Voll da bedeutet inzwischen, daß ein Frühling eingekehrt ist, der in Deutschland jederzeit als Hochsommer durchgehen würde, temperaturmäßig. Auch nachts sinken die Temperaturen nicht mehr unter 18° Celsius, tagsüber in der Sonne ist schwer arbeiten, Hitzschlag- und Sonnenbrandgefahr und drückend, weil die Luftfeuchtigkeit wegen der vorangegangenen Regentage recht hoch ist.
Heute allerdings ein ‚freier‘ Tag, Pedro ist in Almería unterwegs, ich werde mich um Wassernachschub kümmern.
Heute morgen der Sonnenaufgang eine Stunde zu spät . . . oder hat da einer an der Uhr gedreht? Da muß ich an die Trickfilmserie mit dem rosaroten Panther denken, die ich als Kind gerne geschaut habe . . . das Photo ist aber von vorgestern abend, als ein leichter Streifen Nebel knapp unter dem Horizont das Meer dekorierte.
Nach ein paar Tagen Schwierigkeiten mit dem Internet ~ ein unvorsichtig eingeleitetes großes Sicherheitsupdate des Ubuntu-Betriebssystems auf diesem Blogschreiberrechner hatte das monatliche Datenvolumen gesprengt, was darüber hinaus ging, kostete richtig Geld und Guthaben, wodurch zum Zeitpunkt der notwendigen Erneurerung des Monatspakets nicht mehr genug Guthaben vorhanden war. Katastrophe! Und hier in den Dörfchen im Naturpark von Cabo de Gata konnte nirgends, aber auch wirklich nirgends Guthaben auf mein Hitsmobile-Konto aufgeladen werden. Und übers Internet aufladen scheiterte ebenfalls, an Kleinigkeiten. Die Android-App scheiterte bei Paypal, die Webapp konnte nur SecureID-Visa, das kann ich nicht ~ da mußte man erstmal einen Ausflug nach Almería machen . . . 🙁
Aber jetzt ist wieder alles gut, das wird gefeiert mit den vielleicht letzten Bildern von Sonnenaufgang über dem Meer. Ich werde noch zwei Tage hier bei Pedro auf der Isleta dabei helfen, eine kraftvolle Solaranlage zu installieren, dann ist meine Zeit am Meer vorerst abgelaufen. Es zieht mich ins Innenland, wo ich mich dann ganz langsam nach Norden bewegen werde . . .
. . . und sonst? Ein glücklicher Glücksfisch, wie üblich mit herzlichem Dank an den unbekannten Sprayer, und die Begegnung mit einem brandneuen Ferrari, verdächtigerweise ohne reguläres Kennzeichen, nur eine Typenbezeichnung mit GTR am Ende . . . sollte wohl das Starlet in einem Werbefilm werden. Leider nur mit dem Handy geschossen, das unglücklicherweise auch noch auf niedrigste Auflösung eingestellt war ;(
Nun, wenn ich mich recht entsinne, habe ich in meinem Artikel über die Flut in Almería eine Bemerkung gemacht (oder wars in einer Email? Mann wird alt!), daß es hier keine Sonnenfinsternis gegeben hätte. Weil zu weit im Süden. Nun, der Hans, den ich euch vor einer Weile mit Bild vorgetellt hatte, hat noch weiter südlich tatsächlich Bilder der Sonnenfinsternis geschossen, klickt drauf und schaut sie euch an! So ist also nur für mich die Sonnenfinsternis im Regen ersoffen ~ aber man kann halt nicht alles haben 😉
Alle reden übers Wetter ~ reden wir auch übers Wetter 😉
Die ganze Woche war kräftig verregnet in Andalusien, während in Deutschland eitel Sonnenschein und Temperaturen bis 20 Grad herrschten, wenn ich den Mitteilungen aus der Heimat Glauben schenken soll. Und wieso sollte ich nicht?
Für die Landschaft hier hat das den positiven Effekt, daß es immer grüner wird, so grün, wie ich das hier noch nie erlebt habe. Aber der gestrige Tag hat dann wettermäßig doch den Vogel abgeschossen!
Aber gemach, die Geschichte fängt damit an, daß ich zwecks Besuch eines Waschsalons eine Mitfahrgelegenheit von Pedro zum 60 Kilometer entfernten Almería ergattert hatte. Sonst hätte ich die nächste Woche nackend wandeln müssen, womit ich mir vermutlich Schwierigkeiten eingehandelt hätte 😉 Nachdem das Pflichtprogramm erledigt war und die Wäschetasche in einem Pedro bekannten Geschäft untergestellt war, habe ich mich zu einem Spaziergang aufgemacht, um die reichlich vorhandenen städtischen Sehenswürdigkeiten zu bewundern . . .
. . . wenn man sich die ganze Zeit nur in der Pampa bewegt, noch dazu bei Regenwetter, freut man sich darauf, wieder mal unter Menschen und vor allem Mädels zu kommen. Allerdings wurde mir gestern recht schnell der Verkehrslärm zu viel, und so führte der Spaziergang bald in weniger belebte Gassen und hinauf zum hinteren Teil der Alcazaba, der alten maurischen Festung. Die über Mittag für wenige drei Stunden aufgetauchte und begeistert begrüßte Sonne hatte sich inzwischen wieder verabschiedet und leichtem Nieselregen Platz gemacht. Sonnenfinsternis gabs hier in Andalusien übrigens nicht, voll ließ sich das ja nur im Nordatlantik beobachten, je weiter südlich, desto weniger Abdeckung. Duster wurde das aber trotzdem.
Als der Himmel immer dunkler wurde und der Regen stärker, stellte ich mich in einem Tordurchgang der dicken Festungsmauer unter, feucht genug war ich ja schon. Über dem Meer gabs Blitze, jeweils ein paar Sekunden später kräftiges Donnergrollen. Und das wurde immer dunkler, vom Hafen und später von der Stadt war bald nichts mehr zu sehen. Während ich versuchte, mit dem Handy ein paar stimmungsvolle Aufnahmen der Alcazaba im Regen zu schießen (die Kameraausrüstung war wegen der Wäsche im alten Herrn Magirus geblieben), fing das hinter mir plötzlich an zu plätschern. Siehe da, mein Durchgang und Unterschlupf entwickelte sich zum knöcheltiefen Bach (siehe Bild ganz oben) . . . zu meinem Glück gabs da noch eine etwas erhöhte Stelle, die mich vor noch nässeren Füßen bewahrte . . .
Oberhalb des Tores war eigentlich nicht viel, was das Wasser dieses Baches hätte sammeln können, eine kleine Ebene, allenfalls noch fünf Höhenmeter nach oben. So viel Wasser auf diese kleine Fläche? Wer nun der Meinung ist, ich hätte die gute Stunde, die ich in diesem Tor auf das Vorbeiziehen des Gewitters und Nachlassen des Regens gewartet habe, besser an einem anderen, sichereren Ort verbringen sollen, der möge sich nacher die Bilderstrecke von La Voz de Almería anschauen, der örtlichen Tageszeitung, die einen guten Eindruck davon vermitteln, was unten in der Stadt los war. Kaum hatte der Regen etwas nachgelassen, ging unten das Konzert der Sirenen los . . .
Als ich mich ~ nach den folgenden Aufnahmen ~ wieder auf den Weg abwärts machte, war der größte Trubel schon wieder vorbei. Aber auf den Straßen am Hang hatte es Kies, kleinere und größere Steinbrocken und was sonst nicht festgebunden war auf die Fahrbahn geschwemmt.
An vielen Stellen stand das Wasser noch gut zwanzig Zentimeter auf der Straße. Schon in der Dunkelheit fuhr ich mit Pedro an einer gesperrten Unterführung vorbei, die bis zur Decke überschwemmt war. Der Carrefour Supermarkt, durch den ich noch am frühen Nachmittag geschlendert war: überschwemmt. Kurz vor Almería mußten 56 Passagiere aus einem entgleisten Zug aus Madrid evakuiert werden . . .
Kommentar Pedro: Ich hätte etwas erlebt, was 99% der Touristen in Almería nicht erleben würden. Den Einwohnern von Almería würde das einen Tag Gesprächsstoff geben, dann wäre das Thema durch. Käme schließlich alle Jahre wieder vor, wenn es regnet, dann halt auch richtig 🙁 In Deutschland war das Ereignis vermutlich keine Zeile oder Sendeminute wert . . .
Ansonsten noch zwei kleine Bilderchen, die zeigen, daß auch ein Blick auf den Boden schönes offenbaren kann . . .
Und zum Abschied noch die Mitteilung, daß heute wieder die Sonne vom Himmel kachelt, es ist schön warm 😉 so wie sich das eigentlich für Andalusien gehört!
Wenn ich so weiter mache, dann habe ich die Einrichtung für mein zukünftiges Zuhause bald komplett! 😉 Zu dem Sofa neulich ist vor ein paar Tagen ein Sessel gekommen, für die Gemütlichkeit ist also schon gesorgt.
Bei so einem Kamin über die ganze Zimmerbreite kann es einem nicht kalt werden ~ als Brennholz würde er wohl alle Dachbalken der Ruinen in Spanien brauchen. Nein, mal ernsthaft. Diese alten Ruinen hatten schon immer einen starken Reiz für mich, aber anders als vor zwanzig Jahren bin ich dabei nicht mehr auf der Suche nach einem neuen Wohnsitz. Ich hab ja meinen alten Herrn Magirus!
Aber eine nette Wohnhöhle? Da könnte man direkt ins Sinnieren kommen! 😉
Wie mir Margareta erzählt hat, haben in dieser Vierzimmerhöhle eimal neun! Menschen gewohnt ~ kaum zu glauben. Für mich allein wäre das grad groß genug, wenn auch die Füße aus der Schlafhöhle rausgucken würden 🙁
Allerdings müßte ordentlich ausgemistet, gefegt und frisch geweißelt werden . . .
Stehendes Wasser gibt es grad nebenan, und der Blick ist grandios!
Die Idee, den Rest seiner Tage vor einer Höhle zu sitzen und in den Sonnenuntergang zu schauen, hat wahrlich etwas für sich ~ aber noch ist es nicht soweit . . .
Was mich an diesen Dingen fasziniert, ist das, was die Zeit macht. Veränderungen in den Lebensumständen, das auch, vor allem aber, wie die Zeit die Dinge verändert, wie sie verfallen, und dabei ~ für mich jedenfalls ~ oft an Schönheit gewinnen.
Neue Dinge haben oft etwas Profanes. Neue Häuser auch. Sie erfüllen einen Zweck. Sind Be-Hausung. Wenn es gut läuft, fühlen sich die Be-Wohner darin wohl, sind glücklich. In dem Moment, wo ein Haus verlassen wird, verliert ein Haus seinen Zweck, wird zweck-Frei, wird zum Spielplatz der Zeit und der Phantasie . . .
Schon die Tür zu einem verlassenen Haus, wenn nach Jahrzehnten überhaupt noch vorhanden, ist schon lange nicht mehr das hermetische Bleib-Du-Draußen, nicht mehr Funktion. Auch wenn sie nicht mehr in ihren Angeln hängt, ist sie mehr noch als Erinnerung an die Arbeit eines Schreiners ein Produkt von Witterung und Zeit.
Wohnen möchte so verständlicherweise niemand mehr. Wo könnte denn der moderne Homo Elektronikus sein Eiphohn aufladen?
😉
Kleiner Hinweis am Rande: Alle Photos, deren Kommentare in Sternchen gefaßt sind, lassen sich durch Klick vergrößern, wenn dann der Mauszeiger zur Lupe wird, nochmal klicken, noch größer . . .
Und weil ich jetzt den lieben, langen, ganzen Tag mit diesem Blog beschäftigt war, geht der Vagabund jetzt ins Bett. Guuute Nacht!
Das Bild oben ist schon vor fast drei Jahren auf meiner ersten Spanientour entstanden, hier im Blog veröffentlicht habe ich damals vom Pantano, dem Stausee der Isabel II, nichts. Offensichtlich hat mich damals der gesichtete doppelte Regenbogen mehr beeindruckt, und hinterher die Landschaft in der Wüste von Tabernas, wo viele Wildwestfilme meiner Jugend gedreht worden sind 😉
Über Isabella II auf Wikipedia, wie sie die deutsche Wikipedia nennt, zu lesen, ist eine amüsante Beschäftigung. Königin von Spanien wurde sie im zarten Alter von zwei! Jahren, aller Wahrscheinlichkeit nach hat es sie noch nicht sehr gekümmert, als im Jahr 1841 der Almeríaner Diego María Madolell den Bau des Damms als Wasserspeicher initiierte. Im Alter von dreizehn Jahren wurde sie für mündig erklärt, an ihrem sechzehnten Geburtstag heiratete sie ihren Cousin Franz d’Assisi. Beide waren Enkel des Königs Karl IV von Spanien, ihre Väter waren Brüder. Aber der Inzest unter den Hochwohlgebohrenen war halt zum Thronerhalt nötig, was willst da machen?!? 😉
Jedenfalls wurde im Juli 1848 entschieden, daß das Rückhaltebecken ihren Namen tragen sollte, und im Mai 1850, im Alter von zwanzig Jahren, weihte sie die Anlage zusammen mit dem Gobernador der Region Almería ein. Der Artikel auf almeriapedia.wikipandia.es spricht davon, daß sie das mit der Assistenz des Gobernators gemacht hat, aber ich nehme an, daß sie das in dem Alter auch ohne ihn geschafft hätte 😉
Die einhundertfünfundsechzig Jahre, die seither vergangen sind, haben den See nicht unberührt gelassen. Wie bei jedem Stausee sammelte sich mit der Zeit immer mehr Geröll, Kies und Sediment, das der Regen aus den Bergen mitbrachte und vor der Staumauer ablagerte. 1871 war die Rambla schon so zugeschüttet, daß der See nicht mehr benutzbar war. Der ‚See‘ hat jetzt eine Oberfläche aus Büschen und Bäumen, von oberhalb ist die Staumauer aus der Entfernung kaum auszumachen . . . trotzdem kann man sich auch beim Herunterfallen auf dieser Seite der Staumauer sehr wohl den Hals brechen, Geländer gibt es nichtsdestotrotz keine. Auf der anderen Seite ist das schon etwas für alle, die vom Fliegen träumen.
Aber wir sind in Spanien! Über das, was in Deutschland jedem Vertreter der Bauaufsicht die Tränen in die Augen treiben würde, regt sich hier keiner auf. In das Loch da oben, in dem der Schieber zur Regelung des Durchflußes lief, würde bis auf Arnie Schwarzenegger Jedermann hineinpassen, der nicht gerade die Arme ausstreckt. Zur Ehrenrettung muß man sagen, daß über dem Loch wohl schon einmal ein Moniereisengitter befestigt war, man sieht immerhin noch eine Befestigungsklammer; aber das muß schon lange her sein. Das große Loch mit der stark beschädigten Wendeltreppe ist jedenfalls abgedeckt, denn welchen Jugendlichen würde da nicht die Abenteuerlust packen?! 😉 Beide dürften wohl bis zum Fuß der Staumauer reichen.
Von der Staumauer weg talabwärts führen zwei Wasserkanäle, ein kleiner, schmaler für das abwärts gelegene Tal, in dem auch noch Wasser mehr steht als fließt. Der andere, breitere und tiefere, trockene, führt eine Weile am rechten Berghang entlang, bevor er scharf abknickt und in einen Tunnel durch den Berg führt, auf die andere Seite der Bergkette, wo das Tal um Campohermoso bis Almería heute mit Gewächshäusern gepflastert ist. Heutzutage wird das Wasser für die Tomaten, die wir in den deutschen Supermärkten angeboten bekommen, von weit weg im Norden, vom Ebro herangeführt. Nicht den vom Ebro, diesen alten Kanal wollte ich entlanglaufen.
Der Kanal ist gut begehbar, manchmal wächst Gras und kleine Büsche. Der kleine Kanal kommt schon kurz nach der Staumauer über eine Brücke herüber und kreuzt unterhalb des großen, nach wohl fünfhundert Metern dann der Knick in den Berg. Der Tunnel ist hoch genug, daß man ohne Sorge aufrecht gehen kann, auf der anderen Bergseite führt der Kanal noch einige Meter durch eine wie ausgesägte Schlucht, bevor er sich wieder an den Berghang anschmiegt und in sanftem Gefälle talwärts führt.
Ein paar hundert Meter weiter hat das dann aber ein jähes Ende! Der Kanal hört auf, ein Loch von siebzig, achtzig Zentimetern Durchmesser ließ das nicht vorhandene Wasser über ein Fallrohr an die zwanzig Meter senkrecht nach unten stürzen. Das war der Punkt, wo ich vor drei Jahren kehrtgemacht hatte, diesmal wollte ich weiter und kletterte den Fels hinunter zum Ausgang des Schachtes, will heißen, dessen kurzer, mit Büschen zugewachsen Tunnel.
Am Fuß des Fallrohrs hatte sich übrigens ein kleiner Babygecko häuslich eingerichtet, aber bis ich mein Handy so weit klarhatte, daß es mit künstlichem Licht photographiert, hatte der sich vorsichtshalber in irgendeine Spalte verdrückt. Die große Kamera hatte ich im Rucksack am Tunneleingang zurückgelassen, und als ich den holen wollte, mußte ich feststellen, daß eine Kappe mit Schirm kein Hard Hat ist ~ rummmsss hatte ich mir an der am Eingang etwas durchhängenden Tunneldecke den Kopf blutig gehauen ;( nun denn, er lebt noch, der Laientunnelforscher!
So im Tunnel tönte dann plötzlich spanisches Geplauder auf mich herein, ich konnte nicht so recht feststellen, ob vom oberen oder vom unteren Ausgang . . . nun, es war der untere, und eine Gruppe von einem Mann und zwei Frauen war ganz aufgeregt. Sie dachten, ein Tier käme da aus dem Tunnel, un animal grande 😉 zumindest bei denen hab ich jetzt einen neuen Spitznamen. Die Frau auf der Staumauer gehört übrigens zu der Gruppe . . .
Und jetzt? Da ich den Kanal nicht bis Campohermoso runterlaufen wollte, hatte diese Exkursion ein Ende an einem verlassenen Bauernhof. Aber die Bilder kommen in den nächsten Artikel, der blogüblich dann oberhalb erscheinen wird. Also jetzt umgekehrt und wieder zurück zur Mauer.
Beziehungsweise der Blogger macht sich einen Tee 🙂
Ein Blick rechts hinunter in die Ebene unterhalb von Sierra de Alhamilla zeigt das oben abgebildete Arrangement von seltsamen Installationen (* ~ durch Klick vergrößern). Was das wohl sein mag? Also abgebogen auf die steile, unbefestigte Piste, nachschauen . . .
. . . unten angekommen stellt sich schnell heraus, daß es sich um Filmkulissen handelt. Nicht Pappmaché, wie so oft beschrieben, sondern stählerne Moniereisengitter, belegt mit Kückendraht und jede Menge Gips und Farbe . . .
. . . die Straßen bestehen aus nichts anderem als Fassade, dahinter allenfalls große Kisten aus MDF-Platten, innen mattschwarz gestrichen. Denn durch ein Fenster oder eine Tür scheint in einem realen Gebäude normalerweise nicht die Sonne 😉 und groß genug sollte das sein, daß auch mal ein Mensch aus der Tür kommen kann . . .
Das Ganze erweckt den Eindruck eines alten Dorfes, aus Lehm gebaut, wie wir es aus alten Westernfilmen kennen, wenn sie in Mexiko spielen, aber das kann genauso in einen Historienfilm im alten Spanien passen, Quixote, der Ritter von der traurigen Gestalt, könnte hier jederzeit mit Sancho Pansa im Gefolge auftauchen.
In einer ‚Küche‘ mit großem Kamin hat die Realität zu stark Einzug gehalten. Alles, was Holz ist, ist tief verkohlt. Der Rest hat nicht gelitten. Auf den ersten Blick sieht alles massiv aus, aber auch der Fels an der Straßenecke klingt beim Anklopfen verdächtig hohl. Und der Ziehbrunnen an der Hauswand reicht grad bis zum Straßenniveau, keine 40 Zentimeter.
In einiger Entfernung stehen am Ende einer Palmenreihe noch einige Gebäude, die ich mir auch anschauen möchte. Also den Motor angeworfen und über zwei Ecken der Piste da hingefahren.
Die Häuser hier bestehen nicht nur aus Fassade, die sind aus Stein und Mörtel, aber nicht nur. Offensichtlich sind hier Ruinen mit den schon bekannten MDF-Kästen und Verzierungen aus Styropor, Gips, Stuck und Farbe versehen worden, um in die entsprechenden Szenen zu passen. Ab und an wurde auch ein virtuelles zweites Stockwerk auf reale alte Mauern aufgesetzt.
Im Gebäude hinter dem gemeinschaftlichen Mühlstein verwirren mich ‚altägyptische‘ Wandmalereien mit neuzeitlichen vandalistischen Kratzspuren. So langsam frage ich mich, welche Sorte Film hier gedreht worden ist . . .
Dann aber finde ich im nächsten Gebäude mitten in einem kleinen Fleck Sonnenlicht ein Pärchen erotisch knallroter Damen-Riemchensandaletten mit kleinem Absatz, leider ohne Dame ;( ~ die sehen allerdings nicht altägyptisch und überhaupt in keinster Weise historisch aus, Mann könnte sich also jederzeit nach der zugehörigen Besitzerin umschauen . . .
Die Suche nach der Besitzerin dieser imaginierenden Sandälchen bleibt leider erfolglos, dafür taucht später am Abend, schon in der Dämmerung, Margareta mit ihren zwei Hunden auf, eine Deutsche, die seit ihrer Kindheit hier wohnt, und klärt das Rätsel um den Film auf: Exodus, der Blockbuster von Ridley Scott, ist zu einem großen Teil hier gedreht worden. Das erklärt natürlich die ägyptischen Wandmalereien, und auch die putzigen kleinen Pyramiden auf den Säulen . . .
Sie erzählt mir von den Dreharbeiten mit mehr als 1700 Statisten, aber auch, daß diese Gebäude zum Verladebahnhof der ehemaligen Mine gehören, die über die ebenfalls nicht mehr vorhandenen Eisenbahn das Erz nach Almería zur Verladestation transportiert hat. Der alte Herr Magirus steht vor dem Gebäude, in dem die Lokomotiven gedreht wurden, über uns auf der jetzt leeren Terrassierung stand während der Dreharbeiten der Palast des Pharao, und das Heim der Sandälchen war früher der Bahnhof . . . da mischen sich die Zeiten ganz gut durcheinander!
Und nicht nur die Zeiten. Die Tür im obigen Bild ist zwar alt, aber mit neuen Scharnieren aus dem Baumarkt am Gebäude befestigt. Und da sie wohl etwas zu schmal war, hat man sie mal eben mit einem Brett verbreitert, das dann mit Farbe an den antiken Look angepasst wurde.
Es ist sehr interessant, welche Modifikationen diese Location ins alte Ägypten beamen sollen. Kleine Pyramidchen auf Säulen, Palmwedel aufs Vordach, himmelblaue geometrische Stuckverzierungen an die Außenwand, innen eher dilettantische Malereien von ‚ägyptischen‘ Feldarbeitern, Fenster mit Zwischenmauern geteilt oder mit Holzpflöcken vergittert, und die Sierra de Alhamilla macht eine Zeitreise quer übers Mittelmeer von dreieindrittel tausend Jahren . . .
Symbole, Bilder . . . schon kleine Veränderungen im Set reichen aus, und wir reisen durch Raum und Zeit. Das hat weniger als Nichts mit der Realität zu tun, sehr viel aber mit dem Bild von Antike, das der normale Zuschauer mitbringt. Am Nil gibt es Palmen, es ist heiß, es wurden Pyramiden gebaut, und Schnupp, Palmen und Pyramiden schicken uns ins alte Ägypten! Wir kennen antike Ruinen meist in baufälligem Zustand, also erscheinen in den Sandalenfilmen eher mitgenommene Gebäude ~ die Baumeister damals waren nichtsdestotrotz gewohnt, neue und je nach Etat schöne Gebäude zu errichten . . .
Ich geh ja nicht so oft ins Kino, hab den Film Exodus nicht gesehen. Bei meinen Internetrecherchen ist mir ein Artikel in der Zeit aufgefallen, der bemängelt, daß es ‚keine Spiritualität, nirgens‘ gäbe . . . man ist geneigt, über diesen Anspruch zu lächeln, der an einen Regisseur und eine (Film-)Industrie gestellt wird, die vor allem zwei Dinge will: Unterhalten und Geld verdienen, letzteres nicht zu knapp. Und das funktioniert!
In der Gegend von Almería wurden schon viele Filme gedreht, vor allem die Wüste von Tabernas (auf der anderen Seite der Sierra de Almahilla) war war in den siebzigern Schauplatz der sogenannten Spaghetti-Western (weil italienische Produktionen). Ein gut Teil der Bilder, die in unserem Kopf den wilden Westen der USA ausmachen, sind hier in Andalusien entstanden.
Mir kommen, wundert euch nicht, gerade Assotiationen zu Platons Höhlengleichnis. Obwohl ich auf einem naturwissenschaftlich orientierten Gymnasium auf das Leben vorbereitet wurde (harrharrharr!), vermittelten mir vor allem Lateinlehrer ein gewisses Maß an Kenntnissen in klassischer Philosophie 😉 Das Höhlengleichnis will uns vor allem zeigen, daß wir Erkenntnis über diese Welt nur mittelbar aus der Betrachtung von Schatten erlangen, die von der Sonne hinter uns an die Höhlenwand projeziert werden, von Ereignissen, die wir selbst gar nicht direkt sehen können. Umgekehrt weichen wir vom doch anstrengenden Prozeß der Findung von und Auseinandersetzung mit der Wahrheit aus auf die Betrachtung einer virtuellen Schattenwelt, deren prominenteste Inkarnation eben die Kinofilmindustrie ist, inzwischen durchaus verbandelt mit der Computer(-spiel) Industrie . . . das geht so weit, daß die öfter aufreibende und unangenehm anstrengende reale Welt immer mehr von der virtuellen verdrängt wird. Man arbeitet intensiv daran, die Welten immer ununterscheidbarer zu machen, und ich habe so den Verdacht, daß so mancher meiner Mitmenschen die Welten schon jetzt nicht mehr so recht auseinander halten kann . . .
Ich mach mal ein bischen mit: Ägypten in meinem Blog: Pyramiden und Palmen 😉