Beim Spaziergang zum Strand heute Morgen, wenige Schritte nur, knallblauer Himmel ohne ein Wölkchen. Bis auf die künstlichen Wolken, die ein Jet hinter sich herzieht und die inzwischen schon längst wieder verschwunden sind. Über dem Horizont aber, wie es sich gehört, der schmale goldene Streifen, der langsam mit der Höhe ins Blau verläuft. Zur Zierde ein paar Fischerboote, damit euch die Bilder nicht gar zu langweilig werden. Und auf dem Rückweg zum alten Herrn Magirus noch einmal umgedreht und ein Schuß auf die steigende Sonne mit Schilf, bevor ich mich wieder in die geheizte Innenwelt verziehe . . .
Auch der gestrige Tag war angenehm sonnig und fast windstill, eine gute Gelegenheit, dem alten Herrn Magirus ein wenig Pflege zukommen zu lassen. Der hatte sich nämlich neulich mit neuen Zipperlein gemeldet. Das Standgas ein wenig hoch, und beim Kreiseln um die hier allgegenwärtigen ‚Coronas‘ versuchte er, uns zu beschleunigen, obwohl ich nicht mal den großen Zeh auf dem Gaspedal hatte. Nur sanftes Abbremsen konnte den alten Herrn von launigen Eskapaden abhalten. Frag ich ihn: ‚Señor Magirus, was ist los mit dir, wo zwickts dich?‘ Sagt er: ‚Herr Gutmann, du könntest dich ruhig mal wieder ein wenig um mich kümmern, du läßt mich ziemlich verwarlosen . . .‘ Wir reden immer sehr freundlich und respektvoll miteinander, wir wissen schließlich, was wir aneinander haben . . . ‚Mei, Señor Magirus, verlangst du von mir, im Dreck auf dem Strand unter dir rumzukrabbeln? Außerdem sind wir im Ausland, da müssen wir schon ein wenig darauf achten, was die Leut so für einen Eindruck von uns kriegen. Busschrauben auf dem Strand, da würden wir ja gegen die ökologischen Erwartungen verstoßen, und das Image von Frau Merkel würde arg leiden . . . aber ich such uns einen ruhigen Parkplatz mit festem Untergrund, dann schau ich mal, versprochen . . .‘
Bei dem Schietwetter die letzten Tage hatte ich das zwar auf die lange Bank geschoben, aber nachgedacht, woran das liegen könnte, das hab ich schon. Auf dem sieben Meter langen Weg vom Gaspedal zum Motor, genauer der Einspritzpumpe, gibt das schon die eine oder andere Möglichkeit für ein Zipperlein, und nach 43 Jährchen auf dem Buckel darf man sich auch nicht wundern. Und die Geschichte mit der Beschleunigung im Kreisverkehr erklärt sich durch reine Zentrifugalkraft: Der dicke Deutz F6L912 mit seinen 5655cm³ Hubraum bringt schon soviel Gewicht auf die Waage wie ein Kleinwagen und ist auf dicken Gummipuffern gelagert. Das bewegt sich natürlich in der Kurve in Relation zur an der Karosserie fix geführten Stange, die über mehrere Umlenkungen die Bewegung des Gaspedals überträgt. Sollte einer der Gummipuffer gebrochen sein? Hatten wir schon einmal. Oder die Rückholfeder? Die schlimmste anzunehmende Ursache wäre, wenn in der Reiheneinspritzpumpe selbst irgendwas defekt wäre, daaas wäre kompliziert und teuer 🙁
Nun, der Einspritzpumpe läßt sich von außen freilich kein Defekt ansehen, die Gummilager sind alle in Ordnung, die Rückholfeder ist noch an einem Stück. Das Gestänge mitsamt allen Gelenken bewegt sich, aber zugegebenermaßen nicht allzu leicht. Mit Sprühöl und Ölkännschä arbeite ich mich durch bis ans vordere Ende der Befehlskette, wo sich nach einigem Probieren und der Methode Versuch, Irrtum und Isolierung der Bösewicht festnageln läßt. Das Gaspedal selber hakelt in seinem Lager, beim Durchtreten bis zum Anschlag bleibt es sogar in Vollgasstellung hängen. Meine Herren, das ist kein Spaß!
Da das Gaspedal mit seiner Achse und dem Hebel, der das Gestänge ansteuert, massiv verschweißt ist, und das Ganze so verbaut ist, daß nach Gesamtmontage ganz sicher niemand mehr darankommt (heutzutage wird das gaaanz anders gemacht: die Teile, meist aus Kunststoff, werden einfach zusammengesteckt und halten über elastische Federn/Haken/Dübel. Eine zerstörungsfreie Demontage wird nicht mal angedacht) , ohne den halben Vorderwagen zu zerlegen, beschränkt sich die Reparatur auf viel Sprühöl und so lange wackeln und bewegen, bis sich das alles wieder schön frei anfühlt. Probelauf erfolgreich, so erfolgreich, daß sich mit dem Handgashebel, den man zum Starten braucht, bis der Motor auf Betriebstemperatur ist, die Drehzahl wieder soweit runterregeln läßt, bis der Motor ausgeht . . . daran muß man sich auch erst gewöhnen 🙂 normalerweise macht man das mit einem extra dafür vorgesehenen Ausschaltknopf!
Gut, das wäre erledigt! Bleibt noch eine Kleinigkeit: Den Motor hatte ich in Herbst und Winteranfang an mehreren Stellen, an denen Öl ausgetröpfelt war, abgedichtet. Und das war auch erfolgreich. Die Abdichtung am Getriebe, wo das Winkelgetriebe der Tachowelle montiert ist, leider nicht so sehr. Da der Spezialist für Tachos, Kienzle und VDO von der Dichtung in der Montagemuffe nichts wußte und sowas auch noch nie gesehen hatte, mußte ich improvisieren. Viel kommt da zwar nicht raus, aber das ist wie mit einer tropfenden Nase, da hängt dann unten immer ein Tropfen dran. Also ein Lätzchen drumgewickelt und mit Kabelbinder festgemacht, dann hält sich das und verdunstet mit dem Fahrtwind . . .
Gar nicht schön anzusehen von unten ist der Schaden, der Anfang des Monats beim Wenden am Ende der Sackgasse im Gebirge aufgetreten ist. Der gute alte Herr Magirus ist halt doch kein Jeep mit seinen langen Überhängen und der geringen Bodenfreiheit. Beim Einfädeln in ein freies Stück Feldweg mußte ich über einen dicken Stein drüberrollen, der dann beim Abrollen von unten in den Überhang gedrückt wurde. Der Schaden hält sich deshalb in Grenzen, weil das zerdepperte und verzogene Vierkantrohr eh zu den vier Ecken gehört, wo ich vor dem nächsten TÜV mit dem Schweißgerät hin muß . . . und von oberhalb sieht man zum Glück nichts 🙂
Der alte Herr Magirus macht schon was mit mit diesem abenteuerlustigen Vagabunden, aber mit der Arbeit gestern ist er erstmal zufriedengestellt und tut seinen Job wieder als der alte Profi, der er ist. Und ich klopf ihm sanft aufs Lenkrad: Wir schaffen das schon, wir beide, zusammen!
Und nun zur Geisterstunde noch einen Besuch bei den alten Herren – Zen und die Kunst, den alten Herrn Magirus zu warten. Schön, dass ihr so gut miteinander könnt.
Wie dichtet man einen ölenden Motor ab???? Hat keine Eile, mein altes Auto mit
dem ölenden Motor ist ja wegen einer Art multiplen Organversagens vom TÜV aus dem Verkehr gezogen worden und das neue alte ölt (noch) nicht, sondern lebt andere Befindlichkeiten aus, heute dies und morgen was anderes. Jeder Werkstattfritze wiegt sorgenvoll das Haupt, wenn der Motor ölt: da kann man nichts machen…. Offenbar doch!
Ich hab übrigens dein Linsengericht nachgekocht, na ja, nicht gerade 1:1. Linsen, keine Peperoni, aber Chili, Knofi, wir hatten nur noch einige Einzelrosinen, dafür aber Äpfel, und die schwarzen Oliven hab ich dann auch noch vergessen: aber es hat sehr gut geschmeckt.
Dir einen schönen Sonnenaufgang und einen warmen Tag
Ursula
Eben war ich noch mit dem Hund draußen (und bin deshalb natürlich wieder wach): Schneesturm. Und jetzt beneide ich dich doch ein bißchen!
Motor abdichten: Im Prinzip geht immer alles, es ist allerdings auch eine Frage der Kosten/Nutzen-Rechnung. Und die verschiebt sich, wenn man alles so weit als möglich selber macht und seine Arbeitszeit nicht in Rechnung stellt 🙂
Nach 43 Jahren verabschiedet sich alles, was aus Gummi hergestellt ist, unter Umständen sind Laufbuchsen ausgeleiert und lassen Öl durchsickern, können aber ersetzt werden. Die zwei größten Sabberstellen des alten Herrn, Dieselvorpumpe und Welle/Buchse der Keilriemenspannrolle, kosteten nur Material jeweils knapp über fünfzig €uro. Hat sich allemal gelohnt! 🙂
Beim Herz des alten Herrn Magirus, dem Deutz-Motor, kriegt man so gut wie jedes Ersatzteil nachgekauft, wenn auch manchmal in modernisierter, dann nicht mehr in noch kleinere Teile zerlegbar. Denn die Motoren werden nur in Details verändert immer noch hergestellt, Tauschmotoren werden angeboten.
So stelle ich mir Qualität vor. Klingt nach ewigem Leben.
🙂 eher nach ewiger Arbeit . . .