Wenn man so als Badener ins Bajuwarische fährt, hat man mindestens drei Bilder im Kopf: Alpen ~ die sind in den letzten Beiträgen vom Walchensee zu sehen; Milchkühe im Allgäu ~ die sind zur Zeit jedenfalls im Stall, nur die rückwärtig abfallenden Produkte sind überall zu riechen, weil die auf jede Wiese verklappt werden; Bayrischer Wald ~ wild und natürlich! Hah!!! Da müsste ich noch etliche Kilometer fahren. Hier gibt es überwiegend Wirtschaftswald, sprich Fichtenplantagen, in die man sich mit Unimog und schweren Vollerntern hineinwühlt, um Holz, sprich Geld herauszusägen.
Trotzdem heute ein schöner Waldspaziergang. Wenn der Eingang zum Wald so aussieht wie in den obigen Bildern, macht das in der Regel keine Freude. Aber in diesem Wald war der Boden durch Moos und Kraut schön grün, auch die Wurzeln und die Stämme sind im unteren Bereich bemoost.
Vereinzelt findet sich, vor allem am Waldrand, auch die eine oder andere Buche, schön lebendig, aber sogar tot wie oben machen die dem Auge mehr Freude. Das Moos ist bis in die Spitzen geklettert, grüne Finger durchbrechen die strengen Vertikalen der Fichten.
Der Reiz dieses Spaziergangs im Wirtschaftswald liegt aber im Detail. Wenn ein junger Buchenschößling rot durch das Laub des letzten Jahres einen poppigen Kontrast bietet zu warmgrünem Moos und kühler grünen Fichtenschößlingen, dann freut das die Seele. Auch ein kleiner mit Sternmoos bewachsener Hügel, die glattgeschliffenen Holzstrukturen eines fast verwitterten Baumstumpfes, Holzpilze, die sich an einem Stumpf gütlich tun, machen eine langweilige Stangenlandschaft interessant.
Spaziergang
Dennoch wundert mich, daß bei den überall sichtbaren Sturmschäden, von denen überwiegend die Fichten betroffen sind, die oft mitsamt dem Wurelteller aus der Erde gerissen werden, die Neuanpflanzungen dennoch wieder mit der Fichte gemacht werden. Ein Laubmischwald wäre viel widerstandsfähiger, nur die Fichte verspricht eben früheren Gewinn. Wobei, was heißt hier früher. Auch bei der Fichte vergehen Jahrzehnte, bevor die Investition wieder zurückfließt, aber bei den Laubbäumen dauert das sicher doppelt so lang . . . für Generationen vorauszudenken ist nicht wirklich mehr en vogue.
Wie groß die Kräfte sind, die die Stämme brechen, kann man sich ausmalen, wenn man diesen total zerfetzten Baumstumpf sieht oder die einzelnen Fasern eines Stammes, die sich im Bruch voneinander gelöst haben. Das Holz knickt nicht einfach um wie ein Streichholz, das man zwischen den Fingern knickt. Wenn der Sturm den Baum durch ungleiche Last dreht, dann reißt der Stamm durch die Torsion in einzelnen Fasern längs auf ~ die Kräfte sind gewaltig.
Wenn dann auch noch ein Gewitter tobt, wie gestern Nacht, dann kann das auch einen starken Laubbaum das Leben kosten. Die Energie eines Blitzes ist so groß, daß sie die Flüssigkeit in den Adern des Baumes schlagartig zum Verdampfen bringt und danach der Baum von innen verkohlt. Weglaufen kann so ein Baum schließlich nicht, und auch für uns Menschen ist der Wald bei einem Unwetter ein recht ungesunder Aufenthalt.
Und dann wurde der Wald schon fast zum Park. Weniger Nadelbäume, mehr sehr alte Laubbäume. Auf einem Hügel liegt Schloß Hirschberg am Haarsee, ein Riesenhaus mit einem Turm, aber noch gar nicht sooo alt, wie man erwarten könnte. Wer mag, kann auf Wikipedia mehr über das Schloß und seine wechselhafte Geschichte lesen. Das Schloß soll Karl Rudolf von Hirschberg, königlichem Kämmerer und Generalmajor, Kommandeur der 4. Königlich Bayerische Kavallerie-Brigade, vor ungefähr 110 Jahren um die eine Million Goldmark gekostet haben, wobei er zumindest Grund und Boden aus der Mitgift seiner Ehefrau bezahlte. Daß auch Kriege trotzdem nicht für alle ein gutes Geschäft sind, stellte sich später heraus. Durch Hyperinflation und dann wertlose Kriegsanleihen in Schwierigkeiten geraten, mußten sie das Schloß vermieten. Im dritten Reich wurde es 1943 beschlagnahmt und als „Gästehaus des Reichsaußenministeriums“ genutzt. Benito Mussolini war 1943 nach der Befreiung aus der Gefangenschaft durch deutsche Fallschirmjäger einige Zeit hier untergebracht, 1944/45 war der ungarische Reichsverweser Miklós Horthy hier gefangen, bewacht von einer Hundertschaft SS und zwölf Mann der Gestapo. Vom 1. Mai 1946 bis 1961 oblag die Gebäudenutzung der US-Regierung, ab 1961 bis Juni 2000 nutzte der Bundesnachrichtendienst das Gebäude zur Schulung von Anwärtern für den höheren Dienst, mit einem Schießstand im Dachgeschoß. Zumindest zuerst geheim, spätestens ab Mitte der 1970er Jahre belauscht von der Stasi des Bruderstaates. 🙂 Über was man nicht so stolpert, wenn man nach einer kleinen Wanderung in Wikipedia nachblättert . . .
Zum Abschied noch ein ganz ruhiges und einfaches Bild, eine uralte Buche, zur Silhuette reduziert. Ich hoffe, ihr habt auch ein wenig Freude beim Lesen und Schauen gehabt, so wie ich auf dem Spaziergang und beim Verfassen des Artikels . . .