Realsatire . . . ?!?

Das hat nun eine Weile vor sich hingegärt, ein Ereignis, das sich letzten Montag zugetragen hat, an einer der NATO-Panzerrampen am südlichen Oberrhein. Manche Dinge brauchen eine Zeit der Reife, bevor aus Zucker Alkohol, oder auch durch Fermention aus Milch Käse wird. Und manchmal braucht der Geist seine Zeit, um zu entscheiden, ob aus einem als surreal empfundenen Erlebnis ein Äquivalent zu einem geistreichen (%!) Getränk oder doch nur mehr oder weniger fetter Käse entsteht. Besonders da der hier dilettierende Blogger seit je her ein wenig seine Schwierigkeiten damit hat, die an ihn zwischen- und übermenschlich herangetragenen Lebensäußerungen der Gattung Homo zu sortieren. War das jetzt Ernst oder Quatsch, kann jemand bei klarem Verstand so denken oder ist das eine Realsatire?

Zum Ort des Geschehens: Hier am Oberrhein gibt es als Überbleibsel aus dem kalten Krieg etliche sogenannte NATO-Rampen, die damals geschaffen wurden, um im ‚Verteidigungsfall‘ schweres militärisches Gerät über den Rhein zu bringen und dem ‚Feind‘ entgegenzuwerfen. Schon damals waren die Nato-Rampen am Wochenende Ziel der Einheimischen für diverse Freizeitvergnügungen, Picknick, Spaziergänge und Paddelausflüge am/auf dem Altrhein. Ich selbst durfte Mitte der sechziger Jahre als Knirps auf einem der noch ungeteerten Zufahrtswege meine ersten Fahrversuche mit Opas Opel machen. Auf der Fahrersitzkante balancierend, nicht über, sondern durch das Lenkrad linsend, kaum mit den Füßen die Pedale erreichend. Deshalb und auch mangels Übung mit Kupplung und Gas ein Kavalierstart mit durchdrehenden Rädern und schlitterndem Bremsen bis zum Stillstand. Ein einmaliger Versuch, was Wunder, dem Opa war das zu gefährlich 🙂 Bundesweite Bekanntheit hat auch die Nato-Rampe bei Wyhl durch die erfolgreichen 🙂 Proteste gegen den Bau des geplanten Kernkraftwerks erlangt. Auch heute noch erfreuen sich die Rampen als einfachen Zugang zum Altrhein großer Beliebtheit, man fährt an, um seinen Hund spazieren zu führen, läßt sein Boot zu Wasser, startet zu einer Radtour am Rhein, macht auf Picknick mit Familie. Und am Wochenende finden sich auch immer wieder Wohnmobilisten, die Entspannung in der ‚Natur‘ suchen.

Auch an diesem wettermäßig arg gemischten Wochenende, ein strahlend sonniger Samstag gefolgt von einem komplett durchregneten Sonntag, war ich zu keinem einzigen Zeitpunkt alleine. Die schwedischen Goldsucher mit zwei Wohnmobilen, ein kerniger Kerl mit einem pfiffigen Zeltaufsatz auf einem Citroen Kombi, und diverse VW-Busse und Mercedes Wohnmobile. Alles in Allem ein normales Wochenende an der Rampe, nur für die Aktivitäten der Paddeltourveranstalter, die sonst mit einem guten Dutzend Kanus dafür sorgen, daß die Wiesen um die Rampe mit PKWs der Teilnehmer zugeparkt sind, war die Saison anscheinend schon vorbei. Auch für die Polizei, die einmal mit zwei Wagen kurz nacheinander vorbeifuhr, wohl ein ganz normales Wochenende, kein Grund einzugreifen.

Am Montagvormittag hatten sich dann die Wochenendgäste alle davongemacht, bis auf die üblichen Hundeführer und Vorbeiradler war ich also alleine, beschäftigt mit dem Verfassen einer längeren Email, als ein neutralweißer Kombi vorbeifuhr und vor dem alten Herrn Magirus einparkte. Ihm entstieg, und ich erwähne das nur deshalb, weil es die skurile Note des Erlebnisses hervorhebt, ein relativ zu mir recht junger Mann mit einer morgendlich frisch rasierten und polierten Glatze, der sich mir höflich mit Namen (den ich vergessen habe) und Dienstherrn, dem Wasser- und Schiffahrtsamt Freiburg vorstellte und mich fragte, ob ich vor hätte, länger zu bleiben. Hatte ich nicht, und hab ich ihm auch so gesagt. Darauf er, daß das Campen hier verboten wäre. Ich, daß das aber hier durchaus üblich wäre. Er in Folge (ZITAT!): „Und wenn es üblich wäre, Hochhäuser anzuzünden, dann hieße das noch lange nicht, daß das erlaubt wäre. Aber da bräuchten wir nicht darüber diskutieren, es wäre verboten, und SIE wollten ja schließlich keinen zusätzlichen Hotspot wie in . . . , den ich ja wahrscheinlich auch kennen würde“

Nun, daß Diskussionen mit Menschen mit gefühlt eingebauter Berechtigung normalerweise fruchtlos verlaufen, hatte ich schon in früher Kindheit gelernt. Der Vater: Komm, wir müssen miteinander reden. Hör zu. Bla, bla, bla, bla. Also, du hast mich gehört, Schluß, du weißt bescheid! So wiederholte ich also meine vorige Bemerkung, daß ich eh vorhatte, weiter zu fahren, uuund Tschüß!

Diskussionsbedarf hätte es nach dieser Bemerkung allerdings jede Menge gegeben. Brandstiftung ist nach §306 StGB eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren geahndet wird, sollte dabei, wie man es beim Anzünden eines Hochhauses erwarten könnte, ein Mensch zu Tode kommen, nach §306c StGB mit lebenslanger Freiheitsstrafe, jedenfalls nicht unter zehn Jahren. Beide Tatbestände gehören zu den sogenannten gemeingefährlichen Straftaten.

Wenn es sich denn in diesem Fall überhaupt um ‚wildes Campen‘ handeln würde, was mangels Beschilderung an diesem speziellen Ort, wie es sie an anderen NATO-Rampen durchaus gibt, und nicht einfach um legales Parken, ist durchaus Interpretationssache, im schlimmsten Fall aber eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem geringen Bußgeld erledigt wäre. Da an dem angesprochenen ‚Hotspot‘ seit Jahr und Tag zumindest ein Fahrzeug einen Dauerstehplatz gefunden hat (und ich da nur noch selten zu Gast bin, weil ich die dauerhafte Okkupation eines solchen Platzes auch nicht sooo toll finde), scheint das auch nicht so einfach zu sein, dieses Fahrzeug da wegzubekommen. Es hat mir auch noch niemand einen Paragraphen nennen können, der das sogenannte ‚wilde Campen‘ verbieten würde, die Suche auf dejure.org führt so jedenfalls zu keinem Ergebnis. Nichtsdestotrotz ist in Deutschland erstmal alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist 😉 eine Zusammenfassung gibt es hier:

Wie dem auch sei: Daß ausgerechnet ein höflicher Amtsträger, der sein Anders-Sein mit einem gut gepflegen Glatzkopf äußerlich kundtut, in einem Staat, in dem seit einigen Jahren wieder Flüchtlingsheime brennen und Heimatlose und Andersgläubige mit Gewalt verscheucht werden sollen, und den Leutchen, die das tun, vorher von gewissen geheimen Diensten des Bundes und der Länder, und zwar ausgerechnet dem Verfassungsschutz zigtausende €uros in den Hintern geblasen werden, einen zwischen anscheinend und offensichtlich auf anderer Ebene anders lebenden Bürger mit einem Vergleich kriminalisiert, der irgendwie schon Assoziationen zu den omminösen Holocaust-Vergleichen weckt ~ ~ ~ ist das jetzt nur skuril oder Realsatire?

Ich zitiere wieder mal aus einem viel im Munde geführten, leider aber selten gelesenen Büchlein, dem deutschen Grundgesetz:
Artikel 1, Satz 3
Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 2, Satz 1
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Artikel 11, Satz 1
Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

Artikel 2 erlaubt dem Mitarbeiter des Wasser- und Schiffartsamtes wie jedem anderen Bürger dieses Staates unter anderem, seine Haare zu schneiden, wie es ihm gefällt, und wenn es ihm denn gefällt, auch jeden Tag mit dem Elektrorasierer oder der Klinge die letzten Stoppel zu kappen. Es erlaubt aber auch in Verbindung mit Artikel 11 einem nicht verbeamteten Bürger, mit einem offiziell korrekt zugelassenen und versteuerten Fahrzeug eine nicht zufahrtsbeschränkte Straße zu befahren und sein Fahrzeug abzustellen, wo kein Parkverbot gilt. Es gilt Freizügigkeit in konkretem wie im übertragenen Sinn. Und auch die, die alles, was anders ist stört (Hörempfehlung BAP, Kristallnacht), sollten sich mit kriminalisierenden Vergleichen zurückhalten, gerade auch von Amts wegen!

Fortsetzung folgt, vielleicht, für heute hat sich Blogger vorgenommen, sein Lieblingsthermalbad aufzusuchen, um Wärme und Sonne zu genießen!
Dringend nötig, nach dieser Rekapitulation der Ereignisse!