Fortsetzung: . . . romantisize . . .

Mit Nachträgen . . . #

und noch einer ~ verlassener Bauernhof in der Sierra de Gúdar
und noch einer ~ verlassener Bauernhof in der Sierra de Gúdar

Es gab ja Zeiten, da ich auf der Suche nach sowas war. Kaum Geld in der Tasche, aber die Idee, aus dem Zwangsumtrieb der Zuvielisationsgesellschaft auszusteigen und mir die Ruine eines alten Bauernhofs im Süden (was damals Italien hieß) wieder herzurichten, für den Eigenbedarf Tomaten, Auberginen, Paprika, Pepperoni und Spaghettibüsche anzupflanzen . . . 🙂 . . . hat damals nicht geklappt, nur die damalige Lebensabschnittspartnerin (neudeutsch!) und immer noch gute Freundin war öfter mal leicht genervt, weil ich in jeden Haufen Steine krabbeln mußte 🙂

1931? Baujahr?
1931? Baujahr?
geteilte Eingangstür
geteilte Eingangstür

Vielleicht wäre ich damals hier in den spanischen Bergen hinter Valencia und Castellion eher fündig geworden. Jede Menge einsam gelegene einzelne Höfe und sogar ganze verlassene Dörfer. Viel Grün, Pinien, Zypressen und auch Eichen, Rosmarin und anderes Gestrüpp ohne Ende. Stellen mit auf der einen Seite Blick über Berge bis zum Meer, auf der anderen Seite reiht sich eine Bergkette nach der anderen ins Binnenland.

das Bedürfnis nach Schönheit ~ Zierkacheln im Fußboden, Reisigbesen
das Bedürfnis nach Schönheit ~ Zierkacheln im Fußboden, Reisigbesen

Inzwischen hab ich ja den alten Herrn Magirus; ob ich nochmal so ein Lebensprojekt neu starten könnte, laß ich mal dahingestellt. Trotzdem klettere ich immer noch in jedes verlassene Haus, das auf dem Weg liegt, neugierig auch auf die hinterlassenen Indizien der Menschen, die diese für uns so romantischen Überreste im Wortsinn belebt haben. Töpfe, Pfannen, Schöpfkellen, Schuhe und Kleidung liegt manchmal herum, ganz als ob die Häuser fluchtartig verlassen worden wären. Es wird oft genug der Tod gewesen sein, der diesen Zustand herbeigeführt hat. Die Kinder waren wohl meist schon an die Küste gezogen, wo das Leben tobte, wo es Jobs gab, wo man sich Wohlstand erarbeiten konnte. Und was konnten die Nachkommen mit den kärglichen Resten des Eigentums dann anfangen? So blieben diese Dinge als Zeugen der Vergänglichkeit allen Lebens zurück . . .

Schlafzimmer? 'Strohsack' geüllt mit Maiskolbenhüllblättern
Schlafzimmer? ‚Strohsack‘ geüllt mit Maiskolbenhüllblättern

Für den Romantiker reizvoller sind wahrscheinlich immer die besseren und großzügigeren Häuser der besitzenden Bauern, wie das oben mit dem schönen Schlafzimmer mit der Maisblattmatratze. Wobei ich in dem Fall glaube, daß der Strohsack ursprünglich im kleinen fensterlosen Nebenraum lag, denn auch da lagen etliche der Maisblätter. In diesen Herrenhäusern gab es die besseren Maurer- und Schreinerarbeiten, das Bedürfnis nach Schönheit zeigt sich auch mal in Zierkacheln im Fußboden des Erdgeschosses, die ich mit einem vor Ort gefundenen Reisigbesen freilegen konnte.

# die guten Sonntagsschuhe der Hausherrin links oben und des Hausherren rechts
# die guten Sonntagsschuhe der Hausherrin links oben und des Hausherren rechts

# Die Fahrradtour von gestern habe ich heute nochmal in umgekehrter Richtung gemacht, in der Hauptsache, weil mir die guten Sonntagsschühchen der Hausherrin aus feinem genarbtem Leder, genagelter Ledersohle und Lederabsätzchen und auch die Sonntagsschuhe des Herren, verstärkt mit genagelten Stahlkappen an den Spitzen und auf den Absätzen, keine Ruhe gelassen haben. Werden schon damals nicht billig gewesen sein, aber heute bekommt man diese Handwerksarbeit nur noch für teuerstes Geld von Spezialfirmen nach Maß gearbeitet. Für dieses Photo bin ich mit einem Liter Wasser und einer Zahnbürste losgefahren, um die Treter von dem Staub der Jahrzehnte zu befreien. Ich hätt ja wirklich gerne mal die Dame des Hauses im Sonntagsstaat gesehen. Leider war nicht einmal ein Photo zu finden . . .

Tür im Nebengebäude
Tür im Nebengebäude
Unterwegs: Land-Art ~ das Netz der Riesenspinne
Unterwegs: Land-Art ~ das Netz der Riesenspinne
Kammer des Knechts?
Kammer des Knechts?

Aber auch in den kleineren Kammern der Knechte (in einem anderen Hof) wurde vom besseren Leben geträumt. Neben einer noch fast intakten Jeanshose und einer zerfledderten Regenjacke hing da an der Wand ein Kalenderblatt mit einer spärlich bekleideten Blondine aus dem Jahr ’87, aber auch ein kleines Plakat mit zwei Kindern in bürgerlichem Wohnzimmer ~ der einfache Mann träumt also durchaus mehrdimensional.

der eine Traum . . . Kalenderblatt von '87
der eine Traum . . . Kalenderblatt von ’87
der andere Traum? ~ Familie, Kinder, Wohlstand?
der andere Traum? ~ Familie, Kinder, Wohlstand?

# Zu dem Plakat habe ich noch ein wenig gegoogelt. Ultramarinos (Jenseits des Meeres) nannte man wohl die nach Übersee, also meist nach Südamerika oder Kuba ausgewanderten Spanier, und Antonio Vidal, genauer José Antonio VIDAL RODRÍGUEZ, ist Anthropologe und Historiker und Spezialist für Emigration mit einer beeindruckenden Literaturliste, er wird wohl in Lucena del Cid, einer kleinen Stadt in der Gegend, einen Vortrag gehalten haben. Unser ‚Knecht‘ hat wohl auch von einem besseren Leben auf der anderen Seite des Atlantiks geträumt . . .

Jeepster
Jeepster
# Jeepster Radkappe
# Jeepster Radkappe

Den zurückgelassenen Jeepster habe ich an einem Hof gefunden, der in mir die Ahnung eines gescheiterten Aussteigertraums aufkommen lassen hat. Kein Mensch, kein Lebenszeichen, herumliegender Baumüll, versteckt hinter ein paar verfallenen Mauern ein Fenster mit gestapelten Besitztümern. Ein leerer Wassercontainer, ein Autositz in einem offenen Hundezwinger, oder sollte das ein Hühnerstall sein? Da fragt sich der Vagabund dann, was denn jetzt wäre, wenn das damals geklappt hätte. Nix genaues weiß man nicht und kann man nie wissen . . .

Jeepster
Jeepster
Jeepster ~ ob er da tatsächlich?
Jeepster ~ ob er da tatsächlich?

# Autositz im Hundezwinger
# Autositz im Hundezwinger
ein ganzes Dorf ~ verlassen
ein ganzes Dorf ~ verlassen

Die Variante für gesellige Menschen ist sicher ein ganzes Dorf, das sich eine Gruppe von Menschen mit Durchhaltevermögen und nicht gerade zwei linken Händen wieder herrichten könnte. Auch das gibt es hier nicht nur einmal. Wenn ich hier beim Schreiben links aus dem Fenster schaue in Richtung Penyagolosa, kann ich auf einem Berghang gegenüber eines dieser Dörfchen sehen. Gestern auf meiner Radtour gleich drei, eines davon mit Umtrieb, zwei offensichtlich ausgestorben. Es gäbe schon Möglichkeiten . . .

näher ~ das verlassene Dorf
näher ~ das verlassene Dorf

# Und für morgen kündige ich schon einmal eine ausführlichere Geschichte um das Land-Art-Spinnennetz an ~ das gehörte nämlich zu einer anderen Entdeckung des heutigen Tages . . . 🙂