und dann noch das Grundgesetz . . .

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ~ Bundeszentrale für politische Bildung
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ~ Bundeszentrale für politische Bildung

Schon öfter habe ich in diesem Blog Zweifel angemeldet, ob die Menschen das Grundgesetz der Bundesrepublik überhaupt gelesen haben, die den medialen Prügel der Verfassungsfeindlichkeit gegen den politischen Gegner schwingen ~ unseren Verfassungsschutz, der die rechte Szene über ein V-Leute-Programm mit hunderttausenden €uronen gesponsert, überhaupt erst aufgebaut hat, inclusive. Und nun reiht sich unsere ‚Verteidigungs‘-Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, ehemals Parteichefin und Kanzlerkandidatin in die Kritik ein, dass in Meck-Pomm Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin gewählt wurde (mit Stimmen der dortigen CDU), die Mitglied in der „Antikapitalistischen Linken“ ist, einer Fraktion der Linken, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil sie unser ‚System‘ verändern will! Na sowas aber auch!
In die andere Richtung hat die Union aber keine Bedenken, sie hat mit Stephan Harbarth einen Mann als Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt, der die Urteile nach dem Paragrafen 175, der Schwule strafrechtlich verfolgte und deren Existenzen vernichtet hat, nicht für Unrechtsurteile hält. Weil das Bundesverfassungsgericht 1957 entschied, dass §175 dem Grundgesetz entspricht. Das erinnert fatal an den Spruch von Hans Filbinger: ‚Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!“ ~ Das Urteil damals kann allenfalls ein Beleg dafür sein, dass auch das Verfassungsgericht nicht unfehlbar ist.

Wer unser Grundgesetz tatsächlich liest, dem fällt aber auf, dass darin das Wort Kapitalismus oder auch nur Kapital überhaupt nicht vorkommt. Es beschäftigt sich primär mit Rechten der Bürger dem Staat gegenüber, eine direkte Folge der gerade erst überwundenen Nazi-Diktatur, nach der dieses Werk entstanden ist. Menschenwürde, Menschenrechte, Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte, persönliche Freiheitsrechte, Gleichheit vor dem Gesetzl, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft, Ehe – Familie – Kinder, Schulwesen, Versammlungsfreiheit, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Freizügigkeit, Berufsfreiheit garantieren in den ersten elf Artikeln die Rechte der Bürger vor dem Staat, erst im zwölften Artikel wird über militärische und zivile Dienstpflichten der Bürger für den Staat gesprochen und das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes festgezurrt. Danach in Artikel 13 die Unverletzlichkeit der Wohnung, erst in Artikel 14 geht es um Eigentum, Erbrecht und Enteignung. Diesen und den darauf folgenden Artikel 15 über Vergesellschaftung zitiere ich hier im Wortlaut, Stand März 2019:

Artikel 14
[Eigentum – Erbrecht – Enteignung]
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor ordentlichen Gerichten offen.

Artikel 15
[Vergesellschaftung]
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 und 4 entsprechend.

Das ist alles, was im Grundgesetz über Eigentum, damit über Kapital, und auch über Produktionsmittel gesagt wird. Es wird KEINE Wirtschaftsform (und schon gar nicht die des Kapitalismus) vorbestimmt, im Gegenteil wird weder Enteignung noch Vergesellschaftung ausgeschlossen, nur eine gerechte Entschädigung vorausgesetzt. In unserem Grundgesetz wird nirgends das Recht von Investoren (die früher treffend Kapitalisten genannt wurden) auf eine Rendite garantiert, auch nicht die von Aktionären auf eine Dividende. Das Grundgesetz thematisiert die Rechte der Bürger des Staates, nicht die Rechte des Kapials!

Artikel 20
[Verfasssungsgrundsätze – Widerstandsrecht]
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Alle Macht geht vom Volke aus . . . eine schöne Vorstellung! Real sieht es leider so aus, dass die Lobbyisten der großen Konzerne im Kanzleramt ein- und ausgehen, als eingebettete Interessenvertreter sogar die Gesetze im Sinne ihrer Auftraggeber aus Industrie und Finanzwirtschaft vorformulieren, die dann nur noch vom Parlament abgenickt werden sollen. Spätestens seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat ‚die Wirtschaft‘ diese ‚Zusammenarbeit‘ immer weiter ausgebaut, im Rahmen der neoliberalen Ideologie (die Wirtschaft kann alles besser und billiger als der träge Staat!) wurden vorher gut und qualitativ hochwertig funktionierende Betriebe der öffentlichen Hand (Wasser, Abwasser, Energieversorgung, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Universitäten) privatisiert. Gewinnträchtige Geschäftsbereiche wurden gerne bewirtschaftet, der Rest abgespalten, ging vor die Hunde. Vorsorge für Infrastruktur wurde vernachlässigt. Billiger wurde für den Bürger nichts, nur die Löhne wurden gedrückt, so weit es nur ging. Während den Lohnabhängigen mehr Leistung bei insgesamt meist sinkendem Realeinkommen abverlangt wurde, wurde die Leistung der ehemals in der öffentlichen Hand liegenden Institutionen eher schlechter.

Obwohl die Mähr der privaten Wirtschaft, die alles besser und billiger kann als die öffentliche Hand, schon lange durch mehrere Krisen widerlegt ist, steckt die Überzeugung immer noch in der DNA des politischen Bewußtseins unserer Berufspolitiker und wird weiter durchgezogen. Obwohl Banken sich verzockt haben und eine weltweite Wirtschaftskrise verursacht haben ~ die wurden vom Staat gerettet und machen weiter wie zuvor. Die Lufthansa wird wohl mit insgesamt 9 Milliarden €uro gerettet werden, ohne Umweltauflagen, die zumindest in Frankreich zum Paket für Air France / KLM gehören (Air France bekommt ’nur‘ 7 Milliarden, darf künftig keine Verbindungen mehr anbieten, die auch in bis zu zweieinhalb Stunden mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV überbrückt werden können. Außerdem soll bis 2030 der CO2-Ausstoß pro Personenkilometer halbiert werden. Auf Kurzstrecken sogar schon bis 2024). Bei uns wird Mitspracherecht für den Staat im Gegenzug für das großzügige Hilfspaket nicht gefordert, im Gegenteil: das Primat des wirtschaftlichen Verstands wird betont, obwohl die Lufthansa schon vor der Corona-Krise fast die Hälfte ihres Aktienwerts verloren hatte. Na denn! Alleine Addidas soll 3 Milliarden €uronen Hilfe bekommen. Obwohl die Automobilindustrie die Entwicklung zum CO²-armen Auto verschlafen hat, stattdessen nur durch Betrug (am Kunden und der Umwelt) ihr altes Geschäftsmodell weiterführen konnte, soll sie jetzt ~ wieder, schon wieder! ~ durch Unterstützung vom Staat, ihre Dreckschleudern mit der alten Technik losschlagen können, Corona sei Dank! Dabei hat diese Industrie in den letzten Jahrzehnten satte Gewinne gemacht, alleine BMW will eine Dividende von 1,6 Milliarden Euro ausschütten. Rund die Hälfte davon, 800 Millionen Euro, gehen an die beiden Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt. 800 Millionen für zwei Personen! Bei VW lag der Aktienkurs 2010 bei etwa 58 Euro. 2020 steht der Aktienkurs der VW-Aktie bei etwa 134 Euro. Da aber jetzt durch Corona der Absatz eingebrochen ist, soll der Staat mit einer Kaufprämie nachhelfen, dass die Umsätze wieder sprudeln. Die Aktionäre dürfen kassieren, wollen aber nicht in der Krise für ihr Unternehmen einstehen. Die Wirtschaft kann alles besser?

Und was wird für den Bürger getan? Wenig bis nichts. Kurzarbeitergeld? Das ist aber eine Leistung für die Arbeitgeber, finanziert aus den Sozialkassen.LoL! Überbrückungshilfe für Soloselbständige? Nur für Betriebsausgaben, nicht für Wohnung und Lebenserhalt. Wenn der Betrieb sozusagen nur aus dem Betriebsinhaber besteht, ist dessen Erhalt anscheinend nicht nötig. Initiativen sogar für ein nur vorübergehendes bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) werden von der Politik so gut wie ignoriert, eine Petition an den Bundestag hat das Quorum weit übersprungen ~ und liegt auf der Wartebank. Ist ja nicht sooo dringend! Hauptsache, die Umverteilung von unten nach oben läuft weiter!

Trotzdem ist ein großer Teil der Bundesbürger nach ZDF-Politbarometer mit den staatlichen Hilfen für die Wirtschaft einverstanden. Eine Mehrheit der Befragten (59 Prozent) findet die Unterstützung der Bundesregierung für Unternehmen und Betriebe gerade richtig, 22 Prozent meinen, dafür werde zu wenig und nur 9 Prozent, dass da zu viel getan wird. Über 80 Prozent Zustimmung sprechen für die Wirksamkeit einer jahrzehntelangen Propaganda mit dem Inhalt, dass für ‚die Menschen‘ gut ist, was für die Wirtschaft gut ist. Sogar dann, wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer größer werden.

Propaganda? Schon wieder eine Verschwörungstheorie? Nixda, nur Interessen. Auch die Medien sind hochkonzentrierte Konzerne, nur eine Hand voll dominieren TV und Print. Die ‚freien‘ Medien sind Wirtschaftsunternehmen, die für Profit arbeiten. Aufklärung, Bürgerinformation stehen da erst weit dahinter . . . und einige, wie zum Beispiel die Bertelsmannstiftung, greifen als sogenannte Thinktanks sehr intensiv in die Politik ein. Fordern zum Beispiel die Einsparung von Kliniken, denn im Gesundheitswesen soll Geld gespart werden. Corona läßt grüßen!

Corona zum Dritten . . .

Nun hab ich mich ein wenig schlau(er) gemacht, was diese von den Politikern so dahergewünschte Handyapp betrifft. Was gar nicht so einfach ist, denn vernünftige Informationen über diese spezielle App sind noch nicht einmal in den auf Technik spezialisierten Medien zu finden. Und als Warnung im Voraus: es wird ein wenig technisch, aber ich bemühe mich darum, verständlich zu bleiben.

Die Idee dahinter ist, dass inzwischen die meisten Leut ein Smartphone spazieren tragen, das über Bluetooth Kontakt mit anderen Geräten aufnehmen kann, und zwar in der Variante LE (für Low Energy, was für einen niedrigen Stromverbrauch sorgen soll). Wenn ein Handy also einem anderen Handy so nahe kommt, dass der Mensch (und nicht das Handy, man sollte das tunlichst nicht verwechseln) sich anstecken könnte, tauschen die Geräte Daten aus und speichern sie jeweils auf den Geräten. Dann soll im Fall eines positiven Tests der positiv Getestete eine Nachricht an die im Zeitraum des Infektionsrisikos Getroffenen schicken können/sollen/müssen, damit die sich vorsichtshalber testen lassen können/sollen/müssen und sich in Quarantäne begeben ~ können oder sollen oder müssen?

Soweit also die Idee, was sagt die Technik dazu?

Bluetooth LE ist eine Kurzstreckenfunktechnik mit einer Reichweite von 10 bis 30 Metern. Distanzmessung ist prinzipiell in gewissen Grenzen möglich und wird auch schon länger für gewisse meist industrielle Zwecke verwendet. Zum Beispiel können Einkaufskörbe mit einem Bluetooth-Empfänger ausgestattet werden. Wenn sich der Korb zu weit von einem Sender wegbewegt, werden die Räder blockiert. Die Distanzmessung erfolgt dabei in der Regel über die Signalstärke, definiert über vier Kategorien Unknown (unbekannt), Immediate (bis 50 cm), Near (bis 2 m) oder Far (bis 30 m). Die Genauigkeit liegt dabei zwischen einem und drei Metern. Schon die Reichweitenspezifikation zwischen 10 und 30 Metern legt ja nahe, dass es da durchaus Schwankungen geben kann. Schon der menschliche Körper, der ja zum großen Teil aus Wasser besteht, schluckt die Handystrahlen und dämpft das Signal und minimiert die Signalstärke. Und die Empfangsfähigkeiten der unterschiedlichen Handys werden auch nicht alle dieselben sein.

Die neue Bluetooth-Version 5.1 könnte die Messung verbessern, weil sie auch die Richtung feststellen kann, aus der das Signal kommt und so genauere Daten liefert. Nur ist diese Version nur auf den neuesten Handys implementiert, in meinem z.B. nicht. Auf die proklamierten (freiwilligen?) 60% Teilnehmer der Bevölkerung kommt man damit ganz sicher nicht.

Dazu kommt noch, daß in den bis jetzt realisierten Anwendungen zumindest einer der kommunizierenden Geräte fest installiert ist, wie zum Beispiel der Sender (Beacon, Funkfeuer) an der Tür des Supermarkts, der die Einkaufskörbe anfunkt. In Produktions- bzw Logistikumgebungen werden viele Beacons installiert, um jederzeit den Standort z.B. von Werkzeugen, Material oder Menschen feststellen zu können. Dann sind durch Triangulationn von mehreren Beacons serverbasiert auch genauere Messungen bis in den Zentimeterbereich möglich.

Im vorgesehenen Szenario fungiert jedes Handy als Beacon, die Standorte sind jeweils flexibel und nicht definiert, man wird sich also auf eine relativ ungenaue Messung verlassen müssen. Wenn wir den Status ‚Near‘ als kritisch definieren, also bis zwei Metern, dazu eine Unsicherheit von einem bis drei Metern berücksichtigen, dann wird es mehr falsch-positive als richtige Alarme geben. Welche Konsequenzen soll das für die Betroffenen haben? Alle testen und in Quarantäne stecken, weil auch ein negativer Test nicht unbedingt Sicherheit bringt? Wie viele Betroffene wird es im relevanten Zeitraum von sagen wir einmal 14 Tagen geben? Und mit wie vielen hatten die dann Kontakt? Das multipliziert sich ~ ein Fass ohne Boden.

Zudem ist Bluetooth nicht unbedingt als sicherste Funktechnik berühmt. Und für diese App muss jedes Gerät so eingestellt sein, dass es für alle anderen Geräte sichtbar und offen ist. Normalerweise stellt man sein Handy aber aus gutem Grund so ein, dass es nur mit den schon gekoppelten (am besten PIN-gesicherten) Geräten Verbindung aufnimmt und ansonsten unsichtbar ist. Bei Nicht-Gebrauch bleibt Bluetooth aus Sicherheitsgründen besser ausgeschaltet. Freilich ist es so, dass ausgerechnet die Politiker und Funktionsträger, die für unsere Sicherheit verantwortlich sind, auch dafür bekannt sind, dass sie am liebsten Vollzugriff auf alle unsere Geräte hätten . . .

Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) hat eine (an sich in der DSGVO §35 vorgeschriebene) Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für eine Corona-App erstellt und bemerkt, dass keine der bis jetzt diskutierten Apps wirklich die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

Zitate:

Punkt1: „Die in den Diskussionen vielfach betonte Freiwilligkeit der App-Nutzung ist eine Illusion. Es ist vorstellbar und wird auch bereits diskutiert, dass die Nutzung der App als Voraussetzung für die individuelle Lockerung der Ausgangsbeschränkungen gelten könnte. Das Vorzeigen der App könnte als Zugangsbarriere zu öffentlichen oder privaten Gebäuden, Räumen oder Veranstaltungen dienen. Denkbar ist, dass Arbeitgeberïnnen solche Praktiken schnell adaptieren, weil sie mittels freiwillig umgesetzter Schutzmaßnahmen schneller ihre Betriebe wieder öffnen dürfen. Dieses Szenario bedeutet eine implizite Nötigung zur Nutzung der App . . . “

Punkt2: Ohne Intervenierbarkeit und enge Zweckbindung ist der Grundrechtsschutz gefährdet. So besteht ein hohes Risiko fälschlich registrierter Expositionsereignisse (falsch positiv), die zu unrecht auferlegte Selbst-Isolation oder Quarantäne zur Folge haben (zum Beispiel Kontaktmessung durch die Wand zwischen zwei Wohnungen). Um dem zu begegnen, bedarf es rechtlicher und faktischer Möglichkeiten zur effektiven Einflussnahme, etwa das Zurückrufen falscher Infektionsmeldungen, die Löschung falsch registrierter Kontaktereignisse zu einer infizierten Person und das Anfechten von infolge der Datenverarbeitung auferlegter Beschränkungen. Eine solche Möglichkeit sieht bisher keines der vorgeschlagenen Systeme vor. „Beim Datenschutz geht es genauso wenig um den Schutz von Daten, wie es beim Sonnenschutz um den Schutz der Sonne geht oder beim Katastrophenschutz um den Schutz von Katastrophen.“ spitzt Jörg Pohle vom FIfF zu.

Und so weiter, und so fort . . .

So weit, so gut. Oder schlecht.

Misstrauisch macht mich auch die Erfahrung, dass diese Techniken in aller Regel Begehrlichkeiten bei den jeweiligen staatlichen Stellen erwecken und einmal gezogene rechtliche Sicherheitszäune geschleift werden. Dann werden Verfahren wie die Analyse von Handydaten mittels IMSI-Catchern oder Daten von Mautstationen nicht nur wie ursprünglich angekündigt für schwere Verbrechen, Terror und Verschwörungen gegen das Grundgesetz verwendet, sondern mutieren zum Allerwelts-Verfahren von Demonstrationen bis hin zum kleineren Diebstahl.

Diese Corona-Krise ist seit dem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes an den Bundestag von 2012/13 an für die Politik vorhersehbar gewesen. Man hätte sich gesetzgeberisch vorbereiten können, um vernünftige Maßnahmen und Regeln im Ernstfall in der Schublade zu haben, und materiell (Schutzkleidung, Masken, Intensivmedizin) hätte man vorsorgen können. Das ist nicht geschehen. Stattdessen werden auf dem Verwaltungsweg Grundrechte eingeschränkt, und zwar nach Gusto bis auf die Gemeindeebene herunter, wo dann die Gemeindevorsteher ihren Ermessensspielraum auch zum Ausleben ihrer eigenen Vorurteile ausnutzen können. Was ist ein zu sperrender öffentlicher Ort? Ein ganzer Baggersee, wo tausende Menschen im Abstand von zwei Metern Platz hätten? Ein Aussichtspumkt auf einem Berg mitten in der Pampa? Wo dann ein einzelner alleiniger Wanderer auf einem Platz von geschätzt 300 m² von den Ordnungshütern angemault wird, weil da ja auch andere Menschen kommen könnten?!

Überhaupt fühlen sich anscheinend ein gewisser Teil der Ordnungshüter dazu berechtigt, ihre Antipathien auszuleben. Neulich stand ich auf einem Park&Ride Parkplatz, weil ich eine Freundin zu einem distanzierten Spaziergang treffen und mit dem Fahrrad durch die Stadt zum Treffpunkt radeln wollte. Ich war kaum angekommen, da hält ein Polizeiwagen an und ein Beamter meint, ich dürfe da mit dem alten Herrn Magirus nicht stehen, da der Platz nur für PKW vorgesehen wäre. Mein Hinweis darauf, dass der alte Herr noch nie etwas anderes als Personen transportiert hätte und auf die fünf anderen Nicht-PKW, drei Sprinterklasse-Lieferwagen, ein Sprinterklasse-Bus und ein Wohnmobil, war fruchtlos. Ich musste wegfahren, die anderen wurden nicht beanstandet. Und das, obwohl in einem der Lieferwagen ganz offensichtlich der Fahrer für eine Pause auf dem Fahrersitz saß. Aber darum geht es schließlich nicht. Es geht um die alte Aversion gegen das fahrende Volk. Es geht um Kontrolle. Das tausendjährige Reich lässt grüßen!

Artikel 11GG: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet

Artikel 2GG: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit . . .

Artikel 3GG: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Aber die einen sind eben gleicher, und die anderen weniger gleich. Machen kannst du im Ernstfall wenig bis nichts . . .

Schon deswegen ist Vorsicht angesagt im Umgang mit der Einschränkung von Grundrechten!

Corona zum zweiten ~ es ist nicht alles Gold, was glänzt . . .

ein goldener Sonnenuntergang am Rhein
ein goldener Sonnenuntergang am Rhein

Mir geht es, glaube ich, wie den meisten: Sowohl zu Corona selbst, als auch zu den Nachrichten darüber, als auch zur Politik, die gemacht wird, habe ich ein ausgesprochen gespaltenes Verhältnis. Aber es ist nun einmal so, dass wir alle damit konfrontiert sind, alle unser Leben darauf einrichten müssen. Die einen allerdings mehr als die anderen . . .

Die großen Entscheidungen in dieser ~ unvorhersehbaren? ~ Krise werden getroffen von Menschen, die ein regelmäßiges und durchaus auskömmliches Einkommen aus unserem Staatsäckel überwiesen bekommen, Monat für Monat. Die leben in der Regel in einem großen, alleinstehenden Haus mit noch größerem Garten, da fühlt sich Zu-Hause-bleiben-müssen ganz anders an als in einer kleinen Einzimmer-Kellerwohnung. Ganz ab davon die Menschen, die ~ in den letzten Jahren immer mehr ~ gar kein Zuhause mehr haben, die auf der Straße leben. Was soll mit denen geschehen? Alle in eine Auffangstation bringen, damit sie sich gegenseitig anstecken können? An diese Menschen dachte in der großen Politik noch keiner, in dieser Krise auch niemand, zumindest von den Entscheidungsträgern. Unsere Abgeordneten gehören schließlich zum allergrößten Teil einer Gruppe von Berufen an, die man sitzend indoor ausüben kann, auch vom Homeoffice aus (weswegen da und in den Medien auch so viel davon die Rede ist). Arbeiter gibt es im Bundestag nicht mehr, es sei denn, sie verstecken sich in der Rubrik Sonstiges. Ein Problem unserer Demokratie ist, dass unsere Volksvertreter zu immer größerem Anteil aus einer absoluten Oberschicht kommen, so auch denken und Entscheidungen treffen. Und wer wie Gerhard Schröder aus einer armen Arbeiterfamilie kommt, wechselt offenbar liebend gerne ans andere Ende des sozialen und finanziellen Thermometers.

Nun sind wir hier, will heißen in Baden-Würthenberg, noch vergleichsweise gut dran. Wir dürfen unsere Wohnung verlassen, ohne uns erklären zu müssen, sofern wir uns nicht zu mehr als zu zweien treffen und einen Abstand von anderthalb Metern einhalten. Für Familien gibt es eine Ausnahme, die Polizei schwärmt aus, um offensichtliches Fehlverhalten anzumahnen. Öffentliche Plätze sind tabu, wobei die Definition eines öffentlichen Platzes der Definition der Gemeindeführer überlassen ist, was nicht immer ganz sinnig erscheint ~ ich bin als alleiniger einsamer Besucher eines Aussichtspunktes im Kaiserstuhl von der Polizei ermahnt worden. Auf einem Schild stand Campingplatz gesperrt, wobei die Gemeinde das nie als Campingplatz gestattet hatte, und ich zu Fuß auf einem Wanderweg unterwegs war . . .

Trotzdem gibt es Einschränkungen auch für mich, der ich in meinen rollenden fünfzehn Quadratmeter unterwegs bin, Wohnraum, Home-Office und im Notfall gegebenenfalls auch Quarantänestation. Wohnmobilstellplätze und damit auch Ver- und Entsorgestationen für Wasser, Abwasser und Toilette sind gesperrt. Waschsalon geschlossen. Große Vorräte an Lebensmitteln oder Toilettenpapier (HarrHarrHarr! 🙂 ) kann ich nicht anlegen. Das alles erfordert erweitertes Management. Nicht nur, daß auch an die Bedürfnisse der in den letzten Jahren immer größeren Gemeinde der mobil Wohnenden niemand gedacht hat, schnappen in dieser Situation wieder die Ressentiments gegenüber dem ‚fahrenden Volk‘ auf, und der eine oder andere Ordnungshüter fühlt sich ermutigt, einen mir gegenüber nie genau spezifizierten Paragraphen aus dem Sack springen zu lassen, nach dem ich nur eine einzige Nacht in meinem Fahrzeug verbringen dürfte, und auch nur zur Wiederherstellung meiner Fahrtüchtigkeit, und schon gar nicht in meiner Heimatstadt! Böse Welt! Als ob es den Artikel 11 unseres Grundgesetzes nicht gäbe, der die Freizügigkeit garantiert: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Kein Zeitlimmit, Ausnahmen nur in durch Gesetze festgelegten Fällen, die normalerweise nicht zutreffen. Und in Artikel 3 Satz 1: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Das Problem ist nur, dass einige Gesetze aus Kaiserzeit und dem unseligen Tausendjährigen Reich nie an das Grundgesetz angepasst worden sind und immer noch Bestand haben. 🙁

Aber lassen wir einmal die Befindlichkeiten dieser doch recht speziellen Menschengruppe, zu der ich gehöre. Lassen wir es mit der Erkenntnis bewenden, daß ein Aufenthalt im Freien mit genügend Platz um sich herum die Möglichkeit bietet, sich in gehörigem Abstand zueinander zu bewegen und damit die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Obwohl mir gestern im völlig überlaufenen Kaiserstuhl manchmal Bedenken gekommen sind. Ich hoffe, daß das Virus sich nicht in so weiten Wolken verbreitet wie das Parfüm der einen oder anderen Dame, die mir auf meinen Spaziergängen begegnet sind 🙂 Ansonsten ist das menschliche Zusammenleben per Verordnung und deren Interpretation an die Gefahr angepasst worden. Man darf die meisten Supermärkte nur noch mit Einkaufswagen betreten, auch wenn man nur ein Päckchen Tomaten kaufen will ~ um Abstand zu garantieren. Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Wenn zwei Damen mit Einkaufswagen, eine links und eine rechts im Gang, die Gelegenheit ergreifen, ein ausführliches Schwätzchen zu halten, kann man entweder ein halbes Stündchen Wartezeit einlegen, oder man wischt mal so eben dazwischen durch 🙁 Mund-Nasenmasken sind immer noch ein seltener Anblick, und zugegeben: mein Schlauchtuch fühlt sich auch nicht besonders bequem an, dazu das garantierte Unverständnis. Ich bin froh, wenn ich es beim Verlassen des Marktes wieder entfernen kann. Aber was tut man nicht alles für seine Mitmenschen . . .

Wenn man die Deutschen Medien betrachtet, dann bewundert die ganze Welt den Umgang der Deutschen Regierung mit der Pandemie, grundsätzliche Kritik ist wenn überhaupt eher zurückhaltend. Naja, aber der österreichische Standart und die Neue Züricher Zeitung haben ein Thema aufgebracht, das in Deutschland nur auf ganz, ganz kleiner Flamme gekocht wird. Die Bundesdrucksache 17/12051 des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung (von 2012, veröffentlicht 2013) ist eine Risikoanalyse für den Bevölkerungsschutz und beschreibt ab S. 57 das Szenario eines „außergewöhnlichen Seuchengeschehens“. Die schützenswerten Güter werden kategorisiert und nacheinander aufgeführt: Mensch, Umwelt, Volkswirtschaft und sog. immaterielle Güter (dazu zählen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, politische Auswirkungen, psychologische Auswirkungen und die Schädigung von Kulturgut). Das Dokument beschreibt anhand eines provisorisch Modi-SARS genannten Virus (Zitat:) „solche Gefahren und Ereignisse, die eine potentielle Bundesrelevanz haben, das heißt bei deren Bewältigung der Bund in besonderer Weise im Rahmen seiner (grund-)gesetzlichen Verantwortung gefordert sein kann.“ Die Parameter des Rechenmodells unterscheiden sich etwas von denen der aktuellen Pandemie (soweit die Parameter überhaupt statistisch schon sicher erfassbar sind), aber was da geschieht, ähnelt verteufelt dem, was wir in den letzten Wochen beobachten konnten. Die Regierung hält den Ball flach, aus gutem Grund: nach der Modellrechnung verläuft die Pandemie über drei Phasen fast drei Jahre.
Don’t panik! Don’t panik! Don’t panik!
Und deutsche Medien schweigen überwiegend. Denn was passiert, wenn man den Leuten zuruft, sie sollten nicht in Panik verfallen? Geeenau!

Aber man könnte stattdessen wenigstens die Frage stellen, wieso der Bundestag in den Jahren seit spätestens 2013 nicht dazu in der Lage war, konkrete Vorsorgemaßnahmen in Gesetze zu gießen, um im Ernstfall schon einmal zu wissen, wie man vorgehen sollte. Und dafür Sorge zu tragen, genügend Schutzmaterial, vor allem für das medizinische Personal, aber auch die einfachen Masken für die Bevölkerung zu bevorraten. Chance verpasst, verantwortlich: keiner! (zugeben muss man allerdings, dass ausführlich gelästert wurde, als massenhaft Tamiflu gehortet wurde . . .)

Jetzt versprechen sich alle das Heil von einer Handy-App, die die Zurückverfolgung von Infektionsketten und damit die Isolierung von Virenträgern vereinfachen soll. Ich hab mir die Berichte darüber angeschaut, es fällt ja in mein berufliches Feld als (allerdings nicht allwissenden) Telekommunikationsfachmann. Die App soll mittels Bluetooth Low Energy mit anderen Smartphones in der Nahzohne Kontakt aufnehmen, die Begegnungen sollen nur auf den Handys gespeichert werden und im Fall einer Infektion die Betroffenen benachrichtigt werden. Nur hat Bluetooth LE eine Reichweite von immerhin zehn Metern. Preisfrage: wie viele Handys passen mit Sicherheitsabstand von anderthalb Metern in einen Zehn-Meter-Kreis? Aus Sicherheitsgründen muß zur Kontaktaufnahme eine fünfstellige PIN bestätigt werden. Sollen die Leut ihre Köpfe zusammenstecken, damit sie sich auch bestimmt anstecken? Oder soll auf eine Standart-PIN zurückgegriffen werden wie bei Mäusen, damit auch alle im Zehn-Meter-Kreis gespeichert werden, womit in wenigen Tagen ein paar Tausend Verdachtsfälle zusammengesammelt werden? Mir (als Nicht-Allwissender) ist zumindest keine Möglichkeit bekannt, die Distanz von zwei Smartphones über Bluetooth halbwegs exakt zu messen. Fazit: auch wenn alles In ist, was mit Smartphone zu tun hat ~ daran glaub ich nicht! Das ist eine Augenauswischerei, der feuchte Traum einer einfachen Lösung.

Laßt uns alle Mund-Nasen-Masken tragen, wenn wir uns auf die Pelle rücken müssen. Das ist eine einfache und mitmenschliche Möglichkeit.

Noch eines zum Schluß ~ jede Menge Menschen geraten in dieser Krise über kurz oder lang (und es wird eher lang sein) in finanzielle Schwierigkeiten, ich übrigens auch. Denn alle meine Pläne wurden in den letzten Wochen über den Haufen geworfen. Einige meiner Leser werden sich noch daran erinnern, dass ich zur letzten Europawahl Engagement für ein Bedingungsloses Grundeinkommen veröffentlicht hatte. Wäre es nicht eine schöne Sache, wenn in dieser (und der nächsten und übernächsten, sie kommen bestimmt!) Krise ein Bedingungsloses Grundeinkommen all die Menschen absichern würde, die in ihrer beruflichen oder menschlichen Situation keine Rücklagen zu bilden imstande sind? Nicht nur Künstler (oder freischaffende Non-Profit-Photographen und Blogger), sondern auch all die, die auf Grund der neoliberalen Politik der letzten vierzig Jahre unten aus der Gesellschaft herausgefallen sind? Die technische Entwicklung wird in den nächsten Jahren noch viel mehr Menschen aus dem Wohlstand katapultieren, davon viele, die das bis jetzt nicht für möglich halten.

Eine sehr pfiffige Lösung die Wirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, läßt sich auf economy4mankind.org nachlesen. Das Projekt einer Steuerreform, die in ihrer Simplizität auch Friedrich Merz überzeugen müsste, weil es nur noch zwei Steuern gibt: eine Umsatzprovision, die im Gegensatz zur Umsatzsteuer nicht von den Unternehmen als durchlaufendem Posten verbucht werden kann, und eine Minderbeschäftigungssteuer, die von den Unternehmen bezahlt werden muss, die bei hohem Umsatz zu wenig Beschäftigte haben. Sie könnten dieser Steuer entgehen, indem sie für NULL Stunden Arbeitszeit das Grundeinkommen für entsprechend viele nötige Mitarbeiter (vom Jobcenter vermittelt) übernehmen, damit sie unter die Pflichtgrenze fallen. Und wieso sollten nur Aufsichträte und Berater, ehemalige Politiker ohne oder mit wenig Gegenleistung ein Gehalt beziehen?

Das Konzept entbehrt nicht pfiffig intelligenter und provokanter Seitenhiebe, die die neoliberale Praxis umdrehen, zum Beispiel den Passus, daß niemand zu einem NULL-Stunden-Job bei einer Firma gezwungen werden kann ~ womit eine Firma, die Dinge tut, die weder vom ethischen noch vom demokratischen Standpunkt her akzeptabel wären, ganz schnell in die Insolvenz getrieben werden könnte 🙂

Nun gehe ich nicht davon aus, dass Herr Merz sich allzusehr vor dem Projekt economy4mankind fürchtet. Die Mächtigen (auch unsere Regierung, unser Parlament, unsere Parteien) dieser Welt werden schon dafür sorgen, daß alles so bleibt wie es ist, und Geld, Kapital, weiter von unten, von uns Vielen, zu den Wenigen ein Prozent oder Promille nach oben fließen. Denn das Andere, eine Ökonomie für die Menschheit, für die Vielen, das wäre ja Demokratie, oder?

Links:
economy 4 mankind Webseite des Projekts mit Erläuterung des Konzepts
Bundesdrucksache 17/12051
Statistik zur Berufszugehörigkeit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Nochmal vom Bundestag selber
Eliten ~ die wahre Parallelgesellschaft von Michael Hartmann, Soziologe und Elitenforscher
Telepolis ~ warum Frauenquoten nicht genug sind

Wir dürfen das ~ wir wollen nur spielen?!?

Achjaaah, saaach ich mal!
Die Bundeswehr soll neue Ausgehuniformen bekommen, wie die Welt schreibt. Schick und vor allem schneidig sollen die Bundeswehrsoldaten aussehen, dafür sollen namhafte Designer engagiert werden. Das wird Cem Özdemir und Tobias Lindner freuen, die sich so gerne in Nato-Camouflage zeigen. Keiner der beiden hat auf meine Email(s) zur Sache reagiert, man ist zu beschäftigt, Cem Özdemir will ja jetzt die Führung der Bundestagsfraktion der Grünen. Der Mann hat schließlich eine Mission!

Was gibt es sonst neues in der Truppe? Die Aufregungen um Neonazis in der Bundeswehr haben sich wieder gelegt, aber passiert ist nicht viel. Eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag hat einige Infos zu Tage gebracht: Ein Soldat am Bundeswehr-Standort Flensburg ließ sich fotografieren, wie er den Hitlergruß zeigt. „Der Beschuldigte hat danach das Foto per Whatsapp an einen Freund (kein Soldat) mit dem Kommentar ‚Sieg Heil‘ versendet“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Der Mann darf weiterhin ‚Dienst an der Waffe‘ ausüben. Kein Einzelfall: Es gibt 170 Verdachtsfälle mit 175 Tatverdächtigen. 82 Fälle stuft die Bundesregierung als „bestätigt“ ein, 52 als „nicht bestätigt“. Die übrigen 41 Fälle sind noch offen. Es gibt auch 28 Fälle aus dem Jahr 2018, in denen ein Verdacht bestätigt und der Zugang zu Waffen dennoch nicht unterbunden wurde. Dazu kommen 21 offene Fälle, in denen noch nicht entschieden wurde, ob die Vorwürfe zutreffen, und der Zugang zu Waffen weiter erlaubt blieb.

Der Militärische Abschirm Dienst MAD, der Geheimdienst der Bundeswehr, der gefährliche Extremisten aufspüren sollte, bearbeitet derzeit 428 „Verdachtsfälle mit Bezügen zum Rechtsextremismus“, 204 aus dem Jahr 2018. Nur in vier Fällen aus dem vergangenen Jahr kam der MAD zu dem Ergebnis, „dass es sich bei den Personen um Extremisten handelte“. Mehr Fälle, weniger Extremisten. Man hat da ganz offensichtlich andere interne Maßstäbe. Nicht nur der Verfassungsschutz scheint auf dem rechten Auge etwas blind zu sein. Infos z.B. aus dem Artikel hier.

Um einem Widerspruch gleich entgegen zu treten: Es mögen nicht viele sein, die in der Bundeswehr ultrarechte Einstellungen haben. Aber der interne Umgang damit zeigt ein massives systemisches Problem auf!

„Die Bundeswehr bildet Neonazis und Rassisten an der Waffe aus“, sagte die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. „Die wohlklingenden Beteuerungen, die Truppe habe mit Rechtsextremismus nichts zu tun, entpuppen sich allzu häufig als bloße Lippenbekenntnisse. Gleich dutzendfach leisten Ultrarechte in der Bundeswehr Dienst und kommen, wenn sie erwischt werden, mit harmlosen Verweisen davon.“

Na denn! Aber graduell ist unsere Bundesregierung doch besser, oder? Naja, dazu zwei andere Zahlen: Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Angestrebtes Volumen der deutschen Rüstungsexporte an Saudi-Arabien laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung im März 2018: Null €uro.
Tatsächliches Volumen der deutschen Rüstungsexporte an Saudi-Arabien zwischen März 2018 und März 2019: 254.577.437 €uro. Mehr als eine Viertel Milliarde €uro! Zur Erinnerung: Die Saudis sind dafür bekannt, extrem islamistische Positionen zu vertreten, auch mit Waffengewalt, zum Beispiel im Jemen, wo sie eigentlich nichts zu suchen haben, den sie aber regelmäßig bombardieren. Man massakriert auch schon mal kritische Journalisten in Botschaften und zersägt sie anschließend, damit man die Leiche besser beseitigen kann. Mit den Menschenrechten und der Gleichberechtigung der Frau meint man es auch nicht wirklich ernst. Aber Pecunia non olet, sagt der alte Lateiner, Geld stinkt nicht . . .

Und nochmal was zu den Kuscheleien unserer Regierung zu den Saudis. Unsere Bundespolizei will die Ausbildung des saudischen Grenzschutzes wieder aufnehmen, wie die Zeit berichtet. Die Saudis müssen halt ihre Grenzen sichern, ob sich ihre Bomben regelmäßig in den Jemen verirren ~ schnurz!

Und was gibt es Neues von der Presse, den Medien? Auf meine Kontaktversuche zur Süddeutschen Zeitung und Spiegel Online selbstverfreilich immer noch keine Antwort, aber ich bin ja geduldig und versuche es einfach nochmal, mit einem Verweis auf meine letzten Artikel in der Kategorie Polis-Angelegenheiten. Folgende Mails an die alten Verdächtigen:

Betreff: Meine Mails vom 25. August 2019
Dringlichkeitssizung des Sicherheitsrats am 22. August 2019, Ihre Berichterstattung.

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider ist in Ihrer Berichterstattung die Begründung für die von Russland und China einberufene Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nicht erwähnt worden.
Die schon installierten und geplanten Abschußanlagen MK-41 in Polen, Rumänien und Japan können auch offensive und sogar mit nuklearen Gefechtsköpfen bestückte Marschflugkörper wie etwa den Tomahawk verschießen. Bei einer Reichweite von bis zu 1.670 Kilometer fiel das System damit klar unter den INF-Vertrag. Lange vor der einseitigen Kündigung durch Trump!
Fragen an Sie, über die sie einmal nachts meditieren können:
Glauben Sie, daß die Verantwortlichen in Russland oder China bei einer Vorwarnzeit von wenigen Minuten (im einstelligen Bereich) abwarten werden, bis verifiziert ist, welcher Gefechtskopf auf einer gestarteten Rakete montiert ist, bevor sie welche Gegenmaßnahmen ergreifen?
Glauben Sie, daß russische und chinesische Sicherheitsbedenken so irrelevant sind, daß sie für politisch interessierte Menschen in Deutschland uninteressant sind und deshalb nicht erwähnt werden müssen?
Glauben Sie, daß sie selbst nicht von den Auswirkungen betroffen wären?
Mit freundlichen Grüßen!

Die Mutter aller Probleme, Morgenröte und Wege

vor Sonnenaufgang ~ Wölkchen zartrot beleuchet
vor Sonnenaufgang ~ Wölkchen zartrot beleuchet

Was ich jetzt schon lange vor mir hergeschoben habe in den letzten Wochen, wieder mal ein Artikel der Kategorie Polisangelegenheiten . . . die beschriebenen Ereignisse liegen zum Teil schon in einer längeren Vergangenheit, dem Ende zu zielt er aber in eine fernere Zukunft. Lest, und bleibt gespannt! 🙂

und auch ich bin ein besorgter Bürger . . .

Allerdings mache ich mir weniger Sorgen um irgendwelche Migranten, nicht einmal dann, wenn ein kleiner Prozentsatz unter ihnen kriminelles Verhalten zeigt. Dafür ist dann unsere Exekutive, Polizei und Rechtssprechung zuständig. Daß man einigen unter ihnen ihr verqueres Welt- und/oder Frauenbild abgewöhnen müßte, sollte durch verpflichtende Kurse in den Griff zu kriegen sein, denn die Spielregeln bei uns sind durch unser Grundgesetz und die allgemeinen Menschenrechte festgelegt, das ist lernbar, sollte man zumindest meinen . . .

An der Stelle sind allerdings Zweifel angebracht, wenn man so manche Äußerung von biodeutschen Politikern und hohen Beamten, die lieber Politiker wären, speziell aus dem Fachgebiet der inneren Sicherheit, hört. Mir fällt da der Name Seehofer ein, und bei einem Herrn Maaßen kommen mir sogar massive Zweifel, ob dieser (zum Glück!) Ex-Chef des Verfassungsschutzes jemals unser Grundgesetz gelesen hat.


Sollte Ihr Browser den Tweet nicht richtig darstellen, können Sie ihn hier in einem neuen Reiter ansehen.

Über den oben integrierten Twitter-Tweet gibt es einen schönen Spiegel-Artikel, ein gesammeltes Sünden-Register bei der Tagesschau, von der Affäre Kurnaz, wo er dafür gesorgt hat, daß ein unschuldiger in Deutschland gerborener und lebender Türke für Jahre im üblen US-Gefangenlager Guantanamo interniert blieb, über die verfassungsrechtlich unmögliche Bespitzelung von Journalisten von netzpolitik.org, das Etikettieren des Whisleblowerds Snowdon als Spion Russlands, Beratung für die AfD (Alte Naive für Deutschland!), damit die nicht durch seine Behörde beobachtet werden müsste, das Belügen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die Bezeichnung eines Videos, das Bedrohung und Jagd auf ausländisch aussehende Menschen zeigt, als ‚gezielte Falschinformation‘. All das zeigt überdeutlich, wo sich dieser Beamte, der Politik zu machen versucht, verortet. Ich selbst habe mich schon vor mehr als zwei Jahren einmal darüber geäußert, spare mir zu dieser Person also weitere Kommentare.

Wenn wie in Dresden zugereistes GesoX mit Hitlergrüßen und braunen Parolen ausländisch oder links aussehende Menschen bedrohen und hinter ihnen herlaufen (die wollen nur spielen?!?), und die zuständigen Innenminister von Land und Bund und der Verfassungsschutzpräsident der Meinung sind, daß es keinen Mob gegeben habe, dafür aber einen (zugegebenermaßen anonymen, weshalb wohl?) Poster eines dokumentierenden Videos der falschen Darstellung oder gar Fälschung beschuldigen, DANN mache ich mir Sorgen! Schlimm genug, daß kaum 70 Jahre nach Beendigung eines tausendjährigen Reiches Minderheiten wieder im öffentlichen Raum Sorgen um ihre Sicherheit haben müssen, wenn die entsprechenden exekutiven und politischen Organe den Feind nur auf der linken Seite suchen und den auf der rechten (das hat leider rein gar nichts mit Recht zu tun!) Seite verharmlosend schönreden, dann müssen sämtliche Alarmglocken läuten, dann müssten sogar die noch vorhandenen Luftschutzsirenen aus den Zeiten des kalten Krieges losgehen.

Daß ein offensichtlich nur lokalen Parteiinteressen sich verpflichtet fühlender Politiker zum Innenminister der Bundesrepublik aufsteigt, wird sich hoffentlich irgendwann von selbst erledigen. Die CSU dampft in ihrem panischen Landeswahlkampf gerade ihren Stimmenanteil selbst ein, indem sie die AfD mit dem Thema Migration rechts überholen will. Auch ein Herr Seehofer wird seinen Preis zahlen müssen, warten wir das ab. Seehofer wollte Maaßen unbedingt noch befördern, das hat zu Protesten geführt und ist dann storniert worden. Aber der Herr Maaßen wird tatsächlich im Innenministerium dem Herrn Seehofer zuarbeiten, und mir graut vor der politischen Agenda der beiden!

die Mutter aller Probleme? die Mutter aller Probleme!

Seehofer hat nach den Ausschreitungen von Chemnitz lange geschwiegen, um dann mit dem Spruch an die Öffentlichkeit zu treten, daß Migration ‚die Mutter aller Probleme‘ sei. Er reiht sich damit in die Reihe derer ein, die in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Probleme der Wirtschaftskrise den Juden in die Schuhe geschoben haben. Die dann den unter das Existenzminimum der Teilhabe am Wohlstand der Gesellschaft gedrückte Teil der Bevölkerung mit übler Propaganda gegen ‚die Juden‘ (sind an allem schuld!) gehetzt hat, bis hin zum Holocaust, während diese gleichen Hetzer sich mit Posten und Pöstchen bereichern konnten, und den großen Konzernen (z.B. IG Farben, Krupp) weiter das große Geld zustömte.

Nein, Herr Seehofer, die Mutter aller Probleme ist nicht die Migration, die Migration ist nur die Folge der Mutter aller Probleme, einer politischen Ideologie, die die Interessen der großen Wirtschaft über die Interessen der Menschen setzt. Die den Strom des Geldes von denen, die wenig haben, national von denen mit geringem Einkommen zu denen, die Millionen und Milliarden ihr Eigen nennen, global von den Ländern der ‚dritten Welt‘ zu denen der ‚ersten Welt‘ (siehe diesen Artikel unten, Linksammlung zur Afrikapolitik), immer weiter anfeuert. Ganz vorne mit dabei die USA und Europa, aufstrebend China und auch Russland.

Mindestens seit den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, hier in Europa mit Thatcher und Kohl, ist Politik im Auftrag der Wirtschaft nur noch damit beschäftigt, das Ellenbogenprinzip gegen das Solidaritätsprinzip durchzusetzen. Kapitalisten werden seither Investoren genannt, Sozialabbau wird als Reform schöngeredet, die Ausbeutung von Entwicklungsländern als Globalisierung. Als einziger ‚christlicher Wert‘ zählt noch der Shareholder Value. Keine Tagesschau ohne vorherigen Börsenspiegel, der klar und deutlich macht, was wirklich zählt in dieser schönen, neuen Welt: Geld, Geld, Geld! Nicht für die Vielen, sondern nur für die Wenigen, schon lange nicht mehr die oberen Zehntausend, sondern je nach Sichtweise die oberen zehn Prozent, das obere Prozent, oder gar das obere Promille.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten zehn Prozent fast 64 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland. Während die Zahl der Niedriglöhner steigt und der Reallohn des ’normalen‘ Arbeitnehmes stagniert bis fällt, ist alleine im lezten Jahr das Vermögen der 1000 reichsten Deutschen um 13% gestiegen. Sie besitzen zusammen 1,177 Billionen €uro. Die 44 reichsten Haushalte besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.

Die Politik tut nichts dagegen, viel dafür. Unter Kohl wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, die nach der Finanzkrise 2008 diskutierte Finanztransaktionssteuer hat sich in Wohlgefallen (der Finanzindustrie) aufgelöst. Spätestens seit Schröder mit Harz IV macht auch die SPD Politik für die wenigen Reichen, eine Frau Nahles läßt sich für einen Mindestlohn feiern, von dem auch bei Vollzeit keine Familie ernährt werden kann und die direkt in die Altersarmut führt. Ihr Vorgänger Müntefering knüppelte mit dem Satz ‚Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen‘. Und das in einer Situation, in der Arbeitsplätze in Billiglohnländer exportiert werden, bis nach Fernost, und immer mehr Arbeitsplätze durch Automatisierung (Industrie 4.0) verloren gehen.

Politik für die Vielen anstatt für die wenigen Reichen wird nicht mehr gemacht, DAS ist die Mutter aller Probleme, deswegen laufen die Abgehängten hinter irgendwelchen Populisten her. Die Migranten sind nur die Sündenböcke, die jetzt für das Versagen einer Politik geprügelt werden, gemacht von Politikern, die nur noch mit dem Schachern um irgendwelche Posten beschäftigt sind, die sich die Gesetze, die sie abnicken, von irgendwelchen Lobbyorganisationen schreiben lassen. Die (parlamentarische) Demokratie schafft sich ab, der Weg zur Diktatur des Kapitals wird freigemacht.

Upgrade am 31.10.2018 ~ gerade habe ich auf Telepolis ein lesenswertes Interview mit Hannes Hofbauer gelesen, der beleuchtet, wie von Unternehmerverbänden mehr Migration gefordert wird, um den Arbeitsmarkt unter Druck zu setzen. Zitat:“Die gewerkschaftsnahe Hans Böckler-Stiftung hat errechnet, dass die Löhne und Gehälter in Deutschland zwischen 1995 und 2004 um – preisbereinigt – 0,9 Prozent gesunken sind. Seit 1992 gab es (bis 2016) keine Reallohnerhöhung.“ Auf der anderen Seite werden durch sogenannte Freihandelsabkommen wirtschaftliche Strukturen in Entwicklungsländern zerstört, um für europäische Produkte Absatzmärkte zu schaffen, während deren Erzeugnisse auf dem europäischen Markt nicht konkurrenzfähig sind. Zitat: „In Ghana kamen beispielsweise vor dem Partnerschaftsabkommen 95 Prozent des Geflügels von heimischen Züchtern, nach Inkrafttreten des Abkommens waren es gerade einmal 11%. Es sind die Söhne (und Töchter) dieser Bauern, die keine Überlebensperspektive mehr in ihrer Heimat haben und sich über das Mittelmeer nach Europa aufmachen.“

Nach zwei Landtagswahlen, in denen die früher sogenannten Volksparteien jeweils mehr als zehn Prozent Stimmenanteil verloren haben, und das von inzwischen eh unterirdischem Niveau aus, und eine Partei, die nun wirklich entgegen ihrem Propagandanamen ganz und gar keine Alternative darstellt, bald in jedem Landtag vertreten ist, und auch die sogenannten Linken keine Visionen für eine Zukunft mehr präsentieren können, wundern sich die Großkopferten aller Parteien, wie der Wähler, dieses geheimnisvolle Wesen, sie nur sooo mißverstehen konnte. Sie wollten doch alle nur sein Bestes!

Wenn aber das Beste eben das Geld derer ist, die Monat für Monat malochen müssen, um das Geld für die Miete, Heizung, Strom und den Sprit für das Auto zusammenbekommen, das sie für den Arbeitsweg brauchen, während Politik nur noch für die wenigen Vermögenden gemacht wird, und die Vielen nur noch als bezahlendes Stimmvieh mißbraucht werden, denen mit vielen verschwurbelten leeren Worthülsen vorgemacht wird, daß sie als Souverän die Entscheidungen träfen, die die Nation oder gar die Union steuern; während allen aus Erfahrung immer klarer wird, daß politischer Einfluß vom (großen!) Geld abhängig ist, wundern sich unsere Politdarsteller, daß ihnen die Wähler davonlaufen.

Dabei sollten ihnen die Zusammenhänge schon klar sein, sonst würden im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nicht die peinlichen Teile mal eben unterschlagen, ich zitiere aus dem oben verlinkten Artikel der sächsichen Zeitung: „So fehlt inzwischen der Befund: ‚Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikänderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikänderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird‘. Ebenfalls gestrichen: Personen mit geringerem Einkommen verzichteten auf politische Partizipation, ‚weil sie die Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert‘. Getilgt wurde zudem der Passus, es bestehe ‚eine klare Schieflage in den politischen Entscheidungen zulasten der Armen‘ “.

Verückt ist, immmer wieder die selben Handlungsweisen zu wiederholen, und jedesmal zu erwarten, daß nun alles anders wird . . .

In welcher Welt wollen wir leben? Wie sollte eine Gesellschaft aufgestellt sein, in dem die Vielen in Würde leben können? Das Bundesverfassungsgericht hat am 9.2.2010 ein an sich richtungsweisendes Urteil gefällt, ich zitiere:

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. . . . Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber . . .

Art. 1 Abs. 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Art. 20 Abs. 1 GG: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Und trotzdem: Auch nach der Nachbesserung dürfen die Bezüge von HarzIV durch Sanktionen gekürzt werden, obwohl sie nur das Existenzminimum und soziale Teilhabe beinhalten. Nach wie vor werden HarzIV-Bezieher durch Jobcenter-Mitarbeiter Repressionen ausgesetzt, die schwerlich mit der Würde des Menschen vereinbar sind.

Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, unseres Grundgesetzes, an die Politik ist klar formuliert ~ stetige Aktualisierung durch den Gesetzgeber. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ein menschenwürdiges Existenzminimum und Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sind sicherzustellen.

In Zeiten, in denen Arbeit immer mehr von sich intelligent wähnenden Rechenmaschinen wegrationalisiert wird und ein immer größer werdender Prozentsatz der Bevölkerung allenfalls noch als Konsumenten gebraucht wird, in Zeiten, in denen die Interessen genau derselben Bevölkerungsgruppe immer weniger berücksichtigt werden, weil es ja sooo wichtig ist, die Interessen der Shareholder zu beachten, kann das eigentlich nur eines heißen: Bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist kein Geschenk. Wie sagt das Bundesverfassungsgericht?

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG . . . ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden . . .

Was tun? Wo ist ein gangbarer Weg?

Dem bedingungslosen Grundeinkommen wird oft nachgesagt, daß es nicht finanzierbar wäre. Aber ein Herr Draghi hat ja gezeigt, daß im Interesse der Finanzwirtschaft ohne Weiteres 80 Milliarden €uro geschöpft werden können, um faule Wertpapiere vom Markt zu kaufen. Monat für Monat. Inzwischen sind es, nach diesem Artikel zweieinhalb Billionen €uro, die Herr Draghi da versenkt hat. Eine Billion hat zwölf Nullen. Ungefähr 5000 €uro für jeden Bürger der €uropäischen Union. Ohne irgendeine demokratische Legitimation. Es ist ja nicht so, daß der Herr Draghi in einen Schrank greift und da vorhandene Milliarden herausholt, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Er SCHÖPFT das Geld, er erzeugt es nach Belieben. Genauso wie jede Bank, die einen Kredit vergibt, nicht Geld verleiht, das sie hat. Nein, sie schöpft dieses Geld, möchte es mit Zinsen zurück haben. Bis auf die Zinsen verschwindet dieses geschöpfte Geld bei der Rückzahlung, die Zinsen mutieren zum Gewinn der Bank.

Neulich habe ich einen interessanten Essay gelesen: Geld für mehr Demokratie Der Autor Rob Kenius schildert die Mechanismen der Finanzwirtschaft und propagiert eine digitale, degressive (will heißen, wird negativ verzinst) Währung, die von den Staaten bzw von der Union parallel zum €uro installiert werden sollte, deren Akzeptanz auch gesetzlich garantiert würde. Ich werde jetzt nicht erklären, wie diese Währung funktionieren würde, dazu lest bitte den Artikel ~ nur soviel: die Idee hat tatsächlich das Potential, den Einfluß der Finanzindustrie auf die reale Wirtschaft und die Politik herunterzuschrauben und den Einfluß von uns Bürgern wieder zu stärken, wenn . . .

. . . ja, wenn diese Idee dazu verwendet würde, europaweit ein bedingungsloses Grundeinkommen (das aber gar nicht Thema des Artikels ist) einzuführen und auszuzahlen. Die Degression, sprich die regelmäßige Wertminderung, würde für das bedingungslose Grundeinkommen so gut wie keine Rolle spielen, denn es wird ja laut Definition für die Grundbedürfnisse verwendet, also zeitnah ausgegeben. Und damit die lokale (von Wohnort bis Europa) Wirtschaft antreiben, durch direkten Konsum. Für die Finanzindustie, für die Spekulation, die nur die Geldmenge vermehrt und den Fluß des Geldes von denen, die wenig haben zu denen, die viel haben, ist eine degressive Währung naturgemäß völlig uninteressant.

Was das bedingungslose Grundeinkommen auch könnte: Wir Bürger wären nicht mehr auf Gedeih und Verderb dazu gezwungen, für unseren Lebensunterhalt Dinge zu tun, die wir mit wachem Gewissen nie tun würden. Kriege und Waffenexporte unterstützen, die Flüchtlingsströme in Gang setzen, zum Beispiel. Immer mehr Waren herzustellen, zu kaufen und zu verkaufen, die spätestens übermorgen wieder auf dem Müll landen und unsere Umwelt zum Kollaps führen. Der Slogan ’small is beautiful‘ würde vielleicht wieder aufleben, wenn nicht die Zins-und-Zinseszins-Mechanismen der Finanzwirtschaft eine immer schnellere Rotation des Geldes, eine immer schnellere Ausbeutung der Resourcen unserer Erde erzwingen würden.

DAS ist eine Vision, meine Vision.

Zum Schluß noch eine gute Nachricht, in einer Welt, in der schlechte Nachrichten zu vielen Klicks führen. Für diese gute Nachricht erhoffe ich mir dennoch viele Klicks meiner Leser, denn wir alle können etwas tun, um diese Vision der Realität näher zu bringen. Zum einen führt ein Klick auf das Ribbon rechts oben zur Website des Bündnisses Grundeinkommen, das 2019 zu den Europawahlen antritt. Das Bündnis möchte als Einthemen-Partei das bedingungslose Grundeinkommen für Europa in die Debatte bringen. Meine Wahlempfehlung, denn hier ist der kleine Anfang möglich, es gibt keine Prozenthürde für die Europawahl. Gebt dem Pflänzchen eine Chance, auf daß es mit der Zeit ein großer Baum wird. Wandel ist machbar, Nachbar! Allemal sinnvoller, als die alten Parteien zu wählen, die sich alternativlos wähnen, oder die, die eine Alternative im Namen vorspiegeln, sich aber nur an der Naivität ihrer Wähler weiden.

Hinweisen möchte ich auf Bettina Knierim, die ich vor einem halben Jahr über ein Berufsnetzwerk kennengelernt habe, und zwar als eine unwahrscheinlich engagierte Frau, vor Energie strotzend. Sie hat mich mit ihrer Selbstbeschreibung als ‚Mensch, zumindest meistens :)‘ , in einem Berufsnetzwerk, das vor allem das Thema Karriere in den Mittelpunkt stellt, auf Anhieb überzeugt. Bettina hat sich entschlossen, sich für das Bündnis als Kandidatin aufstellen zu lassen und ist auf Platz 6 der Liste zu finden. Nochmal Wahlempfehlung im Speziellen. Für Bettina meine besten Wünsche, möge ihre Energie nie versiegen und sie trotzdem Mensch bleiben, weiter so! 🙂 Schaut euch ihre Website an!

Realsatire?!? – die Fortsetzung

Sooo, es wird Zeit, jetzt endlich die Fortsetzung der Realsatire ins Internet zu werfen, weil sonst jeden Tag neue Grausligkeiten eingebaut werden müßten. Als einzelnes Erlebnis wäre die Begegnung allenfalls eine belustigende Anekdote wert gewesen, meine alltägliche Nachrichtenschau im Internet zeigt mir aber, daß Mensch sich nicht wundern sollte, weil sich das Einzelerlebnis mehr oder weniger nahtlos in das Gebaren des Apparates der geschätzten Republik einfügt. Übertrieben? Na, schaumer mal, dann sehmer scho!

Nun bin ich in einem Bundesland aufgewachsen, das in den ersten 21 Jahren meines Lebens von ehemaligen strammen Nazis durchregiert wurde. Zuerst Kurt Georg Kiesinger, von 1958-1966 Ministerpräsident von Baden-Würthemberg, Eintritt in die NSDAP frühzeitig 1933, der dann, weil er Bundeskanzler (1966-1969) wurde, vom ehemaligen NS-Marinerichter Hans Filbinger abgelöst wurde, der kurz vor Kriegsende noch Todesurteile gegen Deserteure aussprach, regierend von 1966-1978. Eine Parteikarriere in einer Diktatur war für politisches Emporkommen in der Bundesrepublik noch nie hinderlich, im Gegenteil mußte sich Willi Brandt 1961 vom ehemaligen Chef der Stabsbatterie und Nationalsozialistischen Führungsoffizier (NSFO) an der Flak-Artillerie-Schule IV in Altenstadt, Franz Josef Strauß, fragen lassen: „Eines wird man Herrn Brandt doch fragen dürfen: Was haben Sie zwölf Jahre lang draußen gemacht? Wir wissen, was wir drinnen gemacht haben“. Übrigens schrieb Strauß später in seinen Lebenserinnerungen, er sei als Wehrmachtssoldat mehrfach „Zeuge“ von deutschen Massakern an Juden im Osten geworden . . . hat er das gemeint, als er Brandt in die Ecke der Vaterlandsveräter stellen wollte?

Olle Kamellen, und der aktuelle Bezug? Nun, EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, bekannt für frei-von-der-Leber-Sprüche und ehedem auch bekannt dafür, Filbinger eben nicht für einen gewesenen Nazi zu halten, schwadroniert auf einer Rede vor einem Unternehmerverband über eine Pflicht-Homoehe und Frauenquote, nennt Mitglieder einer chinesischen Regierungsdelegation Schlitzohren und Schlitzaugen. Eine Entschuldigung hält er erst einmal nicht für nötig und reicht sie erst (halbherzig) nach, als er vom Kommissionspräsidenten zur Brust genommen wird. Oettinger singt auch mal die erste Strophe des Deutschlandlieds (“ . . . über alles auf der Welt!“), die nicht ohne Grund nicht (mehr) zu unserer Nationalhymne gehört. Und er fordert auch schon mal ältere Arbeitnehmer zum Lohnverzicht auf, weil sie ab 40 nicht mehr so leistungsfähig wären. Oettinger ist 1953 geboren, hat neulich seinen 63. Geburtstag gefeiert. Vielleicht sollte er sich wegen progressiver Senilität auf die Suche nach einem Pflegeplatz begeben?!? Aber nein, weil offensichtlich schon seit längerer Zeit Zweifel bestehen, daß der EU-Digitalkommissar wenigstens binär von 0 auf 1 zählen kann, soll er jetzt zum EU-Kommissar für Haushalt und Budget befördert werden. Eine Liste seiner Entgleisungen findet sich hier auf politico.eu

Anderes Thema: Wirtschaftsminister Gabriel ist mit dem Versprechen in sein Amt eingetreten, die Rüstungsexporte Deutschlands zu beschränken. Nun ist der aktuelle Bericht der Bundesregierung vorgestellt worden. Und wieder einmal ist der Rüstungsexport gestiegen, diesmal um eine halbe Milliarde €uro. Der Wert der genehmigten Exporte von Kleinwaffen sank leicht von 12,4 auf 11,6 Millionen €uro (ist der Markt etwa gesättigt?), aber die Exporte von Munition für diese Waffen hat sich von von 27 Millionen auf 283,8 Millionen mehr als verzehnfacht! Das ist das Zeug, an dem die meisten Menschen sterben! Wenn die Menschen dann von da, wo mit dieser Munition geschossen wird, hierher ins ’sichere‘ Deutschland wollen, heißt es, sie sollen da bleiben, wo der Pfeffer wächst . . . Nun denn, das ist wahrscheinlich höhere Logik, das kann ich als geistig Minderbemittelter eben nicht verstehen 🙁 Ich höre auch schon wieder die schlauen Leutchen, die meinen, wenn nicht wir das tun, dann tun das eben andere. Da sag ich nur dazu: Mir ist es lieber, wenn andere das tun und nicht wir. Man muß nicht um jeden Preis hinter jedem €uro herrennen!

Ein Thema, das über mehr als hundert Jahre alt ist. Während der Bundestag in einer Resolution den Genozid der Türkei an den Armeniern zu Recht verurteilt, geht der Der Genozid an den Hereros 1904 bis 1908 in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, allerdings vollkommen an ihm vorbei. Generalleutnant Lothar von Trotha, damals Kommandeur der „Schutztruppe“, befahl jeden Herero, auch Frauen und Kinder, innerhalb der deutschen Grenzen zu erschießen. Zitat: „Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik.“ Von geschätzten 35.000 bis 100.000 Herero waren nach dem Krieg nur noch 14.000 bis 16.000 am Leben. Die deutsche Regierung schließt immer noch eine Wiedergutmachung aus (kostet Geld!), eine kostenfreie Entschuldigung wird angeboten. Hier ein Interview der Telepolis mit Herero-Häuptling Vekuii Rukoro anläßlich eines Kongresses zum Thema, der letzten Monat stattgefunden hat, und zu dem ich sonst nirgends etwas lesen konnte. Ein Großteil des Grundbesitzes in Namibia gehört übrigens immer noch weißen Nachfahren der damaligen Kolonialisten, da darf Geschichte nachwirken . . .

Überhaupt endet Geschichte nie, und die Muster hinter der schönen Fassade auch nicht. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten hat wieder mal einen Höchststand erreicht. Derweilst machen sich deutsche Politiker Gedanken über ein Burka-Verbot. Während die reale Gefahr, durch islamistischen Terror in Deutschland zu Tode zu kommen, verschwindend gering ist, ist die reale Gefahr für einen Flüchtling, in Deutschland zu Schaden zu kommen, recht hoch. Daß ausgerechnet die deutschen Verfassungsschützer über V-Leute rechtsextremistische Gewalt finanzier(t)en, hatte ich schon in einem früheren Artikel erwähnt. Dort auch die „Bemühungen“ zur Auflkärung. Inzwischen wurde bekannt, daß der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes die Akten zum sogenannten NSU nicht versehentlich geschreddert hat, wie offiziell kolportiert, sondern durchaus absichtlich. Zur Verantwortung gezogen wurde er dennoch nicht. Weitere Ungereimtheiten kommen zum Nagelbombenanschlag in Köln zum Vorschein. Nicht nur der Verfassungsschutz, auch die Bundesanwaltschaft hielt es nicht für nötig, den in Verdacht geratenen V-Mann und bekannten Neonazi ernsthaft zu überprüfen. Die Lektüre der Website des Untersuchungsausschusses des Bundestags zum Themenkomplex lesen sich, traurig aber wahr, wie Realsatire. Die Zeugen aus den Ämtern ‚waren damit nicht befasst‘, ‚können sich nicht erinnern‘ oder ‚dürfen dazu nichts aussagen‘. Beide Ämter sind über das Bundesinnenministerium dem Kanzleramt unterstellt. Ein Schelm, wer Böses sich bei denkt. Das wären dann Verschwörungstheorien. Geht gar nicht!

Daß Polizeibeamte sich auch nicht immer auf dem Boden unseres Grundgesetzes wohlfühlen, hat man auch schon um die Aufklärungsversuche am Polizistenmord Michèle Kiesewetter mitbekommen. Gleich fünf Polizeibeamte des LKA gehörten zum lokalen Ableger des Ku Klux Klans und fanden da nichts Böses dabei. In den letzten Wochen findet man immer mehr Polizisten, die sich als Reichsbürger des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 sehen ~ aber erst, nachdem ein Reichsbürger bei einer Razzia auf vier Polizisten geschossen hat. Das geht natürlich nicht!

Wer sollte es da einem Mitarbeiter des Wasser- und Schiffahrtsamtes nachtragen, daß er Gesetze und Verordnungen ein wenig durcheinanderbringt. Auch der Blogger selbst ist ja reichlich verwirrt und begibt sich zur Erholung an die inzwischen aufgetauchte Sonne . . .

Der Artikel des Tages ~ unbedingt lesen!

Carolin Emkes Rede in der Paulskirche anlässlich des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.
Die Rede
Schön, daß der Tagesspiegel die Rede ins Internet gestellt hat, die Süddeutsche, für die Emke schreibt, begnügt sich mit einer verkürzten Zusammenfassung. 🙁
Freiheit ist nichts, was man besitzt, sie ist etwas, was man tut, sagt Emke.
Ich schieb eine kleine Ergänzung hinterher: Freiheit fängt im Kopf an, muß aber in Handlung umgesetzt werden, um Relevanz zu bekommen.
Eine wirklich tolle Rede!

Über alle Maaßen oder:
Wer schützt uns und das Grundgesetz vor dem Verfassungsschutz, den anderen Diensten und unserer Regierung?

Am vergangenen Freitag, dem 10.Juni, hat sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Georg Maaßen, vor dem Untersuchungsausschuß zur NSA-Affäre zu der Aussage verstiegen, der Whisleblower Edward Snowdon, dem wir die Erkenntnisse über die weltweite Abhörpraxis der National Security Agency verdanken, wäre ein Agent der Russen. Oha, ob er denn Belege für diese These hätte? Tatsachen? Hätte er! Auf Nachfrage reduzieren sich diese „Tatsachen“ darauf, daß Snowdon sich in Russland aufhält und daß Rußland „Desinformationskampagnen“ gegen „uns“ führe. Und: Russland habe ein Interesse, „uns zu destabilisieren“. Als ihn Andre Hahn von der Linkspartei fragte: „Haben Sie einen Beleg dafür, dass Snowden ein russischer Agent ist?“ Antwortete Maaßen: „Nein, aber es hätte eine hohe Plausibilität.“

Oha! Harte Beweise! Weniger für Snowdons Schuld, der schließlich nur in Russland gestrandet ist, weil die USA ihm den Pass entzogen haben ~ eigentlich wollte er ja nach Equador, um dort Asyl zu suchen. Mehr ein Beleg für Maaßens Dummheit im Dienst . . . die Süddeutsche tituliert: Wie sich der oberste Verfassungsschützer im NSA-Ausschuß blamiert, die Zeit fragt gar: Ist Maaßen russischer Agent?

Die überbordende Intelligenz des Herrn Maaßen hat sich auch schon 2004 gezeigt, als er als zuständiger Referatsleiter des Innenministeriums im Falle des zu Unrecht in Guantanamo inhaftierten Murat Kurnaz beschied, daß der nicht nach Deutschland zurückkehren könne, weil „Kurnaz versäumt habe, die in solchen Fällen vorgeschriebene Verlängerung der Wiedereinreisefrist zu beantragen“ ~ aus dem Gefangenenlager heraus. Es wäre vielleicht angebracht, Herrn Maaßen einen Kurzurlaub (5 Jahre?) in Guantanamo zu spendieren. Und ihm eine Ausgabe des deutschen Grundgesetzes für Studienzwecke mitzugeben, allzu gut kennt er sich in der Materie offensichtlich nicht aus, wie die Affäre um netzpolitik.org zeigt . . . „denn offenbar habe der Präsident des Verfassungsschutzamtes in seiner Anzeige sehr konkrete Vorwürfe erhoben. Hans-Georg Maaßen sage zwar, dass er nur eine Anzeige gegen Unbekannt gestellt habe. „Aber die Namen der betroffenen Journalisten sind dort ausdrücklich und als einzige genannt““ Quelle: Tagesschau

Edward Snowdon reagierte übrigens mit einigem Humor und in deutscher Sprache über Twitter:

Durchaus harte Belege für eine recht zweifelhafte Rolle des Verfassungsschutzes gibt es allerdings zuhauf, sodaß die Frage aus dem Titel naheliegt: Wer schützt uns und unser Grundgesetz vor dem Verfassungsschutz?

NSA: Artikel 10GG

~ Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletztlich

Der Verfassungsschutz hat sich zwei Jahre mit 19 Mitarbeitern damit beschäftigt, herauszufinden, ob oder ob nicht die NSA in Deutschland massenhaft Kommunikation abhört. Mit dem ‚eindeutigen‘ Ergebnis, daß man das weder bestätigen noch dementieren könne. Die veröffentlichten Dokumente seien ja keine Originale, sondern Abschriften von irgendwelchen Journalisten, also keine wirklichen Beweise. Auch Antennen auf Botschaften seien keine Beweise . . .
Der Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen höchstpersönlich hatte 2013 einen Brief an die Regierung in Washington geschrieben und gebeten, dass seine Leute die Botschaften besuchen dürften, um die Antennen zu besichtigen. Das sei abgelehnt worden. Zu dem Special Collection Service, der Spitzeleinheit der NSA, die laut Snowden unter anderem das Merkelhandy abhörte, habe man gar keine Auskunft bekommen. Also auch kein Beweis 🙂
„Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat vorgeführt, dass es die Überwachung der Five Eyes in Deutschland nicht feststellen konnte, weil es sie nicht feststellen wollte“, so fasste Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion bei der Berichterstattung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss zusammen. Wer mehr wissen möchte, lese hier bei Zeit-Online

Zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes zählt auch die Spionageabwehr. Aber offensichlich dürfen unsere „Freunde“ von der anderen Seite der Nordsee (GCHQ, Großbrittanien), und des Atlantiks (NSA, Vereinigte Staaten von Amerika) das, die deutschen Dienste arbeiten denen sogar zu. Grundgesetz hin oder her . . .

NSU: Terror von rechts, finanziert und genährt vom Verfassungsschutz?

Im Zuge des Prozesses um den NSU gegen Beate Tschäpe erfährt man immer mehr Erstaunliches:

Tino Brandt war von 1994 bis 2001 Informant des Thüringer Verfassungsschutzes. Die Zusammenarbeit endete mit seiner Enttarnung. Die rund 200.000 D-Mark, die Brandt für seine Dienste über die Jahre vom Staat erhielt, will er zum Großteil in die rechte Szene gesteckt haben . . . Er sagt mehrfach, dass über ihn wiederholt Geld vom Verfassungsschutz in die rechte Szene geflossen sei, auch zur Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Quelle: Spiegel

Thomas Richter alias Corelli ~ Das BfV bezahlte Richter Autos, seine Schulden und Abschlussprämien. Auch die Kosten einer „Unterbringung durch befreundeten Auslandsdienst“ und „Kosten einer Sprachschulungsmaßnahme im Ausland“ fielen mit Tausenden Euro ins Gewicht. Er erhielt Sonderprämien, nachdem seine umfangreiche EDV-Anlage von der Polizei beschlagnahmt worden war. Der Verfassungsschutz finanzierte den Neukauf. Insgesamt erhielt Richter vom Verfassungsschutz im Laufe der Jahre 296.843 Euro. Quelle: Wikipedia

In einem Geheimdokument des BKA aus dem Jahr 1997, das dem SPIEGEL vorliegt, erhoben die Polizisten schwere Vorwürfe gegen die Nachrichtendienste, ein knappes Jahr bevor das Jenaer Trio in den Untergrund ging. In dem „Positionspapier“ kritisierten die Kriminalisten den Umgang mit den rechten V-Leuten. Kern der Aussage: Die Spitzel wirkten als Brandstifter und schaukelten sich gegenseitig hoch. Der Verfassungsschutz bekämpfe die Neonazis nicht entschieden, sondern er schütze sie. Die Informanten seien so, wie die Dienste sie führten, kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems. Quelle: Spiegel

Andreas Temme , Mitarbeiter der hessischen Landesbehörde für Verfassungsschutz, war beim Mord an Halit Yozgat am 26. April 2006 in dessen Kasseler Internetcafé kurz vor oder während der Tat im hinteren Raum des Cafés gesessen, will von dem Mord nach eigenen Angaben aber nichts mitbekommen haben. Quelle: Spiegel Online und Welt
Im Nachhinein wurden abgehörte Telefonate bekannt, in denen ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu Andreas Temme sagt: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so was passiert, bitte nicht vorbeifahren.“ Quelle: Wikipedia
Eine Befragung der Informanten von T. wurde vom hessischen Innenministerium abgelehnt. Quelle: ebenfalls Spiegel Online

Als Zschäpe im November 2011 die Wohnung in Zwickau in Brand setzte, bekam sie, laut Protokollen, einen Anruf von einem Mobiltelefon, das auf das sächsische Innenministerium zugelassen war. Das sächsische Innenministerium sagte eine umfassende Aufklärung zu, blieb jedoch bisher eine Antwort schuldig. Quelle: ebenfalls Wikipedia

Kai Dalek ~ . . . bauten Neonazis bereits das „Thule-Netz“ auf. Über Mailboxen vernetzte sich die Szene, informierte über Aufmärsche, knüpfte Kontakte. Maßgeblich war dabei der V-Mann Kai D. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete 2012, Bayerns Verfassungsschutz habe sich über D. aktiv am Aufbau des Netzes beteiligt . . . D. war von 1987 an mehr als zehn Jahre für den bayerischen Verfassungsschutz tätig. Mit dem Sachverhalt vertraute Personen gehen laut SZ, davon aus, dass der Verfassungsschutz nach vorsichtigerer Schätzung womöglich weit mehr als 150.000 Mark an D. im Laufe der Jahre bezahlt haben könnte. Öffentliches Geld, das in den Aufbau von brauner Struktur investiert wurde. Es war Pionierarbeit, um die braune Szene zu vernetzen – und sie so schlagkräftig aufzustellen. Quelle: tagesschau, ARD

Oder mal was anderes ~ Aufklärung?

Gleich nachdem bekannt wurde, daß die beiden Uwes sich umgebracht hatten (?), wurden beim BfV Akten geschreddert. Der ausführende Beamte wurde versetzt, strafrechtliche Konsequenzen hatte die Aktion aber nicht. Quelle: Süddeutsche

Ralf Marschner „Alles sieht danach aus, als ob der V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht nur Zschäpe, sondern zeitweise das komplette abgetauchte NSU-Trio bei sich jobben ließ“. Quelle: Freie Presse.

Jochen Weingarten von der Bundesanwaltschaft: „Die Informationen des BfV über Marschner sind nicht nur VS eingestuft, [Verschlusssache] sondern außerdem als nicht gerichtsverwertbar gestempelt. Ein Nullum. Wenn es hart auf hart kommt, werden die Akten vom Bundesinnenministerium gesperrt. Wir haben deshalb diese Bemühung nicht unternommen, sie uns vorzulegen.“ Quelle: Telepolis

Akten werden vom Hochwasser zerstört, Kopien tauchen wieder auf (Quelle: mdr), werden geschwärzt, gesperrt. Das verschollene Mobiltelefon des V-Manns Corelli taucht nach viermaliger Durchsuchung eines Safes doch noch auf, die zugehörigen SIM-Karten erst Wochen später (Quelle: Süddeutsche). . . das alles als Pannen oder Schlamperei zu bezeichnen wäre ein Euphemismus. Die Leute haben definitiv Dreck am Stecken. Aber wo liegt der Sinn?

Zuerst noch ein Blick zurück in die Vergangenheit:

RAF: Terror von links, initiiert, zumindest eskaliert vom Verfassungsschutz

2. Juni 1967, Studentendemonstrationen gegen den Besuch des Schahs von Persien, Mitglieder des persischen Geheimdienstes SAVAK prügelten mit Latten und Totschlägern auf die Demonstranten ein, die Ordnungsmacht sah zuerst zu, ging dann aber mit berittener Polizei ~ nein, nicht gegen die Perser, sondern auf die Demonstranten los. Am Abend wurde bei einer Demonstration der Student Benno Ohnesorg vom Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras mit seiner Dienstwaffe erschossen ~ in den Hinterkopf! Wikipedia: Kurras’ im Mai 2009 bekannt gewordene IM-Tätigkeit löste neue staatsanwaltliche Ermittlungen zu seinem Todesschuss und eine neue Debatte über dessen Ursachen und Folgen aus. Es fanden sich keine Anhaltspunkte für einen Mordauftrag des MfS, aber neue Indizien dafür, dass Kurras Ohnesorg unbedrängt und gezielt aus kurzer Distanz erschossen hatte und dabei von umstehenden Polizisten und seinem Vorgesetzten beobachtet worden war. Die Beweislage wurde jedoch nicht als ausreichend zur Wiederaufnahme seines Prozesses angesehen. Die Ermittlungen zum Mordverdacht wurden im November 2011 eingestellt. Kurras’ Motiv für die Tat ist bis heute unbekannt.

11. April 1968, Rudi Dutschke, unter anderem Frontmann des SDS und APO, wird von Josef Bachmann angeschossen und schwer verletzt, zweimal in den Kopf und in die Schulter, er überlebte knapp nach einer mehrstündigen Operation mit schweren Gehirnverletzungen und mußte sich in monatelanger Sprachtherapie Gedächtnis und Sprache wieder aneigen.

Die Studentenschaft machte vor allem die Springerpresse, die monatelang gegen die Studentenbewegung gehetzt hatte, für das Attentat mit verantwortlich und sammelte sich vor dem Springer-Verlagsgebäude, um die Auslieferung der Bild-Zeitung zu blockieren. Und jetzt kommt der Auftritt von Peter Urbach, seineszeichens V-Mann und Agent Provocateur des Berliner Verfassungsschutzes. Er verteilt aus einem Weidenkorb ein gutes Dutzend Molotowcocktails und zeigt den Demonstranten, wie man die Lieferwagen umwirft, damit das Benzin ausläuft. Auch später lieferte er Waffen (Horst Mahlers erste Pistole hat er ihm von sich aus angeboten und geliefert) Brand- und Sprengsätze an die linke Szene, unter anderem auch eine Rohrbombe zum (mißlungenen) Attentat auf das jüdische Gemeindehaus in Berlin am 9.November 1969. Es war der Verfassungsschutz, der die Leute bewaffnet hat, die später die RAF gegründet haben!

Wer sich jetzt noch nicht genug aufgeregt hat, möge noch den Artikel über die Prozesse um die Ermordung von Ulrich Schmücker lesen. Akteur unter anderem der Berliner Verfassungsschutz. Schlimmer geht’s immer!

Es ist selbstverfreilich müßig, darüber zu spekulieren, ob die linke Szene ohne die milden Gaben Urbachs und des Berliner Verfassungsschutzes weiter mit friedlichen Mitteln Politik betrieben hätten, ganz sicher aber hat das Vorgehen von Verfassungsschutz und Polizei die Radikalisierung beschleunigt und verstärkt. Gewalt wurde vom Staat provoziert, genau von den Institutionen, die die freiheitliche Demokratie (GG Artikel 1, Satz 2: Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt) verteidigen sollen.

Spekulieren kann man aber über die Motive, die Verfassungsschützer von Bund und Ländern zu solchen Aktionen bringen.

Einfache, „harmlose“ Erklärung: Viel Feind, viel Ehr . . . und eine Vergrößerung des Etats, mehr Personal, mehr Einfluß? Wer wird denn gleich sowas denken?!? Pffft!

Etwas komplizierter der historische Ansatz. Die westdeutschen Dienste, allen voran die später zum Bundesnachrichtendienst BND transformierte Organisation Gehlen, waren von den Amerikanern zugelassene und unterstützte Vereine. Wikipedia über die Organisation Gehlen: „Eingestellt wurden zu einem großen Teil Ehemalige der SS, des SD, der Gestapo, der Abwehr und vor allem Offiziere der Wehrmacht“. Sogar geheime Partisanenarmeen wurden installiert und finanziert, siehe hier. „Die Amerikaner überprüften vorher Lebenslauf und Gesinnung; rechte Antikommunisten und Rechtsradikale galten als zuverlässig“. Die sogenannten Stay-Behind Partisanen sollten sich im Falle, die Russen kämen, überrollen lassen und hinter der Front durch Sabotage den Feind bekämpfen, wobei die Zielrichtung schon sehr rechts war, wie in der oben verlinkten Spiegel-Geschichte geschildert, über den Technischen Dienst, kurz TD, einer der Partisanentruppen: „TD-Leute legten schwarze Listen an von Personen, die „aus dem Verkehr gezogen“ werden sollten. Auf rund 200 Karteikarten hielt der ehemalige Abwehroffizier der Wehrmacht von Glahn als Bereichsleiter Oldenburg/Bremen die Daten von „Staatsfeinden“ gespeichert. So war zu einem Arzt aus Oldenburg etwa vermerkt: „Halbjude, starker Edelbolschewist, vermutlich Freimaurer, befreundet mit Herrn S., der SPD-Mitglied ist.“ Und: „Als der Technische Dienst 1952 aufflog, blieb die Sammelarbeit der Mitarbeiter nicht umsonst. Der Verfassungsschutz in Hannover, so berichtet von Glahn, habe nach seiner Gründung die Sympathisantenkartei des TD komplett übernommen.“

Es war die Zeit des kalten Krieges, nicht nur in den Diensten half eine rechte Gesinnung zur Karriere. Auch in der Politik waren die NS-Schergen in höchste Höhen aufgestiegen. Hans Filbinger, als Nazi-Richter mitverantwortlich für vier Todesurteile, war von 1966 bis 1978 Ministerpräsident Baden-Württembergs. Kurt Georg Kiesinger, der im Nationalsozialismus zumindest gut mitgeschwommen war, war von 1958 bis 1966 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, von 1966 bis 1969 Bundeskanzler.

In Italien nannte sich die Stay-Behind-Organisation Gladio nach dem Kurzschwert der römischen Armee. Finanziert von der CIA soll Gladio mit Hilfe des des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI und Neofaschisten viele blutige Attentate verübt haben, zum Beispiel den Bombenanschlag auf die Landwirtschaftsbank an der Piazza Fontana in Mailand 1968 mit 17 Toten oder auf den Bahnhof von Bologna 1980 mit 85 Toten. Die Anschläge wurden dann linksradikalen Gruppen in die Schuhe geschoben, um die in Italien starke Kommunistische Partei zu schwächen und in der sogenannten Strategie der Spannung die Bevölkerung dazu zu bringen, „den Staat um größere Sicherheit zu bitten“.

In Italien ist das inzwischen alles belegt (Zitat Wikipedia): Die Untersuchungskommission Terrorismus und Massaker (1994–2000) des italienischen Senats stellte fest: „Diese Massaker wurden organisiert oder unterstützt von Personen in Institutionen des italienischen Staates und von Männern, die mit dem amerikanischen Geheimdienst in Verbindung standen.“ Der italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti bestätigte am 3. August 1990 auf eine Parlamentsanfrage hin die Existenz einer „Operation Gladio“ des SISMI. Er gab an, dass Gladio auch in zahlreichen anderen europäischen Ländern existiere. Im Oktober 1990 wurden Briefe des von den Roten Brigaden entführten und ermordeten Politikers Aldo Moro bekannt. Unter diesem Druck sagte Andreotti aus, dass die Operation Gladio, entgegen seinen ursprünglichen Aussagen, noch bis in die späten 1970er Jahre gelaufen und die NATO maßgeblich an der illegalen Operation beteiligt gewesen sei.

Das Europäische Parlament drückte nach einer Sonderdebatte am 22. November 1990 seinen „entschiedenen Protest“ gegenüber der NATO und den beteiligten Geheimdiensten aus. In Italien, Belgien und der Schweiz gab es Untersuchungskomissionen zum Thema ~ in Deutschland . . . nichts.

Dabei gäbe es auch bei uns genügend Anlaß, genau hinzusehen. Zum Beispiel beim Oktoberfestattentat 1980 in München. 13 Menschen wurden getötet und 211 verletzt, 68 davon schwer. Und der bayrische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der Union Strauß wußte auch gleich, daß der Anschlag von den Linken Terroristen kam. Unmittelbar nach dem Attentat hatte Strauß Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und besonders dessen Innenminister Gerhart Baum (FDP) attackiert: Der Linksliberale gehe zu lasch mit linken Extremisten um. Baum sei ein „Unsicherheitsminister“ und „Risikofaktor“ geworden. Dumm nur, daß schon am nächsten Tag Gundolf Köhler als Attentäter ermittelt wurde, der bei der Explosion allerdings ums Leben kam. Und der hatte Kontakte zur rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann. Die weiteren „Ermittlungen“ liefen nach ähnlichem Muster wie in der Angelegenheit NSU: Zeugenaussagen, die die Beteiligung anderer am Attentat nahe legten (siehe z.B. hier), wurden ignoriert und im Abschlußbericht nicht erwähnt, Asservate werden zerstört, Hinweise in die rechte Szene ‚übersehen‘ (siehe z.B. hier und ebenfalls nochmal hier). Einer der Zeugen, Frank Lauterjung, hatte Köhler mit zwei anderen Männern in Parkas reden sehen und auch, wie er die Bombe in einem Papierkorb deponierte, die darauf explodierte. Erst 2010 wurden Briefe bekannt, wonach Lauterjung um 1965 beim rechtsextremen Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) „Zweiter Bundesführer“ und „Standortführer“ gewesen war. Er war von anderen BHJ-Leitern als vom Verfassungsschutz eingeschleuster Provokateur verdächtigt und ausgeschlossen worden . . . Quelle: ebenfalls Wikipedia

Um zu einem Ende zu kommen: Wer solche Verfassungsschützer hat, braucht eigentlich keine anderen Verfassungsfeinde mehr. Die für die Geheimdienste, also auch Verfassungsschutzämter verantwortlichen Regierungen, egal ob Land oder Bund, die solche Vorgänge decken oder gar beauftragen, verstoßen selbst gegen unser Grundgesetz. Verfassungsschutzämter, die den Aufbau von antidemokratishen und fremdenfeindlichen Strukturen finanzierern, erfüllen selbst die Voraussetzungen für GG Artikel 9 Satz 2 ~ verbieten!

GG Artikel 1, Satz 3: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbares Gesetz.

GG Artikel 3, Satz 1: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (Anmerkung: auch Verfassungsschützer, auch Regierungsmitglieder!)

GG Artikel 9, Satz 2: Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

Leider scheinen sowohl die Verfasssungsschützer als auch diverse Regierungen unser Grundgesetz nicht präsent zu haben. Anders ist nicht zu erklären, daß immer mehr Gesetze vom Bundesverfassungsgericht ganz (z.B. Vorratsdatenspeicherung) oder teilweise (HartzIV) kassiert werden müssen. Besonders dreist dann, wenn wie bei der Vorratsdatenspeicherung das Gesetz unter dem neuem Namen Höchstspeicherfrist im Kern unwesentlich verändert zur Wiedervorlage kommt, Fortsetzung folgt . . .

Zu empfehlen wäre den Damen und Herren eine intensive Lektüre des schmalen Bändchens, das von der Bundeszentale für politische Bildung kostenlos verteilt wird. Es steht auch online zur Verfügung, sogar in türkischer und arabischer Sprache (nicht in englisch, französisch oder spanisch 🙁 ) . Allerdings ist es seit meiner Schulzeit auf ein Drittel der Stärke geschrumpft, weil die Kommentare zu den vielen Veränderungen und vor allem Streichungen weggespart wurden.

Wer sucht, findet darin auch so interessante Abschnitte wie die unten folgenden:

GG Artikel 25: Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets.

GG Artikel 26, Satz 1: Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

GG Artikel 102: Die Todesstrafe ist abgeschafft.

Nichtsdestrotz wird von deutschem Boden aus, mindestens seit 2011 mit Wissen der Bundesregierung, der amerikanische Drohnenkrieg gesteuert, in dem 1147 Menschen getötet wurden, um 41 Terroristen zu eliminieren. Wohlweislich ohne rechtsstaatlichen Prozess, ohne Verteidigung.

„Von Ramstein wird das Signal übermittelt, das den Drohnen befiehlt, was sie tun sollen“, sagt ein Amerikaner, der mit dem geheimen Militärprogramm vertraut ist. Von ihm stammen die Dokumente. „Ohne Ramstein könnte keine der Drohnen gesteuert werden – jedenfalls nicht in der bisher geübten Weise.“ Quelle: Spiegel

Dagegen sein: http://www.ramstein-kampagne.eu/

Nichtsdestotrotz ist das kleine Deutschland zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt aufgestiegen, nach den USA und Russland, noch vor China. Dabei sind Kleinwaffen wie Pistolen und Gewehre nicht einmal eingerechnet. Und die Exporte gehen zum großen Teil in den Krisengürtel Nahost und Nordafrika, auf daß es noch mehr Flüchtlinge gebe! Quelle: u.A. Frankfurter Rundschau

Ganz zum Schluß noch ein kleines Zitat aus unserem Grundgesetz:

GG Artikel 20, Satz 4: Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutsche das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Ebro und stolpern über Geschichte . . .

Eremita de Santa Maria Magdalena de Berrús
Eremita de Santa Maria Magdalena de Berrús

Also Ebroaufwärts, auf der C-12 läßt es der alte Herr Magirus laufen, daß es eine Pracht ist. Mit für unsere Verhältnisse rasend schnellen siebzig bis achzig Stundenkilometern flitzen wir in weiten Bögen den Fluß hinauf. Nicht immer direkt am Ufer entlang, aber da, wo wir ihn sehen können, ein durchaus beeindruckender und sehr schöner Fluß. Stellenweise die spanische Variante des Rheins um die Lorelei, nur ohne die Zwangsjacke von Eisenbahnen und Bundesstraßen, die unseren Vorzeigefluß verschandeln. Viel Wasser zur Zeit, ganz offensichtlich, denn die Füße der Bäume am Ufer stehen alle im Wasser. Keine Bilder, denn ein leichter Nieselregen lädt dezent zum Weiterfahren ein, und während der Fahrt wird nicht photographiert, zu gefährlich!

Wolken über dem Ebro ~ nach dem Regen
Wolken über dem Ebro ~ nach dem Regen

Ab Flix steigen wir dann um auf die TV-7411, um am Fluß zu bleiben. Ein paar Kilometer Bahnhof und Industrieanlagen, dann windet sich die kleine Straße am Ufer entlang, biegt aber nach einer Weile ab und wir klettern die Berge hinauf, wo ich an einer Abzweigung anhalte, denn ein Schild macht auf eine ‚Ermita de Santa Maria Magdalena de Berrús‘ aufmerksam. Anschauen? Anschauen! Und da bei der Ermita ein großer offizieller Grillplatz mit Parkmöglichkeit ist, wir schon neunzig Kilometer gefahren sind und der alte Herr Magirus einen Platz mit Aussicht über die sanft gewellte Erosionslandschaft (wenn man oben auf der Kante steht, sieht man sehr gut, daß die ‚Berge‘ die ausgewaschenen Überreste einer dicken Sedimentschicht sind. Weit schweift der Blick bis zum Horizont über eine ‚Ebene‘ von gleich hohen Gipfeln) findet, fällt die Entscheidung, daß wir hier zumindest für eine Nacht bleiben, obwohl es noch gar nicht so spät ist.

der alte Herr Magirus, Magdalena, Windräder, Strommast und Leitungen . . .
der alte Herr Magirus, Magdalena, Windräder, Strommast und Leitungen . . .

Ein Schild informiert den interessierten Besucher, daß das romanische Kirchlein 1968 Stein für Stein vom Ufer des Ebros hier hinauf auf den Berg transportiert und wieder aufgebaut wurde. Von drei Gemeinden der Umgebung gibt es Prozessionen hierher . . . soweit, so gut. Aber was bedeuten wohl die Worte ‚Trinxeres de Berrús‘ auf den Wanderwegschildern? Ein kleiner Spaziergang sollte das wohl klären können . . .

Kurz darauf macht mich eine Art Graben neugierig, der sich vom Weg weg am Hang entlang schlängelt. Weil ich dem natürlich folgen muß, stolpere ich nicht zum ersten Mal über Zeugnisse des spanischen Bürgerkriegs. Schon vor der offiziellen Gedenkstätte wird klar, um was es sich handelt: Schützengräben! Hier hat sich die republikanische Armee eingegraben, um die im Tal liegende Straße abzusichern, um die Armee Francos vom Vorstoß an den Ebro zu hindern. Vergeblich . . .

trinxeres de Berús ~ Schützengraben
trinxeres de Berús ~ Schützengraben

1938 ~ in der Schlacht am Ebro standen sich im gesamten Gebiet meines diesjährigen Aufenthalts Francisten/Faschisten mit Unterstützung der Legion Condor, also deutsche Luftwaffe und die Republikaner gegenüber, der Kampf wurde von beiden Seiten mit brutaler Härte geführt, mit vielen Toten. Tortosa, die Stadt, in der ich die Nacht nach dem Ebro-Delta verbracht habe, wurde von der Legion Condor wohl fast komplett zerstört, genauso das vorhin erwähnte Flix. Auch der Ort Corbera d’Ebre wurde von der Legion zerbombt und und die Ruinen sind als Denkmal bis heute vorhanden. Die Einwohner wurden umgesiedelt.

links Schützengraben, Tal mit Straße, Ebro aufgestaut rechts im Bild
* links Schützengraben, Tal mit Straße, Ebro aufgestaut rechts im Bild *
Gedenktafel bei den trinxeres de Berrús
Gedenktafel bei den trinxeres de Berrús

Jetzt sitze ich seit Stunden an diesem Artikel und fühle mich nach den Recherchen zunehmend sprachlos. Ich zitiere also nur noch ein Zitat aus dem Artikel auf Wikipedia, ein auf Spanisch, Englisch und Französisch verlesener Aufruf, den der Cellist Pau Casals während eines Konzerts in Barcelona am 17. Oktober 1938 über das Radio an die Weltöffentlichkeit richtete:

„Machen Sie sich nicht des Verbrechens schuldig, dem Mord an der Spanischen Republik tatenlos zuzusehen. Wenn Sie es zulassen, dass Hitler in Spanien siegt, werden Sie die nächsten sein, die seinem Wahnsinn zum Opfer fallen werden. Der Krieg wird ganz Europa, wird die ganze Welt erfassen. Kommen Sie unserem Volk zu Hilfe!“

Obwohl in den International Brigades viele Ausländer für die Republik kämpften, auch Deutsche, taten sich die europäischen Staaten damit schwer, denn es ging ja gegen die Volksfront. Italien und Deutschland waren eh auf der Seite Francos . . . das Ergebnis ist bekannt . . .

. . . war da noch was?

nach zwei Tagen Grau wieder ein klarer Himmel :)
nach zwei Tagen Grau wieder ein klarer Himmel 🙂

Zwei Tage grauer Himmel in unterschiedlichen Dunkelheitsgraden, zum Teil ausgiebiger Regen, über den sich die Natur hier freut. Heute morgen dann ein klarer Himmel, über den ich mich freue, und den ich nach Wetterbericht noch gar nicht erwartet hatte . . . und wieder schön warm, nach der Fröstelei.

die Sonne steigt aus dem Dunst über der Kimm
die Sonne steigt aus dem Dunst über der Kimm

Immerhin gaben diese zwei Tage die Muße, meine andere Website, die ralfgutmann.eu, wieder in einen ansehbaren Zustand zu bringen. Was ein Zwangsupgrade der Serversoftware so alles mit sich bringen kann. Keinerlei Bilder mehr zu sehen auf einer Photowebsite 🙁 Und das alles, weil ein neuer Zeichensatz (UTF-8 anstatt ISO-8859-1) zum Standard erklärt wird, der Umlaute und so manches Sonderzeichen nicht interpretieren kann. Und weil man in einer Funktion, die die Bilder erzeugt, keinen leeren String ("", zwei Anführungszeichen mit nichts dazwischen) mehr verwenden darf, stattdessen muß man jetzt NULL schreiben (genau so!). Der Sinn der Änderungen wird mir auf immer und ewig verborgen bleiben . . . Nun, die Hauptfehler sind inzwischen nach mühevoller Forschungsarbeit beseitigt, es gibt wieder Photos zu sehen. Ein paar Knoten gibt es noch zu lösen, da bleibt noch etwas Fleißarbeit . . .

War noch was? Ach ja, die Wahl(en) am Sonntag . . .

für mich zu früh dieses Jahr, aber es bleibt der Trost, daß „meine“ Partei wieder mal eh nicht im Landtag BW vertreten ist.

Auf der Welle der sogenannten „Flüchtlingskrise“ ist mit der AfD eine sogenannte „populistische“ rechtsgerichtete Partei in alle betroffenen Landtage eingezogen, die etablierten Parteien ringen um Koalitionsmöglichkeiten, und alle wundern sich . . . worüber, um Himmels Willen?

Wenn in einer der reichsten Nationen der Welt eine Ausnahmesituation einer Zuwanderung im allerniedrigsten einstelligen Bereich (einskommairgendwas Prozent der Bevölkerung) von sämtlichen Medien zur Superkrise hochstilisiert wird und die neoliberal-bürgerliche Presse (FAZ) versucht, eine Kanzlerin zu zerlegen, die ausnahmsweise mal das Richtige tut, und dieselben Medien sich dann wundern, daß eine sogenannte Alternative (harrharrharr!) aus dem Stand in zweistelligem Prozentbereich in die Landtage gespült wird ~ sagt mal, wie vernagelt kann man sein?

Besorgte Bürger, tsssss! Ja, Sorgen mache ich mir auch. Aber realistisch betrachtet ~ der sogenannte rechte Rand war in der deutschen Gesellschaft schon immer vorhanden, genauso wie die interessierten Kreise, die diesen Rand immer wieder mal für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Dazu braucht es in der Regel einen Sündenbock, und der sind diesmal halt nicht die Juden, sondern die Flüchtlinge, besonders die aus islamisch geprägten Ländern. Seelig sind die geistig Armen, denn sie merken nicht, wie sie hinter die Fichte geführt werden . . .

„Wachstum“sraten in dieser Größenordnung würden ansonsten von unseren neoliberalen Leitmedien als viel zu niedrig und fast schon in eine Rezession führend beschrieben, wenn es denn um unsere bedauernswert arme Wirtschaft ginge. Geht das aber um Flüchtlinge (aus islamischen Staaten, oder wahlweise für die USA aus Mexico, genauso im Süden), dann wird das eine Schwemme, eine Flut, um nicht zu sagen ein Tsunami ~ richtet Dämme auf, auf daß wir nicht ersaufen!

Die wirkliche Krise fällt unter den Tisch. Diese Menschen(!) kommen zu uns nach Europa, weil in ihrem Land durchgeknallte sogenannte islamistische Horden verschiedener Couleur mit unterschiedlich motivierter Unterstützung, auch von westlichen Ländern, auch Europa, auch Deutschland, und auch mit Waffen, die wir verkaufen oder verschenken, sich gegenseitig die Köpfe abhacken. Es mögen auch einige sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge dabei sein, Menschen(!), die sich ein besseres Leben erhoffen, im Übrigen eine legitime in der amerikanischen Verfassung verankerte Motivation (das Recht auf Streben nach Glück, explizit auch in $).

Zum Verständnis hilft es vielleicht, sich die armen Irren anzuschauen, die zu hunderten aus England, Frankreich und auch aus Deutschland nach Syrien gezogen sind, um auf der Seite des Daesch (Dāʿisch / داعش), der von den deutschen Medien tatsächlich durchgängig als „Islamischer Staat“ tituliert wird, zu kämpfen. Es handelt sich durchgehend um junge Menschen, die in ihren Heimatländern keine Perspektive gefunden haben, die zu denen gehörten, die im Auswahlprozess um die Plätze an der Sonne unten rausgefallen sind. In Frankreich sind das gewöhnlich als Erbe aus der Kolonlialzeit junge Menschen mit Wurzeln in der x-ten Generation im Maghreb, in Deutschland Türken der dritten oder vierten Generation der für das Wirtschaftswunder ins Land gerufenen Gastarbeiter, die am überall vorhandenen latenten Rassismus scheitern. Solange Jugendliche bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz nur wegen eines türkischen Namens im Absender vom Personalmanager aussortiert werden, ohne überhaupt die Bewerbung gelesen zu haben, kann von Integration keine Rede sein. Und solange unser Wirtschaftssystem einen wachsenden Prozentsatz auch der „biodeutschen“ Bevölkerung über Harz IV aus der Teilhabe an der Gesellschaft ausschließt, und der „besorgte Bürger“ Angst hat, ebenfalls unten rauszufallen, wird es einen Pool von Wählern geben, die sich im Zweifelsfall für den Fremdenhass als Ablenkungsmanöver instrumentalisieren lassen.

Die wahre Krise liegt in der Tatsache begründet, daß sowohl auf nationaler, europäischer als auch globaler Ebene die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Die 62 reichsten Menschen besitzen inzwischen so viel Vermögen wie die Hälfte der Menschheit ~ 3,5 Milliarden (Quelle: Zeit, Oxfam). Zum einen ist das begründet in den systemischen Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung, zum anderen, nicht ohne Zusammenhang damit, den systemischen Grundlagen der Macht, auch in unseren parlamentarischen, repräsentativen Partei-Demokratien, und der Struktur der Massenmedien. Ich hör schon wieder einige schreien: Verschwörungstheorie! Verschwörungstheorie! Aber dafür braucht es gar keine Verschwörung, nur Egoismus und das Schwimmen in der heimischen Meinungsblase, nicht nur auf Fakebook.

Als ich in meiner Jugend das Denken gelernt habe, war der Bericht des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums ein viel diskutiertes Buch. Die Schlußfolgerungen aus der Studie, daß jedes letztendlich exponentielle Wachstum in einer begrenzten Welt mit begrenzten Resourcen zum nicht nur wirtschaftlichen Kollaps führt, sind anscheinend spätestens mit dem Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts vergessen. Wachstum, Wachstum über alles, das macht die Investoren glücklich, und jeder, absolut jeder Sender, auch der öffentich-rechtlichen Bedürfnisanstalten, hat seinen Aktienticker zur Primetime um die Hauptnachrichtenzeit. Und immer geht es um Wirtschaftsdaten, Aktienindexe und BIP, und nur wenn die wachsen, wachsen, wachsen ist die Welt in Ordnung.

Der Slogan „small is beautiful“ aus den alten Zeiten ist anscheinend auch den Grünen nicht mehr präsent, auch nicht Kretschmann, dem grün angemalten schwarzen, der sogar mal rot gewesen sein soll. Daß in diesem Wirtschaftsystem der Außenhandelsüberschuss der Bundesrepublik, auf den wir so stolz sind, logischerweise Verschuldung in den Ländern bedeutet, aus denen dieser Überschuss zu uns fließt, wen scherts! Daß die CO²-Reduktion der Bundesrepublik zum allergrößten Teil mit einer Erhöhung in China generiert wurde, wo ja inzwischen die hier konsumierten Waren hergestellt werden ~ pffffft! Daß der Herr Draghi, Zögling von so integren und vertrauenswürdigen Institutionen wie Goldman Sachs sechzig Milliarden €uro jeden Monat in den „Markt“ schmeißt, damit der Geldfluß zu denen, die schon haben, nicht abreißt, auch wenn die Altersversorgung der Bevölkerung (Kapital-Lebensversicherung, Rentenversicherung) damit in Dutt geschmissen wird ~ was solls! Wenn die IWF den Ländern der dritten Welt (oder auch Griechenland) Kredite nur unter Auflagen genehmigt, die neoliberalen Spielregeln entsprechen, Korruption fördern und die ärmsten der Armen den Preis bezahlen lassen ~ wen kümmerts?

Daß die großen europäischen und amerikanischen Medienkonzerne mit ihrer West/USA/Nato Vernetzung in das neoliberale Horn blasen, nun gut. Das sind schließlich Wirtschaftsunternehmen. Daß unsere politischen Parteien auch nur das Lied der Wirtschaft singen, daran hat man sich gewöhnt. Auch die Grünen sind nach einer revolutionären Phase aus ihren Turnschuhen gestiegen, haben die Häkelnadeln beiseite gelegt und sich dem Erhalt und dem Ausbau der Macht gewidmet. Und der Durchsetzung politischer Interessen mit Waffengewalt zugestimmt . . . zum Zustand unser Partei-Demokratien allgemein gibt es auf heise.de eine interessante Artikelserie des Volkswirts und Politikwissenschaftlers Wolfgang Koschnik, ~ lesenswert!

Eine Lösung der Krise(n) ist jedenfalls weder von der Politik, den Parteien, der Wirtschaft, noch den Medien zu erwarten. Denn alle schwimmen in ihrer eigenen Blase von virtuellem oder realem sozialen Netzwerk, die Probleme machen immer die anderen. Und so wird alles weiter so laufen wie gehabt.

Es ist alles eine Frage der Perspektive, das ist einem als Photograph vielleicht bewusster. Was du siehst, hängt immer davon ab, von wo du kuckst. Und wenn dir irgendeiner irgendwas erzählt, solltest du dich immer fragen, wer dir da was von welchem Standpunkt aus und zu welchem Zweck erzählt . . .