Wie angekündigt bin ich also die gut 150 Höhenmeter zur Notre Dame du Suc hochgekraxelt, in Serpentinen auf einem Schotterpfad im Schatten von Steineichen und Bux, was die Körpertemperatur beim steilen Anstieg in tolerierbaren Grenzen hielt, wo man allerdings arg drauf achten mußte, wo man seine Füße hinsetzt und wieviel Gewicht man auf dem jeweiligen Fuß ablegen wollte. Der Kalkbruch in unterschiedlichsten Größen neigt dazu, einem unter den Füßen wegzurollen, vor allem, wenn die Beine schon etwas müde sind. Aber dann: Da die Statue direkt am steilen Hang steht, ist man gezwungen, den Kopf in den Nacken zu legen und zur Madonna fast senkrecht nach oben zu schauen ~ und sieht dann, daß der Kleine, den sie im Arm hält, ein echter kleiner Revoluzzer zu sein scheint, der seine rechte Faust zum Gruß der internationalen Solidarität ballt 🙂
Wie mir der Bewohner und Wächter des Sanctuaire unten erzählte, wurde die am 4. September 1895: eingeweihte monumentale Statue von derselben Werkstätte hergestellt, die auch die Freiheitsstatue errichtet hat. Wie dem auch sei, am morgigen Sonntag, dem 2. April 2017, findet eine kleine Wallfahrt statt, aber ich habe meinen Parkplatz zum Glück schon wieder freigegeben.
Ebenfalls lohnend ist der Blick vom Fuß der Statue ins Tal, und ich lade euch ein, in dieses und das nächste Panorama zu klicken, um wie bei allen Bildern mit Sternchen um den Kommentar im Zoom die Details zu entdecken, mit der Maus eine kleine Wanderung durch die Landschaft zu unternehmen. Das zweite Panorama ist nochmal 150 Höhenmeter weiter oben entstanden, Blick nördlich, die rechts der Mitte zu sehende Stadt müßte Ganges sein.
Wieso ich soviel Wert darauf lege, daß ihr da reinklickt? Nun, das war ein ganz schön teurer Artikel, aber wieso der Kommentar erst nachträglich zu den Bildern kam, und wieso die Aktion um die 22 €uro gekostet hat, das erfahrt ihr im nächsten Artikel, den ich morgen früh schreiben werde. Für heute ist erstmal gut . . .
Wir arbeiten uns auf den von uns bevorzugten kleinen und kleinsten Straßen weiter gen Süden vor, und werden belohnt mit wunderschönen Landschaften, grandiosen Aussichten und feinstem Wetter mit wolkenlosem, blauem Himmel. Die Morgenaussicht läßt sich, wie die erfahrenen Leser wissen (Sternchen um den Kommentar!), durch Klick vergrößern. Heute geht es auf dem Prozessionsweg steil hinauf zur Notre-Dame du Suc, auf dem letzten Bild zu sehen. Morgen dann zu einer Wanderung ins Paradies (La vallée de la Buège, im Panorama in der rechten Bildhälfte), und da es im Paradies keinen Mobilfunkempfang und deswegen auch kein Internet gibt, werdet ihr wahrscheinlich erst im neuen Monat April etwas von mir hören. Geduld überwindet alles! 🙂
Weg von der Rhône, so schön und magisch die auch sein mag, abgebogen vom Lauf derselbigen und der D86 zur Ardèche. Leider, oder soll ich doch sagen: zum Glück! führt die Straße nicht am Fluß entlang, da ist es zu eng. Der Blick von oben herab ist auch grandios genug, immer wieder sind deshalb Aussichtspunkte angelegt mit Parkplätzen. Vor der regulären Touri-Saison hat auch der alte Herr Magirus keine Probleme, ein Plätzchen für eine Ruhepause zu finden, sogar am gestrigen Sonntag. Später im Jahr mag es da knapp werden, auch weil meist ein kleiner Erdwall neben der Straße aufgehäuft ist, um die Leut (und die sind ja im Gegensatz zu den Menschen unvernünftig und egoistsch) vom wilden Parken abzuhalten; oder die Flächen sind mit groben Felsmocken zum Anhalten untauglich gemacht. Aber gestern, wie gesagt, kein Problem trotz strahlendem Sonnenschein. Der Andrang hält sich in Grenzen.
Trotzdem bedaure ich nicht zum ersten Mal, bei meinen geliebten Flußtouren kein kleines Kanu als Beiboot dabei zu haben. Wie wäre das doch schön, vom Pont d’Arc aus den vielen Schlaufen der Ardèche folgend und die Paddel schwingend die Felswände von unten zu beschauen. Ein Wechsel der Perspektive, der sicherlich ein auf andere Art Ehrfurcht gebietendes Erlebnis wäre. Aber da gibt es das kleine Problem des Stauraums. Und auf dem Dach oder gar einem Anhänger? Das möchte ich mir lieber nicht antun.
So bleibt am Schluß noch der Genuß, unter dem Pont d’Arc sitzend in Gesellschaft der Jugend die Abendsonne zu genießen, bevor wir das Tal der Ardèche wieder hinter uns lassen, um einen Übernachtungsplatz zu suchen, an dem am nächsten Morgen die Sonne lacht. Das dürfte hier unten etwas länger dauern . . .
. . . und trotzdem nix mit Sachertorte. Auch nix mit Saccherose. Eher was mit Sack ~ Nahe dem letzen Übernachtungsplatz an der Rhône war eine fast ganz ausgestorbene kleine Trabantenstadt zu entdecken, die zu einer großen Zementfabrik gehört. Zement wird da schon noch hergestellt, die Infrastruktur inklusive Bahnhof ist noch vorhanden. Die Sacherie war der Ort, wo der Zement in Säcke verpackt wurde (le sac = die Tasche, Sackl Zement, sag I!). Wohnen möchte hier aber kaum mehr jemand, trotz teilweise schönem Rhôhneblick. Ein, zwei Künstlerateliers, eine zugesperrte Kirche, ein paar Jugendliche heizen mit ihren Mopeds die Hauptstraße rauf und runter. Trotz angeblicher Videoüberwachung reizen verstecktere Flächen zur Verschönerung mit bunter Farbe. Es gibt auch ein Chateau etwas außerhalb, mit einer langen Allée als Zufahrt. Aber auch da ist nur das Erdgesch0ß noch bewohnt, in den oberen Stockwerken sind alle Fensterläden geschlossen. Die Zeit der Industriellen-Patriarchen ist offensichtlich vorbei . . .
Die Magie liegt immer in der Beziehung, die wir selbst zu den Dingen, zu Menschen, zur Welt herstellen, und so liegt auch die Magie dieser Flußlandschaft (und auch der des Rheins, an dem ich viel Zeit verbringe) in der Beziehung, in den Assoziationen, die ich selbst herstelle. Schon die stille Betrachtung des fließenden Wassers läßt Ruhe einkehren in Geist und Seele, führt zum Bewußtwerden des einen Fakts: Das Sein braucht keine Begründung, und schon gar keine Rechtfertigung. Panta Rhei, alles fließt, und ‚du kannst nicht zweimal in den selben Fluß steigen‘, sagt schon Heraklit. Es genügt schon, am Ufer eines Flusses zu sitzen und zu schauen, um dem Werden und Vergehen teilhaftig zu werden. Man sagt, daß nur der, der gegen den Strom schwimmt, zur Quelle kommt; aber ab davon, daß das furchtbar anstrengend ist und die Fitness eines jeden Menschen überfordert ~ wer mit dem Strom schwimmt, kommt irgendwann zum Meer, dem Ursprung (fast) jeglichen Lebens, wie wir es kennen. Wer ganz einfach am Ufer des Flusses sitzen bleibt, macht auch nichts falsch, alles fließt unter seinen Augen vorbei.
Wie dem auch sei, die Compagnie National du Rhône verbietet hier sowohl das Schwimmen gegen als auch mit dem Strom, viel zu gefährlich, lebensgefährlich, das! Wobei das Leben an sich per Definition lebensgefährlich ist, und vorhersehbar mit dem Tod endet ~ sei’s drum! 🙂 Jedenfalls Dank wieder einmal dem unbekannten Künstler, der mich auf den fast schon vergessenen Begriff der Magie gebracht hat, und daß die Seite ‚Viel Vieh, oh Sophie‚ schon lange auf eine Fortsetzung wartet, in dem die, meine Bedeutung von Magie eine nicht unwesentliche Rolle spielen muß. Vorab nur ein längeres Zitat aus dem Roman ‚Der Magus‘ von John Fowles, der ursprünglich The Godgame heißen sollte. Denn ‚es gibt keine Realität jenseits der Magie‘ . . .
So spielt mein Leben im Moment zwischen diesen beiden Brücken, bei bunt gemischtem Wetter, mal Sonne, mal ausgiebig Regen, mal Sturm oder Gewitter, gefüllt mit Lesen, Schreiben, nicht nur für diesen Blog; zwischendrin mal eine Radtour oder ein ausgiebiger Spaziergang, oder auch NichtsTun und immer wieder dem Genuß von Creationen aus meiner guten alten Bratpfanne (eine Abteilung über die Zubereitung von Mahlzeiten ist auch schon seit Jahren angedacht, aber nie verwirklicht worden). Savoir vivre, Leben wie Gott in Frankreich!
Der gestern anfangs noch kräftige Nieselregen mit Wind hat sich glücklicherweise schon am Nachmittag gelegt, es war pralle Sonne an blauem Himmel angesagt, sodaß die Fahrt ohne dicke Jacke mit offenem Seitenfenster fortgesetzt werden konnte, was sich im alten Herrn Magirus angenehm zugfrei anfühlt. Sooo mögen wir das Reisen! Auf der D1083 leicht abwärts rollend durch die mit Teichen übersäte Hochebene im südlichen Jura, danach steiler Abstieg ins Rhônetal. Von Googles freundlicher Navigationsassistentin, die es sich aber zu meiner Verwirrung nicht abgewöhnen kann, französische Orts- und Straßennamen deutsch auszusprechen (wie schön war das noch in der Pocket-PC-Version von TomTom, wo die ‚kleine Französin‘ als AddOn mit einem ausgesprochen süßen Akzent zur richtigen Abzweigung riet), auf der südlichen Peripherique um Lyon herumgeführt und gegen Abend dann nach über zweihundert Kilometern an meinem Liebliengsrastplatz am sonnigen Rhôneufer festgemacht. Müde, aber zufrieden . . .
Vor einem guten Jahr, Anfang Januar, war das hier bannig kalt und unangenehm windig. Jetzt machen sich die zweieinhalb Monate, die schon mehr ins Land gezogen sind, sehr positiv bemerkbar. Trotz verhangen Morgens war es doch bedeutend wärmer, und als dann gegen Mittag die Sonne herauskam, wurde das richtig angenehm. Das hebt die Laune so weit, daß ich euch einen kleinen Vertell zu dieser gemauerten Steele machen möchte, die ihr auf dem nächsten Bild seht.
Wer genau hinsieht, sieht den Gutmann, als Größenvergleich auf dem Bild plaziert, wie er auf einige Inschriften zeigt. Hochwassermarkierungen, die unteren zwei Schilder aus den fünfziger Jahren des nun schon vorigen Jahrhunderts, die in Stein gravierten Markierungen nochmal hundert Jahre früher, 1840 und 1856. Ganz schön weit oben, muß ich euch sagen! Schon alleine vom Sockel der Steele sind das drei Meter und siebzig Zentimeter, vom jetzigen Wasserstand der Rhône aus gemessen sechs Meter und dreißig! Ich möchte mir die Wassermassen lieber gar nicht vorstellen, die da das Rhônetal hinunter ins Mittelmeer gerauscht sind. Das Tal muß bis zum Anstieg der Berge voll gewesen sein, alle Siedlungen und Äcker Land unter.
Dieses Jahr war das bei weitem nicht so schlimm, aber der Trockenbruch einer halbzentimeter dicken Schlammschicht zeugt davon, daß das Wasser der Rhône immerhin einen Meter und siebzig über dem gegenwärtigen Stand den Ponton, die auf Stelzen stehende Plattform über dem Fluß, bis hinauf über die erste Sitzstufe überströmt hat, und nicht nur mal eben ein paar Minuten.
Nun ist es aber recht unwahrscheinlich, daß die Steele nur dazu gebaut wurde, um daran Hochwassermarkierungen zu befestigen. Vor allem würde die Höhe von rund zehn Metern dann von panischer Katastrophenangst zeugen. Aber für was sollte sie sonst gut sein? Ein Heldendenkmal sicher nicht, außer den Hochwassermarkierungen gibt es keine Inschriften. Außen vorstehende Trittsteine in Spiralform aufsteigend um die Steele herum, jeweils etwas höher kurze Stangen, die als Haltegriffe aus der Wand ragen, könnten einen zum Erklimmen des Objekts reizen, aber die unteren sind wohlweislich weggeschlagen, um die Übermütigen vom Kühlen ihres Mütchens abzuhalten.
Die Lösung des Rätsels findet sich zum Glück auf einer in der Nähe stehenden Schautafel. Die Steele ist Teil des Antriebs einer alten Fähre. An einem zwischen den Ufern der Rhône gespannten Seil gleitend festgemachten Kahn genügte ein großes, schräggestelltes Ruder, um bis zu 60 Personen, oder auch mal ein Auto als Fracht vom Departement Ardéche zum Departement Drôme zu bringen, oder wahlweise auch umgekehrt. Ohne Dampf, geschweige denn Dieselmaschine. Könnte man auch heute noch benutzen, die Technik, aber um den Klimawandel zu beschleunigen blasen wir ja sogar das Laub mit Maschine und Gedröhn von einem Platz zwei Meter weiter.
Die Fähre tat ihren Dienst bis August 1896, als der Rhôneschlepper le Pilat vergaß, seinen Schornstein wegzuklappen, das in achteinhalb Metern Höhe über der Flußmitte gespannte Kabel der Fähre rammte und die auf der gegenüberliegenden Flußseite stehende Steele dabei niederriß und in kleine Stücke zerlegte. Und niemand sich die Mühe machte, die Konstruktion wieder zu reparieren. Nun denn!
Die beiden letzten Bilderchen entstanden auf meiner kleinen Fahrradtour zum gegenüberliegenden Ufer (nächste Brücke dreieinhalb Kilometer) zum Einkaufszentrum auf der grünen Wiese. Lebensmittel waren alle 🙁 Suchbild mit Magirus und ein impressionistisches Stilleben mit Weiden zum erbaulichen Genuß 🙂
Wahrlich nicht, ich sag es euch! Gestern den ganzen Tag gegen einen strengen, mit Wasser gefüllten Wind angefahren, so daß mir so manches Mal Zweifel kamen, ob mit dem Motor des alten Herrn Magirus noch alles im Lot sei. So einen Gegenwind sieht man nicht wirklich, wenn die Bäume nackt und ohne Laub dastehen. Nur ab und an, wenn rot-weiße Folienbänder oder Werbefahnen im Sturm flattern, nur dann wird offensichtlich, woran es liegt, daß der alte Herr nicht so recht auf Touren kommen will.
Der Regen hat inzwischen aufgehört, oder pausiert zumindest. Derweilst berichtet mir mein Freiburger Nachrichtendienst, daß sich in der Heimat sogar die Sonne heraustraut, während hier die Wolken alle grau in grau hängen. Nun, nach Wetterbericht vielleicht morgen auch im Rhonetal-Theater, schaumermal! Und bis dahin freut man(n) sich am satten Grün, wie dem des Mooses am Bach neben meinem Übernachtungsplatz.