Die Villa Hügel, von Alfred Krupp 1870-1873 als Familien- und Firmensitz realisierter Baukomplex mit 8.100 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche über 269 Räume, im 28 Hektar großen zugehörigen Hügelpark gelegen . . . ich bezweifle, daß ich mir ein solches Heim leisten könnte, sogar dann, wenn ich den vollen €urojackpot alleine knacken würde. Allein schon die Heizkosten ~ bei einer Meßreihe im März 1883 bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wurden insgesamt 71,5 Tonnen Kohle und Koks verbraten 🙁 ~ und das Personal, das täglich mit dem Staubsauger durchgeht, das Parkett bohnert, die Möbel poliert und die Fenster putzt ~ nicht auszudenken 🙂 Stammpersonal damals zwischen 421 und 648 Menschen, mehr wurden für größere Gesellschaften kurzfristig eingestellt.
Alfred Krupp war ein schwieriger Bauherr. Schon einen Architekten zu finden, der seine Pläne genau so realisieren würde, wie er es sich vorstellte, gelang erst nach der dritten Annonce in der Deutschen Bauzeitung, wohl auch, weil Krupp weniger als die Hälfte des üblichen Gehalts zahlen wollte. Im Lauf des Baus wurden dann auch mehrere Architekten verschlissen, weil Krupp zu genau wußte, was er wollte, und die Architekten nur als ausführende Gehilfen für seine Pläne sah, nicht aber auf deren Rat hörte. Zudem bestand er auf Einhaltung seines Wunschtermins für den Einzug, was auch deshalb schwierig wurde, weil der Beginn des französischen Kriegs dazu führte, daß die Mehrzahl der französischen Steinmetze die Baustelle verließ und ein Teil der deutschen Arbeiter zum Militärdienst eingezogen wurde. So waren am Bau „nur noch“ vierzig Steinsäger, 300 Maurer und 450 Erdarbeiter beschäftigt. Wegen des Termindrucks wurde die Sicherung des durch frühere Bergwerksarbeiten unterhöhlten Untergrunds vernachlässigt und Risse und Absackungen traten auf. So konnte die Familie Krupp dann im Januar 1873 mit eineinhalbjähriger Verspätung einziehen.
Die Villa Hügel war vor allem auch ein repräsentatives Objekt, mit dem die Familie Krupp mit festlichen Bällen und Empfängen punkten wollte, wobei sich allerdings der Rheinländische Hochadel eher fernhielt. Aber Kaiser Willhelm II samt Frau und Entourage war gleich mehrfach zu Besuch, seine und andere Kaiserliche Portraits finden sich an den Wänden des Haupthauses. Außerdem eignete sie sich hervorragend für den Empfang wichtiger Kunden, zum Beispiel Waffenkäufer aus aller Welt.
Krupp wurde reich mit der Fabrikation von Gussstahl, zu Beginn mit einer Walzmaschine für Besteck, dann der Erfindung eines nahtlosen Radreifens für die im Aufschwung befindliche Eisenbahn, ab den fünfziger Jahren des 19ten Jahrhunderts auch durch Waffentechnik (was in der Ausstellung in der Villa Hügel eher klein geschrieben wird). Im deutsch-französischen Krieg spielte die doppelte Reichweite der Kruppschen Stahlgeschütze gegenüber den französischen Bronzegeschützen eine tragende Rolle.
Alfred Krupp war ein Patriarch im alten Sinn des Wortes. Wie schon beim Bau der Villa erwähnt, mußte alles nach seinen Vorgaben ausgeführt werden. Um sich und seinem ständig expandierenden, aber auch hoch verschuldeten Unternehmen die nötigen treuen und zuverlässigen Arbeiter zu sichern (und nach einem Generalstreik, initiiert durch die Sozialdemokratischen Arbeiterpartei SDAP), führte er Sozialleistungen wie Krankenversicherung und Rente ein, baute Arbeitersiedlungen, in denen sie günstig wohnen konnten, und eröffnete einen Konsumladen, in dem sie günstig für den täglichen Bedarf einkaufen konnten. Wer sich allerdings aufmüpfig zeigte oder gar streiken wollte, wurde entlassen und verlor diese Privilegien komplett. An Demonstrationen teilzunehmen oder gar die aus der SDAP und des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins entstandeneSozialistische Arbeiterpartei Deutschlands zu wählen ~ das ging gar nicht und führte zur sofortigen Kündigung . . .
„Untreue und Verrat muss mit aller gesetzlichen Strenge verfolgt werden … denn wie aus dem Samen die Frucht hervorgeht und je nach seiner Art Nahrung oder Gift, so entspringt dem Geist die Tat – Gutes oder Böses.“
„Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein, dann bringt Arbeit Segen, dann ist Arbeit Gebet“
„Ich habe die Erfindungen und neuen Produktionen eingeführt, nicht der Arbeiter. Er ist abgefunden mit seinem Lohne, und ob ich darauf gewinne oder verliere, das ist meine eigene Sache“
„Genießet, was Euch beschieden ist. Höhere Politik treiben erfordert mehr freie Zeit und Einblick in die Verhältnisse, als dem Arbeiter verliehen ist.“
Zitate: Alfred Krupp laut Wikipedia
Was soll man davon halten? Krupp war ein Kind seiner Zeit, die Zeit des Kaiserreichs, da wurde selbstverständlich von oben herunter regiert und dirigiert. Dem gemeinen Arbeiter wurde der notwendige Sachverstand abgesprochen, der hatte einfach zu tun,was ihm gesagt wird.
Heute haben wir die Medien, die uns sagen, was gut und richtig ist, die Unternehmen haben die Verantwortung für ihre Arbeiter und Angestellten, die jetzt Mitarbeiter genannt werden, an Versicherungen und den Staat abgegeben, entlassen wird dann, wenn die Shareholder höhere Dividenden möchten. Der Mitarbeiter ist nur noch Kostenfaktor, den man nach Möglichkeit einspart. Und gut ist?
Als Alfred Krupp 75-jährig 1887 an einem Herzinfarkt starb, hatte das Unternehmen 20tausend Angestellte und Arbeiter und expandierte unter seinem Sohn Fríedrich Alfred weiter zum Stahl- und Rüstungskonzern, aber auch unter ihm mit einer sozialen Komponente, die gleichwohl strikt anti-sozialdemokratisch war.
Ein paar Anekdoten lassen sich über die Yacht Germania der dritten Generation der Krupps (Bertha und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach) erzählen, die fast vollständig „deutsch“, will heißen, von einem deutschen Konstrukteur gezeichnet, in einer deutschen Werft aus deutschen Materialien gebaut, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als Regattayacht sehr erfolgreich war. Nur die Masten aus Douglasienholz konnten nicht aus deutschen Materialien hergestellt werden, Holz in der Qualität und Größe war hier nicht zu beschaffen.
Die aus rostfreiem Stahl gebaute Yacht lag, obwohl sie mit einer Durchschnittsgeschwindikeit von knapp über 13 Knoten gegen die englischen Yachten bei den Sommerregatten vor Cowes mit Abstand gewann, gegen die Yacht Meteor des Kaisers Willhelm II immer eine Idee zurück ~ alles andere wäre unziemlich gewesen und wohl auch geschäftsschädigend 🙂 Der Kaiser konnte auch seine Yachten Meteor IV und V recht günstig in der Kruppschen Germania-Werft in Kiel bauen lassen, für die Meteor IV rechnete Krupp 587.771 Mark ab, der Werft blieb ein Gewinn von 95,31 Mark. Für Krupps Germania selbst berechnete die Werft 704.024,41 Mark bei einem Gewinn von 64.002,20 Mark (Materialkosten: 421.997,80 Mark, Löhne: 85.901,42 Mark, Zuschläge: 132.122,99 Mark)
Aber laßt uns die Krupps und die Villa Hügel verlassen und den Park darum herum genießen, dessen Bäume zum Teil älter sind als der Park selbst, weil Alfred Krupp schon ausgewachsene Bäume pflanzen ließ und auch gestorbene Bäume durch ältere Bäume ersetzt wurden. Viel Vergnügen beim Spaziergang!
Links:
villahuegel.de
Bertha Krupp von Bohlen und Halbach