sich auch die Nachrichtensendung des Senders CBC zu den Vorfällen anschauen.

Miguel Horn ~ im Vordergrund Impressionen zum Highway of Death
Miguel Horn ~ im Garten, im Vordergrund Impressionen zum Highway of Death

Die Werke aus Draht und Thiokol, einem Kunststoff, wie er in der Isolierglasherstellung als Dichtmasse verwendet wird, reflektieren die Bilder von LKW-Fahrern, die aus ihren brennenden Fahrzeugen krabbeln. Miguel Horn: Mit meiner Arbeit ‚Die Abscheu des Krieges‘ möchte ich ein Denkmal setzen für die Verführten, ein Denkmal für die Toleranz, ein Denkmal zum Nachdenken, und schließlich einen Beitrag dazu leisten, damit in der Zukunft Kriege nicht mahr passieren können.

Miguel Horn ~ Impressionen zum Highway of Death ~ Kuwait
Miguel Horn ~ Impressionen zum Highway of Death ~ Kuwait

Der Jurist und Friedensaktivist Ramsey Clark kritisierte die Vorgehensweise als Verstoß gegen die Genfer Konvention und Kriegsverbrechen. Aber die mächtigsten der Welt, die den Krieg befehlen oder durch Eskalation provozieren, werden nicht zur Rechenschaft gezogen, egal ob sie aus dem Westen oder dem Osten kommen. Wie man aktuell sieht, ist Krieg immer noch möglich . . .

Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs

Für Miguel selbst seine „wahrscheinlich wichtigste Arbeit“ ist der ‚Platz der vergessenen Völker‘ in Neuhofen an der Ybbs. Ein Steinkreis aus fünf großen Granitstelen mit gekreuzigten, gequälten Kreaturen, ergänzt durch den Ostarrichi-Stein, auf dem in Schrift aus Edelstahl die Völker angezeigt werden, die im Lauf der Zeit das Land Österreich besiedelt haben (und wie z.B. die Slawen, wieder vertrieben wurden) und einem Stein, auf dem die weltweit bedrohten Völker auf Edelstahlplaketten aufgeführt sind ~ von den meisten kennen wir nicht einmal die Namen . . .

Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Ostarrichi-Stein
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Ostarrichi-Stein
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs
Miguel Horn ~ Platz der vergessenen Völker ~ Neuhofen an der Ybbs

Mein dreitägiger Aufenthalt bei Miguel hat mir aber auch einen winzigen Einblick in die Schaffenshistorie und Schaffenskraft dieses Künstlers ermöglicht. Rund ums Haus sammeln sich Werke aus den unterschiedlichsten Perioden, die Stahlskulpturen frei im Garten, die aus Holz eher wettergeschützt unter Dach am Haus oder dem Carport. Und das in einer Menge, die buchstäblich überwältigend ist. Man fragt sich unwillkürlich, ob dieser Mann sich auch einmal eine Pause gestattet. Die Fülle der Werke zeigt in jedem Fall eine Entwicklung, in der Miguel sich und seine Formensprache von den großen Holzskulpturen über Stein, Marmor, Bronze, Stahl, Stahl und Kunststoff, Edelstahl immer weiter entwickelt und dabei die Möglichkeiten des jeweiligen Materials gekonnt genutzt hat.

Miguel Horn ~ im Garten ~ Hände
Miguel Horn ~ im Garten ~ Hände
Miguel Horn ~ im Garten ~ von 2D zu 3D
Miguel Horn ~ im Garten ~ von 2D zu 3D
Miguel Horn ~ Arbeit in Bronze
Miguel Horn ~ Arbeit in Bronze
Miguel Horn ~ Arbeit in Bronze
Miguel Horn ~ Arbeit in Bronze
Miguel Horn ~ im Atelier ~ Aktstudie in Holz
Miguel Horn ~ im Atelier ~ Aktstudie in Holz
Miguel Horn ~ im Atelier
Miguel Horn ~ im Atelier
Miguel Horn ~ Mutter mit Kind
Miguel Horn ~ Mutter mit Kind
Miguel Horn ~ der Künstler vor dem Arbre de Vie an seinem Lagerplatz
Miguel Horn ~ der Künstler vor dem Arbre de Vie an seinem Lagerplatz

Ein Beispiel für die frühen, großen Holzarbeiten ist der Arbre de Vie, Lebensbaum, eine Skulptur aus einer Redwood Sequoia, über zehn Meter hoch, die mehr als 35 Jahre in Pontoise, Nordfrankreich, aufgestellt war. Miguel sucht für dieses Werk einen Standort unter Dach, witterungsgeschützt, denn Wind und Wetter nagen mit der Zeit doch am Holz. Also, wer hat ein möglichst öffentlich zugängliches, mindestens 11 Meter hohes Dach und hat Interesse an einer (unter Umständen kostenlosen) Dauerleihgabe?

Miguel Horn ~ Arbre de Vie
Miguel Horn ~ Arbre de Vie
Miguel Horn ~ Arbre de Vie, Ausschnitt senkrecht gestellt
Miguel Horn ~ Arbre de Vie, Ausschnitt senkrecht gestellt
Miguel Horn ~ Arbre de Vie, Detail
Miguel Horn ~ Arbre de Vie, Detail
Miguel Horn ~ Arbre de Vie, Ausschnitt freigestellt
Miguel Horn ~ Arbre de Vie, Ausschnitt freigestellt

Zum Schluß noch, Miguel, meinen herzlichen Dank für die Zeit, die du dir für mich genommen hast, die Einblicke in dein Schaffen, für die Gastfreundschaft und die Aufnahme in deine Familie und Freundeskreis, und für die Begleiterin, die auf dem Tisch bei der Erstellung dieses Artikels zugeschaut hat!

mit Google-Maps zu den Werken:

Predigtstuhl – Felsenreiter
Gobelwarte Strudengauer Burgspektakel
Böhlerwerk – Die Messerer
Mensch und Kommunikation – Rinderwahn
Platz der vergessenen Völker

vom alten Artikel in diesem Blog:

Panta Rhei
Freiluftgalerie Engelhartszell
Römerburgus Oberranna
Schlögener Blick auf die Donauschleife

Kommentare

5 Antworten auf „Ein Besuch bei Miguel Horn“

  1. Hallo miteinander!
    Ich würde mich sehr freuen, wenn die vielen Besucher, die sich diesen Artikel über Miguel Horn und seine Werke ansehen, wenn er ihnen gefällt, vielleicht die eine oder andere Rückmeldung in diesem Blog abgeben. Falls Sie die Kommentarfunktion am Ende des Artikels nicht sehen (also nicht in der ausschließlichen Ansicht des Artikels sind), klicken Sie einmal auf den Titel des Artikels und scrollen dann nach unten.
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    Dann können andere Besucher des Blogs und sogar ich selbst als Verfasser sehen, wie Artikel und Bilder bei Ihnen ankommen. Ist das nicht schön?
    Herzlichen Dank!
    Ralf Gutmann

  2. Lieber Ralf,
    danke für deine Wertschätzung unseres „Lebensbaumes“ . Deine Bilder (generell) sprechen sehr viel aus bzw. betonen viele Stimmungen. Die Aura, die magische und mentale Achse eines Baumes, eines Platzes, einer Skulptur erfordert die physische Anwesenheit.
    Danke für das Present, das mir Miguel gestern übergeben hat.
    Liebe Grüße
    Gerhard

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