Kernkraft und Demokratie . . .

20. Oktober 2010 ~ Störfall im Kernkraftwerk Fessenheim!
20. Oktober 2010 ~ Störfall im Kernkraftwerk Fessenheim! ~ zum Vergrößern anklicken

Diesen Artikel schreibe ich gegenüber der Stelle, wo ich in meiner Jugend (boah eye, da spricht ein alter Mann 😉 ) mit zwei Klassenkameraden und ein paar hundert anderen Menschen am Rheinufer bei Wyhl stand, demonstrierend gegen das geplante Kernkraftwerk. Wyhl ist damals verhindert worden, ist heute nur noch Erinnerung in den Köpfen der Menschen, die damals den Widerstand mitgelebt haben, manche aktiv bei der Besetzung des Baugeländes und der anschließenden Räumung mit körperlichem und juristischem Risiko, manche eher passiv auf einer harmlosen Demo wie ich. Die geballte Staatsmacht, geordert von der mit der Energiewirtschaft eng verklüngelten Landesregierung unter dem strammen ehemaligen Marine-Richter der Nazi-Zeit Filbinger, suchte damals „mit allen Mitteln“ den Bau des Kraftwerks durchzusetzen. Dabei wurden auch Winzeromis im Rentenalter mit Polizeiknüppeln traktiert wie Terroristen . . .

Wyhl ist überraschenderweise, obwohl die Landesregierung mehrfach gegen die Urteile Beschwerde einlegte, durch Bürgerinitiativen auf juristischem Weg verhindert worden. Aber auch wenn aus den Plänen der Regierung Filbinger, zu den bestehenden noch weitere 13 Kernkraftwerke zu bauen, davon fünf im Rheintal zwischen Mannheim und Basel, nichts geworden ist ~ man kaufte sich dafür in französischen Kernkraftwerken ein, zum Beispiel eben auch im abgelichteten Kraftwerk Fessenheim.

Kernkraftwerk Fessenheim im Mai 2014
Kernkraftwerk Fessenheim im Mai 2014

Die Versorgung mit elektrischer Energie war und ist zumindest in Baden-Württemberg zu fast 100% in öffentlicher Hand, auch als Aktiengesellschaft durch Eigentum des Landes und von Kommunen. Man könnte nun annehmen, daß zumindest bei einem im allgemeinen öffentlichen Interesse (Versorgung mit Energie, Gefährdung durch Nukleartechnik) stehenden UND im Besitz der öffentlichen Hand (also wir Bürger, alle!) befindlichen Industriesektor die Betroffenen mal gefragt würden . . . nun, soweit ich mich erinnere, waren bei allen Meinungsumfragen ca. zwei Drittel der Bevölkerung gegen Kernkraft, über Jahrzehnte hinweg. Das hat die Energiewirtschaft im Verbund mit der Politik nicht daran gehindert, die Kernkraft weiter auszubauen, hochradioaktiven Müll zu produzieren und sich einen Teufel darum zu scheren, was damit geschehen soll. Immer noch gibt es keine sichere Endlagerstätte für hochradioaktiven Müll, wenn wundert es? Eine sichere Endlagerung über mehrere hunderttausend Jahre ist ein Ding der Unmöglichkeit, allenfalls ein Tagtraum . . .

KKW Fessenheim ~ näher ran! Vertrauen erweckende Technik?
KKW Fessenheim ~ näher ran! Vertrauen erweckende Technik?

Eine Volksabstimmung zur Kernkraft hat es nie gegeben. In Deutschland traut sich die Politik aus gutem Grund nicht, strategisch-politische Entscheidungen durch ihren Souverän (uns Bürgern!) absegnen zu lassen. In diesem speziellen Fall Kernkraft wurde jahrzehntelang bewußt Politik gegen den Willen der Bürger betrieben, bis hin zur Laufzeitverlängerung nach eigentlicher Vereinbarung zum mittelfristigen Ausstieg. Bis dann Fukushima kam und sogar Frau Merkel einsah, daß Kernkraft nicht wirklich sicher zu handhaben war . . .

KKW Fessenheim ~ sich ablösende Beschichtung auf dem Reaktordach
KKW Fessenheim ~ sich ablösende Beschichtung auf dem Reaktordach

Das Märchen vom billigen Atomstrom ähnelt inzwischen dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. In Großbritannien muß der Strom aus neuen Kernkraftwerken kräftig subventioniert werden, weil er sonst mit billig erzeugtem konventionellem UND AUCH ökologisch erzeugtem Strom preislich nicht konkurrieren kann. Obwohl, neu ist das nicht. Strom aus Kernenergie ist genau wie Kohleverstromung über Jahrzehnte sehr kräftig subventioniert worden, im Vergleich dazu ist die Förderung der alternativen Energien Pippifax!

Und jetzt wollen die Energiekonzerne den Ausstieg, den Rückbau der Kernkraftwerke und die Endlagerung dem Staat übertragen! Sooo eine Frechheit aber auch! Empörung! Empörung! Empörung! Jahrzehntelang verdienen die Milliarden, dann wollen sie sich aus der Verantwortung stehlen?

Äh ~ Moment mal? Wem gehört nochmal die EnBW? Die Verquickung von Energiewirtschaft und Politik ist so eng, daß man die Technik gegen den Willen der Bevölkerung in die Welt drücken kann, subventioniert aus Steuergeldern. Jetzt wird die ganze Klitsche ~ aus guten Gründen ~ abgewickelt, und wieder soll die Allgemeinheit die Kosten tragen. 🙁 Die Politik empört sich, von der Kanzlerin bis zu den Grünen sind sich alle einig: Das geht gar nicht!

Und das alles ist letztlich wieder nur eine Verschleierung Realitäten . . .

Liebe Leut! Bei genauerem Nachdenken kann es gar keine Zweifel daran geben, daß die Allgemeinheit die Kosten für diesen Unsinn übernehmen wird. Ob Konzerne in Staatsbesitz oder der Staat direkt die Rechnung bezahlen, es läuft letztlich auf das Gleiche hinaus. Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren. Die Frage dabei ist nur, in welchen Taschen ist das Geld gelandet, und in welchen Taschen wird das Geld in Zukunft landen, das uns das Abenteuer Atomstrom kosten wird. Wer profitiert? Wer kann ~ in einer sogenannten Demokratie ~ gegen Willen und Interesse des größten Teils der Bevölkerung eine Technik (eine Wirtschaftspolitik? Eine Sozialpolitik?) durchdrücken? Aus welchem Interesse? Mit welchen Mitteln? Und wohin führt das?

Kapital ist die einzige Flüssigkeit, die IMMER nach oben fließt 🙁

Was kann man dagegen tun?

Stellt Fragen!

Wer profitiert?

Hinterfragt!

Denkt nach ~ selber!

Werdet unbequem!

Und am Sonntag wählen gehen, trotzdem!

Zu den Bildern:
Am 20. Oktober 2010 kam es während des Einschaltens eines Ventilators im KKW Fessenheim zu einem Kurzschluss. Daraufhin wurde aus Sicherheitsgründen der Block 1 des Kernkraftwerkes heruntergefahren. Auf einem Hügel bei Freiburg stehend, fiel mir die riesige Dampfwolke auf, die gegen den Sonnenuntergang in der Rheinebene aufleuchtete, die bange Frage: Ist das jetzt der befürchtete Ernstfall, der GAU? Später im Internet recherchiert, es sei keine Radioaktivität ausgetreten . . . man sieht sie nicht, man hört sie nicht, man riecht sie nicht . . . nochmal Glück gehabt!

Kleine Bemerkung nebenbei. Letzes Jahr wollte eine Freiburger Sonntagszeitung, für deren Verlag ich sogar einmal ein paar Jahre gearbeitet hatte, dieses Bild für einen Artikel auf der ersten Seite GROSS herausbringen. Und ganze 40 €uros dafür bezahlen . . . aber auch Photographen müssen von irgendwas leben, von Taschengeld alleine geht das nicht. Deshalb ist daraus nichts geworden. Für einen fairen Preis wäre mir das ein Vergnügen und eine Ehre gewesen, sogar für dieses Blatt! 😉

Die anderen Bilderchen sind mangels geklauter Kamera mit dem Handy entstanden, und sehr nahe kommt man an das Reaktorgebäude nicht ran.

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