Realsatire?!? – die Fortsetzung

Sooo, es wird Zeit, jetzt endlich die Fortsetzung der Realsatire ins Internet zu werfen, weil sonst jeden Tag neue Grausligkeiten eingebaut werden müßten. Als einzelnes Erlebnis wäre die Begegnung allenfalls eine belustigende Anekdote wert gewesen, meine alltägliche Nachrichtenschau im Internet zeigt mir aber, daß Mensch sich nicht wundern sollte, weil sich das Einzelerlebnis mehr oder weniger nahtlos in das Gebaren des Apparates der geschätzten Republik einfügt. Übertrieben? Na, schaumer mal, dann sehmer scho!

Nun bin ich in einem Bundesland aufgewachsen, das in den ersten 21 Jahren meines Lebens von ehemaligen strammen Nazis durchregiert wurde. Zuerst Kurt Georg Kiesinger, von 1958-1966 Ministerpräsident von Baden-Würthemberg, Eintritt in die NSDAP frühzeitig 1933, der dann, weil er Bundeskanzler (1966-1969) wurde, vom ehemaligen NS-Marinerichter Hans Filbinger abgelöst wurde, der kurz vor Kriegsende noch Todesurteile gegen Deserteure aussprach, regierend von 1966-1978. Eine Parteikarriere in einer Diktatur war für politisches Emporkommen in der Bundesrepublik noch nie hinderlich, im Gegenteil mußte sich Willi Brandt 1961 vom ehemaligen Chef der Stabsbatterie und Nationalsozialistischen Führungsoffizier (NSFO) an der Flak-Artillerie-Schule IV in Altenstadt, Franz Josef Strauß, fragen lassen: „Eines wird man Herrn Brandt doch fragen dürfen: Was haben Sie zwölf Jahre lang draußen gemacht? Wir wissen, was wir drinnen gemacht haben“. Übrigens schrieb Strauß später in seinen Lebenserinnerungen, er sei als Wehrmachtssoldat mehrfach „Zeuge“ von deutschen Massakern an Juden im Osten geworden . . . hat er das gemeint, als er Brandt in die Ecke der Vaterlandsveräter stellen wollte?

Olle Kamellen, und der aktuelle Bezug? Nun, EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, bekannt für frei-von-der-Leber-Sprüche und ehedem auch bekannt dafür, Filbinger eben nicht für einen gewesenen Nazi zu halten, schwadroniert auf einer Rede vor einem Unternehmerverband über eine Pflicht-Homoehe und Frauenquote, nennt Mitglieder einer chinesischen Regierungsdelegation Schlitzohren und Schlitzaugen. Eine Entschuldigung hält er erst einmal nicht für nötig und reicht sie erst (halbherzig) nach, als er vom Kommissionspräsidenten zur Brust genommen wird. Oettinger singt auch mal die erste Strophe des Deutschlandlieds (“ . . . über alles auf der Welt!“), die nicht ohne Grund nicht (mehr) zu unserer Nationalhymne gehört. Und er fordert auch schon mal ältere Arbeitnehmer zum Lohnverzicht auf, weil sie ab 40 nicht mehr so leistungsfähig wären. Oettinger ist 1953 geboren, hat neulich seinen 63. Geburtstag gefeiert. Vielleicht sollte er sich wegen progressiver Senilität auf die Suche nach einem Pflegeplatz begeben?!? Aber nein, weil offensichtlich schon seit längerer Zeit Zweifel bestehen, daß der EU-Digitalkommissar wenigstens binär von 0 auf 1 zählen kann, soll er jetzt zum EU-Kommissar für Haushalt und Budget befördert werden. Eine Liste seiner Entgleisungen findet sich hier auf politico.eu

Anderes Thema: Wirtschaftsminister Gabriel ist mit dem Versprechen in sein Amt eingetreten, die Rüstungsexporte Deutschlands zu beschränken. Nun ist der aktuelle Bericht der Bundesregierung vorgestellt worden. Und wieder einmal ist der Rüstungsexport gestiegen, diesmal um eine halbe Milliarde €uro. Der Wert der genehmigten Exporte von Kleinwaffen sank leicht von 12,4 auf 11,6 Millionen €uro (ist der Markt etwa gesättigt?), aber die Exporte von Munition für diese Waffen hat sich von von 27 Millionen auf 283,8 Millionen mehr als verzehnfacht! Das ist das Zeug, an dem die meisten Menschen sterben! Wenn die Menschen dann von da, wo mit dieser Munition geschossen wird, hierher ins ’sichere‘ Deutschland wollen, heißt es, sie sollen da bleiben, wo der Pfeffer wächst . . . Nun denn, das ist wahrscheinlich höhere Logik, das kann ich als geistig Minderbemittelter eben nicht verstehen 🙁 Ich höre auch schon wieder die schlauen Leutchen, die meinen, wenn nicht wir das tun, dann tun das eben andere. Da sag ich nur dazu: Mir ist es lieber, wenn andere das tun und nicht wir. Man muß nicht um jeden Preis hinter jedem €uro herrennen!

Ein Thema, das über mehr als hundert Jahre alt ist. Während der Bundestag in einer Resolution den Genozid der Türkei an den Armeniern zu Recht verurteilt, geht der Der Genozid an den Hereros 1904 bis 1908 in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, allerdings vollkommen an ihm vorbei. Generalleutnant Lothar von Trotha, damals Kommandeur der „Schutztruppe“, befahl jeden Herero, auch Frauen und Kinder, innerhalb der deutschen Grenzen zu erschießen. Zitat: „Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik.“ Von geschätzten 35.000 bis 100.000 Herero waren nach dem Krieg nur noch 14.000 bis 16.000 am Leben. Die deutsche Regierung schließt immer noch eine Wiedergutmachung aus (kostet Geld!), eine kostenfreie Entschuldigung wird angeboten. Hier ein Interview der Telepolis mit Herero-Häuptling Vekuii Rukoro anläßlich eines Kongresses zum Thema, der letzten Monat stattgefunden hat, und zu dem ich sonst nirgends etwas lesen konnte. Ein Großteil des Grundbesitzes in Namibia gehört übrigens immer noch weißen Nachfahren der damaligen Kolonialisten, da darf Geschichte nachwirken . . .

Überhaupt endet Geschichte nie, und die Muster hinter der schönen Fassade auch nicht. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten hat wieder mal einen Höchststand erreicht. Derweilst machen sich deutsche Politiker Gedanken über ein Burka-Verbot. Während die reale Gefahr, durch islamistischen Terror in Deutschland zu Tode zu kommen, verschwindend gering ist, ist die reale Gefahr für einen Flüchtling, in Deutschland zu Schaden zu kommen, recht hoch. Daß ausgerechnet die deutschen Verfassungsschützer über V-Leute rechtsextremistische Gewalt finanzier(t)en, hatte ich schon in einem früheren Artikel erwähnt. Dort auch die „Bemühungen“ zur Auflkärung. Inzwischen wurde bekannt, daß der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes die Akten zum sogenannten NSU nicht versehentlich geschreddert hat, wie offiziell kolportiert, sondern durchaus absichtlich. Zur Verantwortung gezogen wurde er dennoch nicht. Weitere Ungereimtheiten kommen zum Nagelbombenanschlag in Köln zum Vorschein. Nicht nur der Verfassungsschutz, auch die Bundesanwaltschaft hielt es nicht für nötig, den in Verdacht geratenen V-Mann und bekannten Neonazi ernsthaft zu überprüfen. Die Lektüre der Website des Untersuchungsausschusses des Bundestags zum Themenkomplex lesen sich, traurig aber wahr, wie Realsatire. Die Zeugen aus den Ämtern ‚waren damit nicht befasst‘, ‚können sich nicht erinnern‘ oder ‚dürfen dazu nichts aussagen‘. Beide Ämter sind über das Bundesinnenministerium dem Kanzleramt unterstellt. Ein Schelm, wer Böses sich bei denkt. Das wären dann Verschwörungstheorien. Geht gar nicht!

Daß Polizeibeamte sich auch nicht immer auf dem Boden unseres Grundgesetzes wohlfühlen, hat man auch schon um die Aufklärungsversuche am Polizistenmord Michèle Kiesewetter mitbekommen. Gleich fünf Polizeibeamte des LKA gehörten zum lokalen Ableger des Ku Klux Klans und fanden da nichts Böses dabei. In den letzten Wochen findet man immer mehr Polizisten, die sich als Reichsbürger des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 sehen ~ aber erst, nachdem ein Reichsbürger bei einer Razzia auf vier Polizisten geschossen hat. Das geht natürlich nicht!

Wer sollte es da einem Mitarbeiter des Wasser- und Schiffahrtsamtes nachtragen, daß er Gesetze und Verordnungen ein wenig durcheinanderbringt. Auch der Blogger selbst ist ja reichlich verwirrt und begibt sich zur Erholung an die inzwischen aufgetauchte Sonne . . .