der Ebro, er windet sich . . .

Ebro, Mar de Aragon ~ Dank an Google (Maps screenshot)
Ebro, Mar de Aragon ~ Dank an Google (Maps screenshot)

Inzwischen im Aragon angekommen, und um euch zu veranschaulichen, wie sich der Ebro als aufgestaute Embalse de Mequinenza, genannt auch Mar de Aragon, hier windet und mäandert, hat mir Google freundlicherweise 🙂 erlaubt, ein Satellitenbild als Screenshot von Maps hier im Blog zu veröffentlichen . . .

Punt del Duc
Punt del Duc

Vorher aber, noch an der Pantà de Riba-roja, vom Punt del Duc, auch einer Stelle, an der sich die republikanische Armee im Bürgerkrieg eingegraben hatte, noch auf der Katalonischen Seite des Ebro, hinüberschauend nach Aragon, kann man den Turm der Kirche Sant Joan Evangelista der Gemeinde Fayon sehen, auf dem Bild oben links über der Katalanischen Flagge auf dem Punt de Duc. Für diese Kirche zumindest ist die Zeit 1967, als sich der Stausee füllte, auf immer stehengeblieben auf kurz vor halb sechs . . . die Gemeinde selbst wurde ein gutes Stück weiter ans Ende des Sees verlegt.

Sant Joan Evangelista
Sant Joan Evangelista
die Zeit steht ~ Sant Joan Evangelista
die Zeit steht ~ Sant Joan Evangelista
Mar de Aragon
Mar de Aragon

Da die Straßen meist nicht am Fluß entlangführen, die Ufer weitgehend naturbelassen sind, wenn man das bei einem künstlichen See so nennen kann, ist jeder Blick auf das Wasser immer wieder ein Genuß. Es würde mir Freude machen, einmal mit einem Paddelboot den Ebro hinunterzufahren, um ihn intensiver aus der Perspektive von unten zu erleben. Kai Ungelenk (Travelkai) hat diese Tour 2013 gemacht und in seinem Blog beschrieben. Viel Gegenwind, Temperaturen von knapp 40 Grad . . .

Die stürmischen Winde hatte ich gestern auch, die bliesen allerdings stromabwärts, das wäre günstig. Die Hoffnung, daß die Strömung des Flusses ein Boot anschiebt, kann man nach meinen Erfahrungen auf dem Rhein in Stauseen abhaken. Da geht alles nur noch mit Muskelkraft, das Wasser steht.

Mar de Aragon ~ Ufer im ersten Morgenlicht
Mar de Aragon ~ Ufer im ersten Morgenlicht

Aber auch die Fahrt über Land war ein Vergnügen, die auf der Katalonischen Seite kalkig weißen Schichten der Felswände (mit ab und an einem glitzernden dünnen Quarz- oder Marmorband, wer weiß?) werden im Aragon mehr lehmig braun, die Landschaft offener. Ein erster Abstecher von der Straße über einen ausgewaschenen Feldweg führt als Sackgasse an eine Bucht des Mar de Aragon, unseren endgültigen Platz für die Nacht finden wir aber ein wenig später nicht weit von der geteerten Straße zwischen großen, rundlichen Felsen auf der Außenseite einer Ebroschlaufe, im Satellitenbild da, wo der blaue Pfeil ist.

Mar de Aragon ~ Halbinsel der Schlaufe gegenüber
Mar de Aragon ~ Halbinsel der Schlaufe gegenüber

Ebro und stolpern über Geschichte . . .

Eremita de Santa Maria Magdalena de Berrús
Eremita de Santa Maria Magdalena de Berrús

Also Ebroaufwärts, auf der C-12 läßt es der alte Herr Magirus laufen, daß es eine Pracht ist. Mit für unsere Verhältnisse rasend schnellen siebzig bis achzig Stundenkilometern flitzen wir in weiten Bögen den Fluß hinauf. Nicht immer direkt am Ufer entlang, aber da, wo wir ihn sehen können, ein durchaus beeindruckender und sehr schöner Fluß. Stellenweise die spanische Variante des Rheins um die Lorelei, nur ohne die Zwangsjacke von Eisenbahnen und Bundesstraßen, die unseren Vorzeigefluß verschandeln. Viel Wasser zur Zeit, ganz offensichtlich, denn die Füße der Bäume am Ufer stehen alle im Wasser. Keine Bilder, denn ein leichter Nieselregen lädt dezent zum Weiterfahren ein, und während der Fahrt wird nicht photographiert, zu gefährlich!

Wolken über dem Ebro ~ nach dem Regen
Wolken über dem Ebro ~ nach dem Regen

Ab Flix steigen wir dann um auf die TV-7411, um am Fluß zu bleiben. Ein paar Kilometer Bahnhof und Industrieanlagen, dann windet sich die kleine Straße am Ufer entlang, biegt aber nach einer Weile ab und wir klettern die Berge hinauf, wo ich an einer Abzweigung anhalte, denn ein Schild macht auf eine ‚Ermita de Santa Maria Magdalena de Berrús‘ aufmerksam. Anschauen? Anschauen! Und da bei der Ermita ein großer offizieller Grillplatz mit Parkmöglichkeit ist, wir schon neunzig Kilometer gefahren sind und der alte Herr Magirus einen Platz mit Aussicht über die sanft gewellte Erosionslandschaft (wenn man oben auf der Kante steht, sieht man sehr gut, daß die ‚Berge‘ die ausgewaschenen Überreste einer dicken Sedimentschicht sind. Weit schweift der Blick bis zum Horizont über eine ‚Ebene‘ von gleich hohen Gipfeln) findet, fällt die Entscheidung, daß wir hier zumindest für eine Nacht bleiben, obwohl es noch gar nicht so spät ist.

der alte Herr Magirus, Magdalena, Windräder, Strommast und Leitungen . . .
der alte Herr Magirus, Magdalena, Windräder, Strommast und Leitungen . . .

Ein Schild informiert den interessierten Besucher, daß das romanische Kirchlein 1968 Stein für Stein vom Ufer des Ebros hier hinauf auf den Berg transportiert und wieder aufgebaut wurde. Von drei Gemeinden der Umgebung gibt es Prozessionen hierher . . . soweit, so gut. Aber was bedeuten wohl die Worte ‚Trinxeres de Berrús‘ auf den Wanderwegschildern? Ein kleiner Spaziergang sollte das wohl klären können . . .

Kurz darauf macht mich eine Art Graben neugierig, der sich vom Weg weg am Hang entlang schlängelt. Weil ich dem natürlich folgen muß, stolpere ich nicht zum ersten Mal über Zeugnisse des spanischen Bürgerkriegs. Schon vor der offiziellen Gedenkstätte wird klar, um was es sich handelt: Schützengräben! Hier hat sich die republikanische Armee eingegraben, um die im Tal liegende Straße abzusichern, um die Armee Francos vom Vorstoß an den Ebro zu hindern. Vergeblich . . .

trinxeres de Berús ~ Schützengraben
trinxeres de Berús ~ Schützengraben

1938 ~ in der Schlacht am Ebro standen sich im gesamten Gebiet meines diesjährigen Aufenthalts Francisten/Faschisten mit Unterstützung der Legion Condor, also deutsche Luftwaffe und die Republikaner gegenüber, der Kampf wurde von beiden Seiten mit brutaler Härte geführt, mit vielen Toten. Tortosa, die Stadt, in der ich die Nacht nach dem Ebro-Delta verbracht habe, wurde von der Legion Condor wohl fast komplett zerstört, genauso das vorhin erwähnte Flix. Auch der Ort Corbera d’Ebre wurde von der Legion zerbombt und und die Ruinen sind als Denkmal bis heute vorhanden. Die Einwohner wurden umgesiedelt.

links Schützengraben, Tal mit Straße, Ebro aufgestaut rechts im Bild
* links Schützengraben, Tal mit Straße, Ebro aufgestaut rechts im Bild *
Gedenktafel bei den trinxeres de Berrús
Gedenktafel bei den trinxeres de Berrús

Jetzt sitze ich seit Stunden an diesem Artikel und fühle mich nach den Recherchen zunehmend sprachlos. Ich zitiere also nur noch ein Zitat aus dem Artikel auf Wikipedia, ein auf Spanisch, Englisch und Französisch verlesener Aufruf, den der Cellist Pau Casals während eines Konzerts in Barcelona am 17. Oktober 1938 über das Radio an die Weltöffentlichkeit richtete:

„Machen Sie sich nicht des Verbrechens schuldig, dem Mord an der Spanischen Republik tatenlos zuzusehen. Wenn Sie es zulassen, dass Hitler in Spanien siegt, werden Sie die nächsten sein, die seinem Wahnsinn zum Opfer fallen werden. Der Krieg wird ganz Europa, wird die ganze Welt erfassen. Kommen Sie unserem Volk zu Hilfe!“

Obwohl in den International Brigades viele Ausländer für die Republik kämpften, auch Deutsche, taten sich die europäischen Staaten damit schwer, denn es ging ja gegen die Volksfront. Italien und Deutschland waren eh auf der Seite Francos . . . das Ergebnis ist bekannt . . .

Reis oder nicht . . .

Reisfeld, noch trocken ~ es wird gespritzt
Reisfeld, noch trocken ~ es wird gespritzt

Es gibt nicht allzu viel Erbauliches zu berichten. Das Wetter gemischt feucht, aber die Reisfelder im Ebrodelta überwiegend noch trocken. Es wird noch geeggt, um die Äcker nochmal aufzulockern, es wird gespritzt, wer weiß wo-für oder wo-gegen, und nach Recherchen im Internet, nach denen Mitte April gesät und die Äcker unter Wasser gesetzt werden, sind die meisten Bauern dieses Jahr spät dran. In der Mancha sind die Felder im Gegensatz zu hier bestimmt schon grün. So oder so, um wirklich Reispflanzen sich im Wind wiegen zu sehen, müßte ich im späten Sommer vorbeikommen ~ keine Chance . . .

Deswegen haben wir uns gestern aufgerappelt und das Ebro-Delta verlassen. On the road again, Ebro aufwärts Richtung Zaragoza . . . 🙂

Links für die, die sich für den Reisanbau im Ebrodelta interessieren:
baersinfo.de
amigos-magazin.eu

Ebro-Delta, wieder mal . . .

an der Ebro-Mündung, Abendhimmel
an der Ebro-Mündung, Abendhimmel

Kaum ist man für ein paar Wochen weg und passt nicht auf . . . gegenüber von meinem alten Platz an der Ebromündung sind auf der Illa de Buda ein paar Bäume halb umgeworfen, ein Motorboot liegt abgesoffen an seinem Liegeplatz, Diesel sickert in Schlieren in den Fluß. Auch das Wetter kümmert sich nicht um die Wünsche des jetzt wieder anwesenden Vagabunden. Während gestern abend noch die Sonne schien, ist der Sonnenaufgang heute morgen ausgefallen. Nur ein kurzes fahles Aufleuchten zwischen einer Regenwand und dem ansonsten grauen Himmel. Es stürmt . . .

an der Ebromündung ~ abgesoffenes Boot, Dieselschlieren
an der Ebromündung ~ abgesoffenes Boot, Dieselschlieren
Ebro-Mündung, umgeworfene Bäume
Ebro-Mündung, umgeworfene Bäume

Das kann ja heiter werden? Nun, die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man. Und obwohl der Wetterbericht von Regen fabuliert und fünf Tagen Wolken, kämpft sich die Sonne gerade durch und bringt die vom Meer hereinrollende Dünung auf dem gut gefüllten Ebro zum Leuchten. Und ich überlege, ob ich schon heute oder erst morgen aufbrechen soll zu meiner lange geplanten Tour, den Ebro hinauf bis Zaragoza . . .

Ebro-Mündung ~ Morgenhimmel . . . mehr Ahnung als Sonne
Ebro-Mündung ~ Morgenhimmel . . . mehr Ahnung als Sonne

VictoriaEsperanza

noch'n Selfie
noch’n Selfie

Ein kurzer Rundgang über das Gelände des Minenmuseums. Viel gab’s nicht zu sehen, da geschlossen. Deswegen erspare ich euch die meisten Bilder, nur als Suchbild diesmal nach dem alten Herrn Gutmann das da oben und als Erklärung das unten ~ ein Blick in einen Lüftungsschacht der Mine, der gute Mann in der Spiegelung auf der Pfütze auf dem Grund als Silhuette auf dem Abdeckungsgitter kauernd.

Blick in einen Entlüftungsschacht des Bergwerks
Blick in einen Entlüftungsschacht des Bergwerks

Über eine eingebrochene Trennmauer konnte man sogar in die ansonsten überall vergitterte und verschlossene Mine einsteigen, da ich die Taschenlampe im Wagen gelassen hatte, habe ich mir tiefere Exkursionen verkniffen und verbleibe mit einem Bild von Farn und Steinmauer aus dem Eingangsbereich . . . auf gehts, in Richtung Ebro-Delta.

Im Bergwerk ~ Mauer und Farn
Im Bergwerk ~ Mauer und Farn

über den Wolken

gerade noch rechtzeitig aufgewacht ~ kurz vor Sonnenaufgang
gerade noch rechtzeitig aufgewacht ~ kurz vor Sonnenaufgang

Der alte Herr Magirus hat sich auf 822 Metern Höhe ein Plätzchen für die Nacht im nächsten Gebirge gesucht, der Sierra del Maestrazgo, hoch über den Wolken im Tal, die sich vom Mittelmeer hineinschleichen, auf dem Gelände eines Bergwerksmuseums . Unter der Woche ist hier zum Glück nichts los, nur am Wochenende und an Feiertagen ist das zugehörige Restaurant geöffnet. Das Museum selbst? Vorerst werden keine Führungen durchgeführt. So kann ich in aller Ruhe den Blick über die Berge genießen. Ganz, ganz weit voraus hinter einer Handvoll Bergketten müßte eigentlich das Meer zu sehen sein, aber das verschwindet im Dunst . . .

Sonnenaufgang ~ das erste Aufblitzen
das erste Aufblitzen
Sonnenaufgang ~ da! Sonne!
da! Sonne!
über einem Meer von Wolken ein blauer Himmel
über einem Meer von Wolken ein blauer Himmel

Ein kleiner Nachtrag, Ausbeute meiner Abschlußradtour um Berg und Tal, runter und rauf, wieder runter und wieder rauf, gestern in der Sierra de Gúdar. Die Zufahrt zu dem im Augenwinkel zwischen Bäumen auftauchenden Dorf mit einer Kette versperrt . . .

Nachtrag zur Sierra de Gúdar ~ ein ganzes Dorf am Hang
Nachtrag zur Sierra de Gúdar ~ ein ganzes Dorf am Hang

more romantisize . . . dreamcatcher

nochmal Spinnennetz im Baum mit Bergkristall ~ ein Dreamcatcher
nochmal Spinnennetz im Baum mit Bergkristall ~ ein Dreamcatcher

Sowohl Träumer wie auch Sinnsucher sind auf unterschiedlichsten Wegen und mit den unterschiedlichsten Methoden unterwegs durch ihre Lebenszeit. Der eine vagabundiert alleine mit einem alten Herrn Magirus und Kamera, andere suchen sesshaft und gemeinsam mit mal mehr, mal weniger Gleichgesinnten. Manchmal stößt ein Spurensucher wie ich dann auf die Hinterlassenschaften derjenigen, die nach der Sesshaftigkeit weiter gezogen sind, wohin auch immer, wieso auch immer . . .

der Eingang zum Tribecamp
der Eingang zum Tribecamp

Bei der gestrigen Fahrradtour in umgekehrter Richtung, gegen den Uhrzeigersinn, führte mich in der Gegend des Jeepsters und des Spinnennetzes ein Abzweiger der Piste zu obigem Gelände mit den bemalten Pfosten links und rechts des Zugangs, durch den einige Neugier weckende Installationen zu sehen waren. Ab und an war ein Klong zu hören, ansonsten war es still, kein Mensch zu sehen, kein Auto. Normalerweise ein Zeichen, daß niemand da ist, aber wer weiß? Also vorsichtig hineinrollen, erkunden . . .

der Eingang zum Tribecamp ~ bemalte Holzsäulen
der Eingang zum Tribecamp ~ bemalte Holzsäulen

Es war tatsächlich niemand da, und herumliegendes Material zeugte davon, daß auch dieses Gelände ver- und aufgelassen war. Eine Schwitzhütte, ein Steinkreis, ein aus Steinen gelegtes Labyrinth und überall verstreute Bergkristallbrocken zeugten von der ehemaligen Anwesenheit eines neuzeitlichen Indianerstammes der alternativen Art. Das aus einfachsten und günstigsen Materialien zusammengebaute Gemeinschaftshaus nicht abgeschlossen, die drei großen Scheiben für den Panoramablick über die Berge bis zum Meer hatten sich in Luft aufgelöst.

Tribecamp ~ Gemeinschaftshaus
Tribecamp ~ Gemeinschaftshaus

Eine Kaminecke mit Sesseln für das gemütliche Zusammensein, drei kleine Zimmerchen (für den Blog in ein Bild zusammengeflickt) für Kinder und Erwachsene als Rückzugsraum, die für Spanien typischen Feuerhäuschen zum Grillen und der Bereitung der Paella dahinter, zwei Dutzend Meter entfernt der himmelblaue Kasten mit Toilette und Dusche.

Tribecamp ~ Gemeinschaftshaus, Kaminecke
Tribecamp ~ Gemeinschaftshaus, Kaminecke

Daß das Leben nicht nur der traditionell spirituellen indianischen Lebensweise verpflichtet war, bezeugten eine Barbiepuppe und ein Comic für die Kinder, ein Modeprospekt für die junge Frau, und für den indisch erleuchtenden Einfluß Räucherstäbchen mit dem Bildnis des Gurus Sri Saibaba. Was die Seele braucht, holt sie sich, woher sie es kriegen kann . . .

Fensterwände der drei Einzelräume im Gemeinschaftshaus ~ zusammengeflickt
Fensterwände der drei Einzelräume im Gemeinschaftshaus ~ zusammengeflickt
Barbie, Mangomode, Saibaba Räucherstäbchen, Kindercomic . . .
Barbie, Mangomode, Saibaba Räucherstäbchen, Kindercomic . . .
Tribecamp ~ Aussicht vom Gemeinschaftshaus über die Berge zur Küste
Tribecamp ~ Aussicht vom Gemeinschaftshaus über die Berge zur Küste

Wie viele Menschen werden hier wohl auf der Suche nach Gemeinschaft und ihrem Seelenheil gelebt haben? Die Dimensionen des Gemeinschaftshauses sprechen eher für eine kleine Gruppe, die Anlage selbst bietet mehr Platz, vielleicht auch in Tipis. Wie lange waren sie hier, und weshalb haben sie ihr Tribecamp wieder aufgegeben? Im allwissenden Internet habe ich nichts darüber gefunden, wohl aber über diese ‚Spinnennetze‘ ~ Dreamcatcher, Traumfänger sind sie. Normalerweise hängt man sie über seine Schlafstatt, im Netz sollen sich die schlechten, unangenehmen Träume fangen, die im Licht der Morgensonne verbrennen, während die guten, schönen Träume durch das Netz bis zum Schläfer hindurchhuschen können ~ eine schöne Vorstellung. An sich eher kleine Handarbeiten, kann für einen ganzen Stamm die große Ausführung zumindest nicht schaden.

Schwitzhütte, Dreamcatcher
Schwitzhütte, Dreamcatcher, im Hintergrund ein aus Steinen gelegtes Labyrinth

Wem die Hatz nach mehr nicht Erfüllung bringt, der sucht sich, wenn die Seele das Bedürfnis verspürt, die Symbole und Rituale für die immer noch, wenn auch unsichtbar versteckt, vorhandene Grundlage aller Existenz oft in örtlich wie zeitlich weit entfernten Kulturen. Wieso auch nicht, wenn die Großkopferten unserer monotheistischen Religionen mehr mit den Pöstchen in ihren Hierarchien beschäftigt sind und damit, dem gemeinen dummen Volk immer wieder zu erklären, daß die Liebe ein spirituell so hochstehendes Prinzip sei, daß nur der durch jahrelanges theologisches Studium gereifte und gewachsene (und in der Hierarchie aufgestiegene) Kirchenfürst ihren Sinn und ihren Zweck verstehen könne, während der einfältige kleine Mensch eben wegen seines Unverstands nur mit gnädiger Erlaubnis der jeweiligen Kirche im offiziellen Ehestand und um Himmels Willen ohne Verhüterli, gelle . . . was der Pfarrer mit dem Kinde, oder der Bischof mit dem Bischof im Vatikan . . . das steht auf einem anderen Blatt.

Dreamcatcher, Santärhütte, Schwitzhütte
Dreamcatcher, Santärhütte, Schwitzhütte

Daß trotz des ganzen Geschachers etwas an, in oder hinter dieser Welt ist, das weit über das menschliche Maß hinausreicht, das staunens- und anbetenswert ist, das ahnt so mancher, aber die Symbole dafür und die Rituale, mit denen man das spürbar und erlebbar machen kann, die muß man sich zusammensuchen, wo man sie kriegen kann, weil unsere Welt ihre eigenen schon lange vergessen oder durch Mißbrauch ruiniert hat. Der ferne Osten war schon immer weiser? Die alten Kulturen hatten geheimes Wissen? Die Urvölker waren noch viel näher dran? Schaumermal, was zu uns paßt, schaumermal, wobei wir uns wohlfühlen. Und wenn es in einer Gemeinschaft lebbar ist, dann ist das gut, wieso auch nicht? Das Problem dabei ist vielleicht aber gerade das nicht darin aufgewachsene, das weit hergeholte, zum guten Teil erträumte, sogar bei den originären Indianern, weil das alte Wissensgebäude im Lauf der letzten Jahrhunderte zusammengebrochen ist, nicht von Generation zu Generation tradiert, und jetzt aus den Ruinen wieder rekonstruiert wird. Mag sein mit gutem Willen, vor allem aber mit guten Wünschen, Träumen, und ständig in Kollision mit der Moderne. Wie dem auch sei, es wird sich zeigen, was erkennbar und erfühlbar Sinn macht, was Dauer hat. Bis dahin und am besten darüber hinaus einem jeden das Seine.

dreamcatcher
dreamcatcher

So werden die alten Symbole wie das Medizinrad und die Rituale wie die Reinigung in der Schwitzhütte gekapert und neu interpretiert, der Bergkristall als Stein der Klarheit und Reinheit im Gelände drapiert. Bei der Gelegenheit habe ich übrigens auch den Stein gegoogelt, der mir besonders lieb ist, das Tigerauge ~ schau an, er schützt vor dem Bösen Blick und soll fördernd auf die eigene Sicht der Dinge wirken, indem er dazu verhilft, den nötigen Abstand zu gewinnen, um die Angelegenheiten und die Dinge von außen betrachten zu können. Deshalb wird dem Tigerauge auch nachgesagt, es unterstütze die Fähigkeit, eigene Fehler zu erkennen. 😉 Dann ist ja gut!

Versammlungsplatz, Medizinrad?
Versammlungsplatz, Medizinrad?

Auch das Labyrinth ist ein uraltes Symbol, das ich auf meinen Reisen schon öfter gesehen habe. Nicht als Irrgarten, der das Labyrinth gerade nicht ist, sondern als verschlungener Weg mit immer neuen Wendungen hin zum Ziel in der Mitte ist es eine ritualisierte Übung für den eigenen Weg des Menschen . . . kann so manchem nicht schaden, der oder die meint, mit dem Kopf durch die Wand wäre es am kürzesten und am schnellsten.

Klong! ~ Windspiel
Klong! ~ Windspiel

Der wahre Weg ist so gut wie nie schnur und gerade, aber jede Windung und Kehrtwende eröffnet einen neuen Blick und eine neue Perspektive. Vagabunden- und Photographenweisheit 🙂

überall Bergkristall
überall Bergkristall

Fortsetzung: . . . romantisize . . .

Mit Nachträgen . . . #

und noch einer ~ verlassener Bauernhof in der Sierra de Gúdar
und noch einer ~ verlassener Bauernhof in der Sierra de Gúdar

Es gab ja Zeiten, da ich auf der Suche nach sowas war. Kaum Geld in der Tasche, aber die Idee, aus dem Zwangsumtrieb der Zuvielisationsgesellschaft auszusteigen und mir die Ruine eines alten Bauernhofs im Süden (was damals Italien hieß) wieder herzurichten, für den Eigenbedarf Tomaten, Auberginen, Paprika, Pepperoni und Spaghettibüsche anzupflanzen . . . 🙂 . . . hat damals nicht geklappt, nur die damalige Lebensabschnittspartnerin (neudeutsch!) und immer noch gute Freundin war öfter mal leicht genervt, weil ich in jeden Haufen Steine krabbeln mußte 🙂

1931? Baujahr?
1931? Baujahr?
geteilte Eingangstür
geteilte Eingangstür

Vielleicht wäre ich damals hier in den spanischen Bergen hinter Valencia und Castellion eher fündig geworden. Jede Menge einsam gelegene einzelne Höfe und sogar ganze verlassene Dörfer. Viel Grün, Pinien, Zypressen und auch Eichen, Rosmarin und anderes Gestrüpp ohne Ende. Stellen mit auf der einen Seite Blick über Berge bis zum Meer, auf der anderen Seite reiht sich eine Bergkette nach der anderen ins Binnenland.

das Bedürfnis nach Schönheit ~ Zierkacheln im Fußboden, Reisigbesen
das Bedürfnis nach Schönheit ~ Zierkacheln im Fußboden, Reisigbesen

Inzwischen hab ich ja den alten Herrn Magirus; ob ich nochmal so ein Lebensprojekt neu starten könnte, laß ich mal dahingestellt. Trotzdem klettere ich immer noch in jedes verlassene Haus, das auf dem Weg liegt, neugierig auch auf die hinterlassenen Indizien der Menschen, die diese für uns so romantischen Überreste im Wortsinn belebt haben. Töpfe, Pfannen, Schöpfkellen, Schuhe und Kleidung liegt manchmal herum, ganz als ob die Häuser fluchtartig verlassen worden wären. Es wird oft genug der Tod gewesen sein, der diesen Zustand herbeigeführt hat. Die Kinder waren wohl meist schon an die Küste gezogen, wo das Leben tobte, wo es Jobs gab, wo man sich Wohlstand erarbeiten konnte. Und was konnten die Nachkommen mit den kärglichen Resten des Eigentums dann anfangen? So blieben diese Dinge als Zeugen der Vergänglichkeit allen Lebens zurück . . .

Schlafzimmer? 'Strohsack' geüllt mit Maiskolbenhüllblättern
Schlafzimmer? ‚Strohsack‘ geüllt mit Maiskolbenhüllblättern

Für den Romantiker reizvoller sind wahrscheinlich immer die besseren und großzügigeren Häuser der besitzenden Bauern, wie das oben mit dem schönen Schlafzimmer mit der Maisblattmatratze. Wobei ich in dem Fall glaube, daß der Strohsack ursprünglich im kleinen fensterlosen Nebenraum lag, denn auch da lagen etliche der Maisblätter. In diesen Herrenhäusern gab es die besseren Maurer- und Schreinerarbeiten, das Bedürfnis nach Schönheit zeigt sich auch mal in Zierkacheln im Fußboden des Erdgeschosses, die ich mit einem vor Ort gefundenen Reisigbesen freilegen konnte.

# die guten Sonntagsschuhe der Hausherrin links oben und des Hausherren rechts
# die guten Sonntagsschuhe der Hausherrin links oben und des Hausherren rechts

# Die Fahrradtour von gestern habe ich heute nochmal in umgekehrter Richtung gemacht, in der Hauptsache, weil mir die guten Sonntagsschühchen der Hausherrin aus feinem genarbtem Leder, genagelter Ledersohle und Lederabsätzchen und auch die Sonntagsschuhe des Herren, verstärkt mit genagelten Stahlkappen an den Spitzen und auf den Absätzen, keine Ruhe gelassen haben. Werden schon damals nicht billig gewesen sein, aber heute bekommt man diese Handwerksarbeit nur noch für teuerstes Geld von Spezialfirmen nach Maß gearbeitet. Für dieses Photo bin ich mit einem Liter Wasser und einer Zahnbürste losgefahren, um die Treter von dem Staub der Jahrzehnte zu befreien. Ich hätt ja wirklich gerne mal die Dame des Hauses im Sonntagsstaat gesehen. Leider war nicht einmal ein Photo zu finden . . .

Tür im Nebengebäude
Tür im Nebengebäude
Unterwegs: Land-Art ~ das Netz der Riesenspinne
Unterwegs: Land-Art ~ das Netz der Riesenspinne
Kammer des Knechts?
Kammer des Knechts?

Aber auch in den kleineren Kammern der Knechte (in einem anderen Hof) wurde vom besseren Leben geträumt. Neben einer noch fast intakten Jeanshose und einer zerfledderten Regenjacke hing da an der Wand ein Kalenderblatt mit einer spärlich bekleideten Blondine aus dem Jahr ’87, aber auch ein kleines Plakat mit zwei Kindern in bürgerlichem Wohnzimmer ~ der einfache Mann träumt also durchaus mehrdimensional.

der eine Traum . . . Kalenderblatt von '87
der eine Traum . . . Kalenderblatt von ’87
der andere Traum? ~ Familie, Kinder, Wohlstand?
der andere Traum? ~ Familie, Kinder, Wohlstand?

# Zu dem Plakat habe ich noch ein wenig gegoogelt. Ultramarinos (Jenseits des Meeres) nannte man wohl die nach Übersee, also meist nach Südamerika oder Kuba ausgewanderten Spanier, und Antonio Vidal, genauer José Antonio VIDAL RODRÍGUEZ, ist Anthropologe und Historiker und Spezialist für Emigration mit einer beeindruckenden Literaturliste, er wird wohl in Lucena del Cid, einer kleinen Stadt in der Gegend, einen Vortrag gehalten haben. Unser ‚Knecht‘ hat wohl auch von einem besseren Leben auf der anderen Seite des Atlantiks geträumt . . .

Jeepster
Jeepster
# Jeepster Radkappe
# Jeepster Radkappe

Den zurückgelassenen Jeepster habe ich an einem Hof gefunden, der in mir die Ahnung eines gescheiterten Aussteigertraums aufkommen lassen hat. Kein Mensch, kein Lebenszeichen, herumliegender Baumüll, versteckt hinter ein paar verfallenen Mauern ein Fenster mit gestapelten Besitztümern. Ein leerer Wassercontainer, ein Autositz in einem offenen Hundezwinger, oder sollte das ein Hühnerstall sein? Da fragt sich der Vagabund dann, was denn jetzt wäre, wenn das damals geklappt hätte. Nix genaues weiß man nicht und kann man nie wissen . . .

Jeepster
Jeepster
Jeepster ~ ob er da tatsächlich?
Jeepster ~ ob er da tatsächlich?

# Autositz im Hundezwinger
# Autositz im Hundezwinger
ein ganzes Dorf ~ verlassen
ein ganzes Dorf ~ verlassen

Die Variante für gesellige Menschen ist sicher ein ganzes Dorf, das sich eine Gruppe von Menschen mit Durchhaltevermögen und nicht gerade zwei linken Händen wieder herrichten könnte. Auch das gibt es hier nicht nur einmal. Wenn ich hier beim Schreiben links aus dem Fenster schaue in Richtung Penyagolosa, kann ich auf einem Berghang gegenüber eines dieser Dörfchen sehen. Gestern auf meiner Radtour gleich drei, eines davon mit Umtrieb, zwei offensichtlich ausgestorben. Es gäbe schon Möglichkeiten . . .

näher ~ das verlassene Dorf
näher ~ das verlassene Dorf

# Und für morgen kündige ich schon einmal eine ausführlichere Geschichte um das Land-Art-Spinnennetz an ~ das gehörte nämlich zu einer anderen Entdeckung des heutigen Tages . . . 🙂