Der gestern anfangs noch kräftige Nieselregen mit Wind hat sich glücklicherweise schon am Nachmittag gelegt, es war pralle Sonne an blauem Himmel angesagt, sodaß die Fahrt ohne dicke Jacke mit offenem Seitenfenster fortgesetzt werden konnte, was sich im alten Herrn Magirus angenehm zugfrei anfühlt. Sooo mögen wir das Reisen! Auf der D1083 leicht abwärts rollend durch die mit Teichen übersäte Hochebene im südlichen Jura, danach steiler Abstieg ins Rhônetal. Von Googles freundlicher Navigationsassistentin, die es sich aber zu meiner Verwirrung nicht abgewöhnen kann, französische Orts- und Straßennamen deutsch auszusprechen (wie schön war das noch in der Pocket-PC-Version von TomTom, wo die ‚kleine Französin‘ als AddOn mit einem ausgesprochen süßen Akzent zur richtigen Abzweigung riet), auf der südlichen Peripherique um Lyon herumgeführt und gegen Abend dann nach über zweihundert Kilometern an meinem Liebliengsrastplatz am sonnigen Rhôneufer festgemacht. Müde, aber zufrieden . . .
Vor einem guten Jahr, Anfang Januar, war das hier bannig kalt und unangenehm windig. Jetzt machen sich die zweieinhalb Monate, die schon mehr ins Land gezogen sind, sehr positiv bemerkbar. Trotz verhangen Morgens war es doch bedeutend wärmer, und als dann gegen Mittag die Sonne herauskam, wurde das richtig angenehm. Das hebt die Laune so weit, daß ich euch einen kleinen Vertell zu dieser gemauerten Steele machen möchte, die ihr auf dem nächsten Bild seht.
Wer genau hinsieht, sieht den Gutmann, als Größenvergleich auf dem Bild plaziert, wie er auf einige Inschriften zeigt. Hochwassermarkierungen, die unteren zwei Schilder aus den fünfziger Jahren des nun schon vorigen Jahrhunderts, die in Stein gravierten Markierungen nochmal hundert Jahre früher, 1840 und 1856. Ganz schön weit oben, muß ich euch sagen! Schon alleine vom Sockel der Steele sind das drei Meter und siebzig Zentimeter, vom jetzigen Wasserstand der Rhône aus gemessen sechs Meter und dreißig! Ich möchte mir die Wassermassen lieber gar nicht vorstellen, die da das Rhônetal hinunter ins Mittelmeer gerauscht sind. Das Tal muß bis zum Anstieg der Berge voll gewesen sein, alle Siedlungen und Äcker Land unter.
Dieses Jahr war das bei weitem nicht so schlimm, aber der Trockenbruch einer halbzentimeter dicken Schlammschicht zeugt davon, daß das Wasser der Rhône immerhin einen Meter und siebzig über dem gegenwärtigen Stand den Ponton, die auf Stelzen stehende Plattform über dem Fluß, bis hinauf über die erste Sitzstufe überströmt hat, und nicht nur mal eben ein paar Minuten.
Nun ist es aber recht unwahrscheinlich, daß die Steele nur dazu gebaut wurde, um daran Hochwassermarkierungen zu befestigen. Vor allem würde die Höhe von rund zehn Metern dann von panischer Katastrophenangst zeugen. Aber für was sollte sie sonst gut sein? Ein Heldendenkmal sicher nicht, außer den Hochwassermarkierungen gibt es keine Inschriften. Außen vorstehende Trittsteine in Spiralform aufsteigend um die Steele herum, jeweils etwas höher kurze Stangen, die als Haltegriffe aus der Wand ragen, könnten einen zum Erklimmen des Objekts reizen, aber die unteren sind wohlweislich weggeschlagen, um die Übermütigen vom Kühlen ihres Mütchens abzuhalten.
Die Lösung des Rätsels findet sich zum Glück auf einer in der Nähe stehenden Schautafel. Die Steele ist Teil des Antriebs einer alten Fähre. An einem zwischen den Ufern der Rhône gespannten Seil gleitend festgemachten Kahn genügte ein großes, schräggestelltes Ruder, um bis zu 60 Personen, oder auch mal ein Auto als Fracht vom Departement Ardéche zum Departement Drôme zu bringen, oder wahlweise auch umgekehrt. Ohne Dampf, geschweige denn Dieselmaschine. Könnte man auch heute noch benutzen, die Technik, aber um den Klimawandel zu beschleunigen blasen wir ja sogar das Laub mit Maschine und Gedröhn von einem Platz zwei Meter weiter.
Die Fähre tat ihren Dienst bis August 1896, als der Rhôneschlepper le Pilat vergaß, seinen Schornstein wegzuklappen, das in achteinhalb Metern Höhe über der Flußmitte gespannte Kabel der Fähre rammte und die auf der gegenüberliegenden Flußseite stehende Steele dabei niederriß und in kleine Stücke zerlegte. Und niemand sich die Mühe machte, die Konstruktion wieder zu reparieren. Nun denn!
Die beiden letzten Bilderchen entstanden auf meiner kleinen Fahrradtour zum gegenüberliegenden Ufer (nächste Brücke dreieinhalb Kilometer) zum Einkaufszentrum auf der grünen Wiese. Lebensmittel waren alle 🙁 Suchbild mit Magirus und ein impressionistisches Stilleben mit Weiden zum erbaulichen Genuß 🙂