Auf der Suche nach einem schönen Übernachtungsplatz fiel mir vor zwei Tagen diese Szene auf, ein Gebirgsteil mit diesen hochkannt gestellten Rippenschichten, über die ich neulich schon einmal berichtet habe. Und da es nahebei noch einen Parkplatz für den alten Herrn Magirus gab, schön ruhig ab von der Straße, haben wir uns da natürlich hingestellt 😉
Bald darauf wurde es auch schon Abend, die Sonne ging unter und ich saß dann da, den schönen Abendhimmel bewundernd, beobachtend, wie die Wolken über Gebirgskämme rollten und in Wellen ins Tal fielen . . .
Am nächsten Tag schüttete es erstmal wie aus Kübeln, für die Erkundung der Umgebung war also ein Regenschirm angesagt. Den Weg weiter um eine Felskante herum, und eine alte Hängebrücke über den Fluss Ara kam in Sicht . . . auf den Tragesäulen eine gegossene Plakette mit der Jahreszahl, 1881!
Wer mich kennt weiß um meine Faszination für alte Technik. Auf der wie aus dünneren Eisenbahnschwellen geschnittenen aus Balken bestehenden Fahrbahn waren Fahrspuren zu sehen, aber ich konnte mir bei deren Zustand nicht vorstellen, daß da ein Auto drüberfahren würde. Schon beim Drübergehen konnte man bei rythmischem Schritt die Brücke zum Schwingen bringen, ein wenig Hüpfen und eine Welle pflanzte sich von einem Ende zum andern fort. Stabil, aber sehr flexibel: Die Tragseile bestanden aus Bündeln nicht verdrehter, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen mit demselben Material umwickelter Drähte . . . alles offensichtlich Handarbeit, auch die Verbindungsstücke sind aus Eisen geschmiedet . . .
Die Sache ließ sich vorerst nicht klären, im Verlauf des Tages, der am Nachmittag sogar mit Sonnenschein gesegnet war, kamen jedenfalls nur Fußgänger darüber gelaufen, einmal sogar eine ganze Schulklasse auf Ausflug ~ ein Wanderweg führt über die Brücke. Für den alten Herrn Magirus wär das eh nichts, die Durchfahrtsbreite zwischen den Pfeilern ist grad mal 188 Zentimeter, ohne Abstand. Zwei Meter dreißig sollten das schon sein! Und ob die Brücke die knapp sieben Tonnen aushalten würde, probieren wir lieber nicht aus!
Allerdings gab es noch viel mehr zu entdecken, in den Felswänden gab es einige Löcher, die menschgemacht aussahen. Also die Taschenlampe geholt, Batterie leider schon ein wenig schwach, und auf Höhlenforschung gegangen . . .
Die erste Höhle, eher ein Schacht, ein Tunnel, war bequem begehbar, man mußte kaum den Kopf einziehen. Nur ins Stolpern kam man leicht, wegen herumliegenden Steinen, und nasse Füße gabs, weil die Pfützen im Licht der schwachen Taschenlampe kaum zu sehen waren. Hier kam ich ungefähr fünfzig Meter weit, dann war Schluß. Bohrlöcher, offensichtlich vorbereitet für die nächsten Dynamitstangen, aber die Arbeiten wurden wohl eingestellt . . . und ein Fundstück aus jüngeren Tagen ~ eine Figur aus einem Überraschungsei 😉
Eine andere Höhle war ein Durchstich einer dieser Felsrippen und endete in einer Felswand über dem Fluß, aber weiter gings da auch nicht . . . also wieder über die Brücke gelaufen und sehen, was auf der anderen Seite des Flusses alles zu finden ist. Den Hügel hinauf, um die Nase einer Felsrippe herum, die oben ein eindrucksvolles Tor hat . . .
. . . und ich schaue hinunter auf ein verlassenes?, oder doch nicht verlassenes? Dorf. Die meisten Häuser zerfallen, überwuchert von Strauch, Baum und Efeu, aber eines der Häuser sieht ordentlich rechteckig und stabil aus, mit einem geraden, flachen Dach, und da hängt ein T-Shirt zum trocknen auf dem Balkon . . .
Von oben zu sehen ist eine Furt, die Fußgängerbrücke, ganz neu aus Stahl, sieht man erst, wenn man unten direkt davorsteht. Dahinter ein vertieftes Viereck mit Quellen und Steinbecken, der alte Waschplatz . . . hinter den Quellen tun zwei Schlangen auf einem Relief das, was Schlangen so machen ~ sie umschlingen sich 😉
Das Dorf selbst besteht aus Ruinen in sehr heruntergekommenem Zustand, überall wuchert Gestrüpp, kein Dach ist noch oben, alles heruntergebrochen . . .
Bevor ich mir das eine, bewohnbare Haus ansehen will, gehe ich aber hoch zur etwas außerhalb auf einem Hügel liegende Kirche, von der immerhin noch der Turm steht, etwas angenagt und ein großes Loch im Granitdach . . .
In der Kirche der Boden unter der Erde und Dreck mit Kieseln gepflastert, im Altarraum recht naive religiöse Gemälde . . . ob da wohl der Pfarrer selbst Hand angelegt hat?
Hinter der Kirche ein kleiner, grasüberwachsener Friedhof, eine handvoll Gräber, das jüngste von Anfang der sechziger Jahre, gußeiserne Kreuze, sogar ein offensichtlich von Hand mit Hammer und Meißel bearbeiteter Grabstein . . . wieso wurde dieses Dorf verlassen, was war hier los?
Auf dem Rückweg durchs Dorf, mitten im ‚Zentrum‘ das eine, fast fertig renovierte Haus, oben auf dem Balkon das T-Shirt mit einem Aufdruck: Janovas reversion ¡ya! Ich leg mir das so aus als Janovas (der Name des Dorfes) Wiedererstehung Jetzt!
Was mit diesem Dorf passiert ist, läßt sich hier im Funkloch nicht feststellen, auf dem Rückweg zum Bus mach ich mir so meine Gedanken, und mir fallen zwei Bauten auf, die hier in der Naturlandschaft fremd wirken: Ein riesengroßes Eingangstor vor der Brücke am Fluß, in das Wasser einströmen könnte in den Felsen, durch einen Tunnel, und fünfzig Meter unterhalb der Brücke ein gebogener Ausfluß, der das Wasser wieder in den Fluß leiten sollte . . .
Sollte hier einmal ein Stausee entstehen, für das dieses Dorf geräumt wurde? Ohne Internet läßt sich da leider nichts recherchieren, aber aus dem Funkloch entkommen bestätigt sich der Verdacht. Der Rio Ara sollte an der Stelle nach einem Plan aus den fünfziger Jahren aufgestaut werden, die Bewohner von Janovas wurden in der Franco-Zeit einfach enteignet. Wenn ich die sehr stolprige Google-Übersetztung des verlinkten Artikels richtig verstanden habe, gab es Widerstand, der mit ziemlich rabiaten Mitteln ~ Häuser wurden einfach gesprengt ~ gebrochen wurde. Noch jetzt, das Projekt wurde wegen für die Betreiberfirma unrentabler Auflagen zur Wasserversorgung nie verwirklicht, weigern sich die Betreibergesellschaft bzw der Staat, die ehemaligen Bewohner angemessen für die Zerstörung ihres Eigentums und die entgangene Nutzung zu entschädigen. Aber eine Gruppe von Leuten will das Dorf wohl wieder aufbauen, den Beweis konnte ich heute früh sehen. Samstag morgen. Ein kleiner Landrover und ein kleiner japanischer Geländewagen überqueren die Brücke, am Wochenende wird aum Aufbau des Dorfes gearbeitet. Viel Erfolg, viel Glück!
Ich selbst werde wohl morgen Spanien über die Pyrenäengrenze nach Frankreich verlassen, diesmal über einen Tunnel. Hier in der Gegend sind die Gipfel bis zu 3400 Meter hoch, da liegt noch Schnee und es ist kalt. Da freut sich der eine und der andere alte Herr, daß er nicht DURCH den Schnee muß 🙂
Kann sein, daß ihr ein paar Tage nichts von mir hört, in Frankreich muß zuerst wieder Internet organisiert werden, und ich muß mich an eine neue Sprache und neue Supermärkte gewöhnen . . .