Nach einigen Tagen im Funkloch in den Bergen der Serra de Calderona über dem Tal, das ich am Osterwochenende verpaßt hatte, bin ich nun wieder zurück an der Küste an meinem gewohnten Strand. Wobei das mit der Gewohnheit so eine Sache ist. Nach den Nächten in den Bergen, ohne einen Laut, direkt neben einer Straße geparkt, auf der auch am Tag keine zwei handvoll Autos vorbeigefahren sind, ist die Umstellung auf die umtriebige Küstenregion mit den vielen Menschen, die auch den Strand hier bevölkern, nicht ganz einfach. Seltsam fremd, noch fremder als sonst kommen mir meine Mitmenschen vor. Sogar an das Rauschen der Wellen keine hundert Meter weg muß ich mich erst wieder gewöhnen . . .
Der Sonnenaufgang heute morgen recht blaß trotz Wolken über dem Horizont und leichtem Dunst, dafür wenig später ein Anblick, den ich hier so noch nie erlebt habe: die Wellen der vom kräftigen Wind der letzten Tage übriggebliebenen Dünung werden in dem Moment, bevor sie brechen, transparent durchleuchtet von der Morgensonne. Ein Anblick wie das Photo im Kopf dieses Blogs, nur waren das damals etwas größere Brecher an der portugiesischen Atlantikküste, am späten Nachmittag. Wie dem auch sei, es freut mich und auch den Wellenreiter mit seinem bemalten Kastenwagen, der fast jeden Tag zu seinem Ausflug auf seinem Brett hier auftaucht. Und auch die Angler und ein Schimmelreiter sind schon da . . .
Die Nicht-Allgegenwart des Netzes hat ~ nachdem ich erst den frustreichen Kampf aufgegeben hatte ~ in diesen zurückliegenden Tagen auch den Zwang zur Beschäftigung mit den täglichen Katastrophen der Politik obsolet gemacht, eine Befreiung ganz eigener Art. Auch an das Vernetztsein muß ich mich erst wieder gewöhnen. Aber dieser Artikel wird sich vor allem mit den Abenteuern im Funkloch beschäftigen, also hopp und hinein!
Ich war von der Gegend um den Paß von Montmayor wieder hinuntergefahren nach Altura, Lebensmittel fassen, um dann wieder hinaufzuziehen in das eine Woche vorher verpaßte schöne Tal, das ich Valle Preciosa taufe. Kein Wunder, daß ich daran vorbeigefahren war ~ ein schlichter Abzweiger in einer Kurve, ohne Beschilderung. Durch Tal und Schlucht das schmale Sträßchen hinauf bis fast auf den Paß, denn der Nachmittag war schon fortgeschritten, und ich wollte ein Plätzchen suchen, an dem am nächsten Morgen die Sonne ohne Hindernis erscheinen konnte. Und dann tagsüber zu Fuß dem Tal abwärts folgen bis zu jener Badewanne im Fels, die ich auf meiner Radtour vom Valle Bonito entdeckt hatte.
Und zwar nicht der Straße folgend, sondern dem in dieser Höhe noch trockenen Bachlauf. Hinab durch die Mandelplantage, an der der alte Herr Magirus den Ruheplatz für zwei Nächte gefunden hatte, in eine immer enger werdende und immer mehr bewachsene Kerbe zwischen den Bergen.
In der sicheren Erwartung, daß der Spaziergang etwas länger und durch das Fehlen von Weg und Steg auch nicht ganz einfach werden würde, hatte ich die Tongs abgelegt, Socken über die Füße gestülpt und die Turnschuhe geschnürt. Im Zickzack die Terrassen der Mandelbäume hinunter, dann wurde das dicht und dichter. Die Pflanzen, auch die, denen man das auf den ersten Blick gar nicht zutraut, wehren sich hier mit Händen und Füßen, will heißen Dornen, gegen das Durchstreifen von Tieren, vor allem solchen, die auf zwei Beinen eine große senkrechte Angriffsfläche bieten. 🙁 So windet sich also der Vagabund durch die Ranken, diese immer wieder sachte zur Seite flechtend. Und öfter wollen die ihn gar nicht loslassen, so sehr mögen sie ihn 🙂 zum Verweilen überreden . . . die Stiche der Widerhaken brennen wie mit Gift bepinselt, erst nach einer Weile beruhigt sich die gepiekste Haut.
Und dann wird das auch noch immer enger, immer steiler. Als ich hier eine Stufe von eineinhalb Metern hinunterspringen muß, verliere ich auf der schrägen Felsplatte unten das Gleichgewicht, falle rückwärts und lange mit beiden Händen in die anhänglichen Ranken. Ganz ohne Schrammen geht das nicht ab, aber es wurde eh wieder einmal Zeit, den Tetanus-Titer zu puschen, denn das ist eine wirklich gefährliche Krankheit! 🙂
Jedenfalls bin ich froh, nach dem Umklettern dieser doppelten Felsstufe mit Becken auf der anderen Seite des sich vorübergehend öffnenden Talkessels eine Piste zu sehen, der ich etwas komfortabler folgen kann. Nicht ganz unten in der Talkerbe, aber da wird es jetzt eh zu feucht, das fließende Wasser wird nur teilweise von hohem Gras verdeckt. Irgendwann lande ich dann doch auf der Straße und folge ihr abwärts über zwei Rialtas, betonierte Furten. Das Wasser des Flusses fließt da durch überbetonierte Röhren, kann aber im Fall Hochwasser auch über die Straße strömen. Wie so oft hat ein Jäger sich das Schild zum Ziel genommen, die Frage ist nur, welche Donnerbüchse er dabei benutzt hat ~ durch das Loch paßt auch mein Daumen . . . 12er Schrotflinte aufgesetzt? Lebensmüde?
Vorbei an Felswänden, zum Teil senkrecht gekippten Sandsteinschichten, ein Paradies für Kletterer, die sich durch die darunter liegenden Ranken gekämpft haben 🙂 erreiche ich schließlich mein Ziel, die kleine Kette von Becken im Fels.
Und da, ganz am unteren Ende meiner Wanderung, dann doch ein Steg:
Die zwei durch einen Wasserfall verbundenen Becken passen nicht zusammen auf ein Bild, also mache ich zwei und verbinde sie am nächsten Tag mit meiner Panoramasoftware Hugin. Muß ein Bild vier Ecken haben? Gestichte Photos haben die nur nach Beschnitt, wobei dann leider auch Teile wegfallen, das liegt in der Natur der Sache. Erst nach intensiver Arbeit, Entzerrung in Photoline, läßt sich hier der Abfall halbwegs minimieren.
Den Rückweg zum alten Herrn Magirus, nun bergauf, versuche ich nicht ganz so kompliziert zu gestalten. Zwar nicht einfach der Straße entlang, was das Kürzeste wäre, aber auch nicht wieder streng dem Bachbett aufwärts folgend, was noch kämpferisch-anstrengender wäre als abwärts. Der Piste von vorhin aufwärts folgend, über den Anschlußpunkt hinaus im Bogen zurück zum Paß, so ist der Plan. Nur wird der Bogen immer länger, obwohl ich bei jeder Gelegenheit einen Abzweiger gefühlt Richtung alten Herrn nehme. Schließlich verliert sich der letze Abzweiger im Vagen, es geht querfeldein einen Hügel hinauf. Oben angekommen dann der folgende Blick, punktgenauer Treffer! Nur liegt noch der eine oder andere Hang mit verbrannten und gefallenen Stecken weg- und steglos vor mir . . .
Endlich unten angekommen beschließe ich, faule Ratte zu sein und den zwar um einiges längeren, aber bequemeren Weg über die Piste und das Wäldchen rechts im Bild zu nehmen, um den alten Herrn Magirus letztlich doch über die Straße zu erreichen ~ nach viereinhalb Stunden sowohl steif als auch schlaff, hungrig und durstig. Der Joghurt mit Rosinen und Nüßchen und die zwei Birnen waren als Frühstück wohl doch etwas zu knapp 🙂
Am nächsten Tag schnappe ich mir wieder Vincent III und radle über den Paß hinweg auf der südlichen Seite der Serra Calderona hinunter, um zu sehen, ob ich auf dieser Straße aus den Bergen heraus in Richtung Valencia kommen könnte. Steil geht es bergab, das läuft, daß es eine Freude ist. Links und rechts immer wieder ein Abzweiger zu einer ungeteerten Piste, dann geht es schließlich wieder bergauf. An einer Kreuzung im Nirgendwo verliert sich vorübergehend der Asphalt, weiter geht es nur geschottert. Rechts oben auf dem Berg taucht der Feuerwachturm von vor ein paar Tagen auf, und als ich um einen Bogen des Hügels herumradle, sehe ich auf der anderen Seite des Tales den Hang, auf dem der alte Herr Magirus auf seiner Gelände-Expedition die Serra Calderona hinaufgezogen ist. Wieder hat sich ein Kreis geschlossen 🙂
Frisch ist es geworden, ein steifffer kalter Wind bläst, und da der Wetterbericht von minus! neun! Grad! für die nächste Nacht fabuliert, und Wolken am nächsten Tag, beschließe ich, wieder hinunter an den Strand zu fahren, auf der altbekannen Autovia. Das war wahrscheinlich nicht die schlechteste Entscheidung, denn auch hier auf meinem Strand weht bei prallem Sonnenschein ein ausgesprochen kühler Wind, der mich in meinem Winterfleece frösteln läßt . . .
Übrigens: Bilder mit Sternchen klicken zum nah gucken!