Fête des Ménétriers ~ Festival der Pfeiffer / Fiedler
Das Sommerende und der Herbstanfang ist hier im Dreieckland zwischen Baden, dem Elsaß und dem Baslerland der Schweiz traditionell gefüllt mit diversen Hocks und Festen, in denen vor allem dem hier gezogenen Wein und örtlichen kulinarischen Häppchen zugesprochen wird. Daß besonders das Elsaß weiß, wie man feste Feste feiern kann, konnte ich wieder letztes Wochenende in Ribeauvillé ausführlich erfahren. Der Pfifferdaj, das jährliche Festival der Pfeiffer, Fiedler und Stadtmusikanten ließ den Ort aus sämtlichen Nähten platzen. Ich war mehr oder weniger in der Erwartung eines Volksfestes mit Volksmusik und Wein und Choucroute angefahren (diese Touriseite stützt dieses Bild), mit einem ganz gefüllten Akku und einer schon halb gefüllten Speicherkarte für die Kamera, aber dann sprengte die gebotene Realität sowohl alle meine Erwartungen als auch schon zur Halbzeit die Kapazität des Akkus und der Speicherkarte . . .
Hätte ich mir vorher die Webseite der Stadt mit den Hinweisen auf den
Pfifferdaj 2015 in Ribeauvillé angesehen, und auch die da verlinkte Sceneographie Pfifferdaj 2015, dann hätte ich mir vielleicht im Vorfeld einen Ersatzakku besorgt und die zweite große Speicherkarte mitgenommen! Aber so ist der Gutmann halt: lieber dumm und blauäugig ins Getümmel und dann angenehm überrascht, bzw in diesem Fall hellauf begeistert! 😉 Wer mag, kann sich auch das Programm des Pfiffferdaj 2015 als pdf herunterladen, aber der Event ist leider für dieses Jahr schon vorbei 🙁
Hinterher versuche ich dann immer, mich schlau zu machen (und je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto faszinierender finde ich es!), um dann den werten Leser dieses Blogs an meinem gesammelten Wissen teilhaben zu lassen . . . müßt ihr mit leben!
Aaaalso: Das Festival geht auf das 14. Jahrhundert zurück, als der Graf von Rappoltstein Herr über das Reichslehen des Pfeiferkönigtums war und damit zuständig für alle fahrenden Spielleute und Gaukler am Oberrhein. Einmal im Jahr zahlten sie für ihren Schutz eine Abgabe und feierten mit einem Fest ihren vom Lehnsherrn ernannten Pfeiferkönig. Wer sich noch genauer informieren will, findet in der Wikipedia einen Artikel über das Pfeiferrecht. Heutzutage findet das Fest jährlich am ersten Wochenende im September statt, jedesmal mit einem anderen Motto ~ dieses Mal war es der ‚Roman d’Alexandre‘ des Schriftstellers Alexandre de Bernay aus dem 12. Jahrhundert!
Damals wurden Bücher noch nicht über das Internet elektronisch verteilt, auch nicht auf Papier gedruckt. Jedes einzelne Buch wurde in mühsamer Handarbeit mit der Schreibfeder in Schönschrift auf Pergament geschrieben, also speziell behandelte und dünn geschabte Tierhaut, meist Lamm oder Ziege. Oft waren auch detaillreiche Illustrationen wie bei den ersten beiden Bildern dieses Artikels Teil eines Buches, und die Anfangsbuchstaben jedes Absatzes besonders groß und schön ausgemalt.
Die Alexanderromane des Mittelalters und besonders der ‚Roman d’Alexandre‘ von Alexandre de Bernay, die Leben und Wirken von Alexander dem Großen beschreiben, waren damals sozusagen Bestseller und Dauerbrenner, in der ‚Auflagenstärke‘ allenfalls, wenn überhaupt, von der Bibel übertroffen. Man mag, wie das so mancher Historiker getan hat, den mangelnden Realismus dieser Alexanderbiographien bemängeln. Viel mehr Freude hat man allerdings, wenn man die pralle Phantasie genießt, die in die Mischung von mittelalterlich-höfischer und antiker Kultur und jeder Menge Abenteuer (auch erotischer Art, wie man beim zweiten Bild sieht!) eingeflossen ist. Im diesem mittelalterlichen Kult um Alexander den Großen fließen spirituelle Elemente des Rittermythos ein, die Suche nach dem ewigen Leben gipfelt in der Erforschung des Meeresgrundes in einer Art Bathyscaph und der Lüfte mit einer Art Ballon ~ wie gesagt, das im Mittelalter! Indiana Jones und Lara Croft müssen sich ganz hinten anstellen! 😉
Und die moderne Umsetzung in eine gewaltige Performance, die eine nicht einmal fünftausend Seelen starke Gemeinde auf die Straße bringt, die konnte wahrlich begeistern. Mit Anleihen von Steampunk und Techno-Musik aus diversen Szenewagen, daß die Scheiben wackeln, und gefühlt hunderten engagierten und begeisterten Teilnehmern in phantasievollen Kostümen, in denen Mann zu Held und Frau zu begehrenswerter Femme oder gar zu Königin oder wahlweise Amazone wird, Reisen durch die Lüfte als auch durch und unter das Meer, lukullischen Gelagen, Orgien und Schwertkämpfen, Teufel auch, war das ein Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde. An alle Teilnehmer, egal ob im Kostüm auf der Straße oder im Hintergrund in Realisation und Organisation: Habt Dank, ihr habt einen tollen Job gemacht!