Nach einer Fahrt im Bogen südlich von Zaragoza durch das Gebirge haben wir uns für die Nacht einen Platz auf einer Hochebene an der Kante eines Tales gesucht, auf dem auf der gegenüberliegenden Seite die Berge einer ausgewaschenen mächtigen Sedimentschicht zu sehen sind, unten das satt und warm changierende und leuchtende Grün frischer Getreidefelder und einer Mandelplantage, bei der eine aus Westernfilmen bekannte altertümliche Windturbine als Grundwasserpumpe zur Bewässerung zu sehen ist. Dazu heute morgen einen eher unspektakulären Sonnenaufgang, weil der Himmel völlig klar und wolkenlos war, so daß nur der Dunst über dem Horizont einen dezenten Farbverlauf von rötlichem Orange über goldgelb ins Blau hinzauberte. Und die Sonne erschien ungewöhnlich groß, ein Versprechen auf einen sonnigen Tag, der uns zurück zum Ebro führen wird . . .
Das war als Erholung auch dringend nötig. Ich muß gestehen, zur Zeit geht mir die Menschheit ziemlich auf den Sack, um es einmal etwas deftiger auszudrücken. Nicht konkrete Menschen, da habe ich dank großer Distanz und wenig Kontakt keinerlei Probleme, die wenigen Plaudereien mit den Einheimischen sind durchweg erfreulich. Nur läuft mir hier auf Schritt und Tritt der spanische Bürgerkrieg über den Weg oder gar hinterher. Und auf der virtuellen, sprich Internet-Nachrichtenebene hauen alle in dieselbe Kerbe. Mind-blowing!
Ich war deswegen nahe daran, den Besuch der neulich erwähnten Stadt Belchite, die während des spanischen Bürgerkriegs komplett zerstört wurde, ausfallen zu lassen, aber da der Weg dann doch daran vorbeiführte . . . die alte Ruinen-Stadt selbst ist völlig eingezäunt und nur mit Führer begehbar, für Spanien völlig ungewöhnlich wegen Gefahr für Leib und Leben durch herunterbrechende Mauer- und Dachteile. Das und die eh schon mangelnde Lust, mich zu intensiv auf dieses historische Denkmal einzulassen, weil die Chose mein Seelenleben eh schon unter den Wasserspiegel drückt, haben dann dazu geführt, daß ich nur mal eben im Vorbeifahren von außen ein paar Bilder von den zwei zusammengeschossenen Kirchen gemacht habe.
Ich habe ein echtes Problem mit dem spanischen Bürgerkrieg. An sich neige ich ja zur Solidarität mit der republikanischen Seite und auch mit den internationalen Brigaden, weil sie eine demokratisch gewählte Regierung vertreten, die durch einen Militärputsch mit Unterstützung deutscher und italienischer Faschisten attackiert wurde, was zu einer jahrzehtelangen Diktatur (einer von dreien) in Westeuropa führte. Bei näherer Beschäftigung sieht man aber, daß sich beide Seiten in diesem Konflikt so daneben benommen haben, daß man sie zusammen in einen Sack stecken und den vor einem Kriegsverbrechertribunal ausschütten sollte. Meine Solidarität hat sich recht schnell in ein Grausen verwandelt, zu was die Leut so fähig sind. Im Krieg gehen anscheinend immer zuerst alle menschlichen Werte vor die Hunde, das war damals so und ist heute nicht anders.
Die Frontlinien liefen damals quer durch Land und Bevölkerung, zum Teil auch an der Kante von Regionen und den Sprachgrenzen zwischen Kastilisch und Katalanisch. Das damals zugefügte Leid verschärft wohl heute noch die allerdings schon vorher vorhandenen Unabhängigkeitsbestrebungen von Katalanen und Basken. Eine der Spaltlinien war aber auch der Konflikt zwischen der traditionell die herrschenden Hierarchien stützenden katholische Kirche und der libertär eingestellten Demokratie und Volksfront. Ein Pfarrer, der von der Kanzel herab gegen die Revolution Stellung nahm, bezahlte oft genug mit einer Kugel für seine Predigt. Und das ist nicht einmal achzig Jahre her . . .
Vor diesem Hintergrund ist das Eindreschen vom hohen Roß herab auf den Islam mit seinen grausigen Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten ein wenig lächerlich. Da gibt es Leute, die ihre eigene Version von Christentum ja so was von humanistisch überlegen gegenüber dem Islam preisen, wobei die Ironie an der Geschichte offensichtlich die ist, daß genau die Leute von Humanität keinen Dunst haben und mit denen zusammen, die Flüchtlingsheime anzünden, sich sehr wohl mit denen vom sogenannten IS auf einer Ebene der Dummheit befinden. Die „Intelligenz eines leeren Aschenbechers“ . . .
Die Europäische Geschichte ist ausgesprochen reich an Beispielen für aus religiöser Intoleranz ausgeführten Grausamkeiten, und ist noch lange nicht zu Ende. Es ist ja auch nicht so, daß die christlichen Kirchen den Humanismus geboren haben, im Gegenteil, der mußte gegen die Kirchen erkämpft werden. Wer sich nur ein wenig mit Geschichte beschäftigt, zum Beispiel der Reformationskriege, dem 30jährigen Krieg, als ein Drittel bis zur Hälfte der Bevölkerung grausam abgeschlachtet wurde, oder eben moderner mit dem ersten und dem zweiten Weltkrieg, dem spanischen oder dem griechischen Bürgerkrieg, am nächsten dem nordirischen Konflikt, der wird den Mund nicht so voll nehmen. Und wie im spanischen Bürgerkrieg ist es immer noch nicht aus der Mode geraten, auf die eine oder andere Art demokratisch gewählte Regierungen aus dem Ausland heraus destabilisieren und stürzen zu wollen, siehe Ukraine und, ja auch: Syrien. Bezahlen tut die dortige Bevölkerung, und wir brauchen uns wahrlich nicht zu wundern, wenn uns dann die Flüchtlinge auf die finanziellen Füße fallen.
Und, ach ja, zum Titel . . . wie mein Vater immer gesagt hat: Es ist zum Mäuse melken! 🙁