direkt auf dem Montserrat ~ anstatt nur aus der Ferne zu schauen ~ wollte ich mir dann doch noch gönnen. Von meinem Übernachtungsplatz mit Sonnenaufgang sollten das laut Wanderbeschilderung knapp 9 Kilometer zum Kloster Montserrat sein. Zwei Stunden hin, zwei zurück, Top, die Watte quillt!
So um elf morgens losgelaufen, zuerst einmal auf einem Bergrücken zurück zu dem Ort, an dem ich am Tag vorher war, aber weit entfernt von der Autobahn und auch von kleineren Straßen. Sonnenschein, schön warm, Fleece bald ausgezogen und nur mit offener Jacke gelaufen. Trotzdem fallen an schattigen Plätzen große Eiskristalle auf . . . Real Feel ist momentan deutlich wärmer als die gemessene Temperatur.
Von Collbato gehts dann scharf rechts ab und rauf und dann immer an der Vegetationskante entlang auf einem wunderschönen schmalen Trampelpfad. Über dem Pfad fast senkrechte bis überhängende Felswände, nach rechts genauso steil abfallend mehrere hundert Meter runter bis zum Flüßchen. Da gibts auch eine Straße, aber die gibt sich meistens unsichtbar, weil zu nah am Steilhang.
Immer wieder in der Felswand fallen zum Teil sehr große ‚frische‘ Abbruchstellen auf . . . auf dem großen Bild rechts oben zum Beispiel unter dem überhängenden Teil mit Schlagschatten. Da fehlt ein Stückchen Fels von ca 30 Meter Höhe und einem Durchmesser von so 7 Metern. Wenn sowas runterpurzelt ins Tal sollte man besser nicht in der unmittelbaren Nähe sein! 😉 Aber was da so ‚frisch‘ im geologischen Zeitraum bedeutet, kann ich natürlich nicht beurteilen. Der Fels darunter unterscheidet sich jedenfalls farblich sehr von seiner Umgebung . . .
Das unscheinbare vertikale Bild ist ein 180°-Handypanorama von senkrecht nach unten bis senkrecht nach oben von einer dieser Felsspalten (und in der Spalte aufgenommen!), die den Montserrat aus der Ferne so spektakulär machen . . .
Solange der Pfad von der Sonne beschienen wird, ist die Wanderung schön angenehm warm bis schweißtreibend (der mit 4 1/2 Stunden um 1 1/2 Stunden zu kurz abgebrochene GPS-Track summiert die Höhenmeter auf 1558 😉 ), aber im Schatten finde ich jede Menge Hagelkörner ~ der Regen des gestrigen Abends scheint hier in festem Aggregatzustand niedergegangen zu sein, und hält sich auch so bis in den späten Nachmittag!
Als ich eine gute Stunde hinter dem Zeitplan herhinkend die nähere Umgebung des Klosters erreiche, verschlägt es mir nicht nur den Atem! Zum Glück bin ich nicht wegen dem Kloster hier heraufgestiegen; mit der katholischen Religiösität kann ich ja eh nichts anfangen. Und die Bilder auf Wikipedia waren auch nicht sooo prickelnd. Aber das schlägt dem Faß dann doch den Deckel mitten ins Gesicht . . . das letzte Stück des Pfades führt auf einem Passionsweg mit Devotionalien, die den Nicht-Katholiken im kühlen Schatten in den Angstschweiß treiben (die gesammelten zwölf Apostel, die eine verklärte Muttergottes anhimmeln ~ der Himmel über der Szene goldplattiert, das Ganze mindestens fünf Meter breit und hoch ~ als noch harmloses Beispiel) in Richtung auf das Kloster, immer noch hoch droben liegend. Ein in seiner Häßlichkeit nur von dem danebenliegenden Restaurantkomplex und der Verbindung dazwischen, mit Stahlträgern in die Felswand genagelt, übertroffenes Stück architektonische Verschandelung der eindrucksvollen Landschaft! Brrr!!! Und alle paar Meter hängt INRI von Dornen gequält am Kreuz . . . in dieser konzentrierten Agglomeration ist mir die Symbolik von Folter und Schuld einfach zu viel, und da ich für das Erforschen des Klosters eh zu spät dran bin, wenn ich nicht in der Dunkelheit zurücklaufen will, drehe ich um und flüchte . . .
. . . und werde belohnt mit dem Anblick meines ersten Steinbocks in freier Wildbahn. Was der für ein Gehörn mit sich rumträgt, wow! Schnell die Kamera aus dem Rucksack und ein Bild geschossen . . . näher ran mit Tele? Denkste! Bis das Objektiv gewechselt ist macht das Tier einen Satz und verschwindet im Gebüsch ~ und ward nicht mehr gesehen 🙁 😉
Bevor ich nach sechs Stunden plattgebügelt und steif wieder am Bus ankomme, mache ich noch Aufnahmen von der alten Kalkbrennerei auf dem Weg. Drei riesige, runde Ofenschächte, oben offen, der Rand kürzlich von Gestrüpp befreit, damit da niemand unabsichtlich die fünf Meter runterfällt. Zaun gibts keinen, absichtlich geht also! 😉
Der gebrannte Kalk wurde zur Herstellung von Kalkfarbe (weißeln!), Mörtel und zur Verbesserung von sauren Böden in der Landwirtschaft bebraucht. Wer was darüber lernen will, kann zum Beispiel diesen Links folgen:
Wikipedia über Kalköfen
geomontanus.com über Kalkindustrie (historisch)
Gerold Ullrich, der einen Kalkofen selbst gebaut hat