und dann noch das Grundgesetz . . .

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ~ Bundeszentrale für politische Bildung
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ~ Bundeszentrale für politische Bildung

Schon öfter habe ich in diesem Blog Zweifel angemeldet, ob die Menschen das Grundgesetz der Bundesrepublik überhaupt gelesen haben, die den medialen Prügel der Verfassungsfeindlichkeit gegen den politischen Gegner schwingen ~ unseren Verfassungsschutz, der die rechte Szene über ein V-Leute-Programm mit hunderttausenden €uronen gesponsert, überhaupt erst aufgebaut hat, inclusive. Und nun reiht sich unsere ‚Verteidigungs‘-Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, ehemals Parteichefin und Kanzlerkandidatin in die Kritik ein, dass in Meck-Pomm Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin gewählt wurde (mit Stimmen der dortigen CDU), die Mitglied in der „Antikapitalistischen Linken“ ist, einer Fraktion der Linken, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil sie unser ‚System‘ verändern will! Na sowas aber auch!
In die andere Richtung hat die Union aber keine Bedenken, sie hat mit Stephan Harbarth einen Mann als Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt, der die Urteile nach dem Paragrafen 175, der Schwule strafrechtlich verfolgte und deren Existenzen vernichtet hat, nicht für Unrechtsurteile hält. Weil das Bundesverfassungsgericht 1957 entschied, dass §175 dem Grundgesetz entspricht. Das erinnert fatal an den Spruch von Hans Filbinger: ‚Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!“ ~ Das Urteil damals kann allenfalls ein Beleg dafür sein, dass auch das Verfassungsgericht nicht unfehlbar ist.

Wer unser Grundgesetz tatsächlich liest, dem fällt aber auf, dass darin das Wort Kapitalismus oder auch nur Kapital überhaupt nicht vorkommt. Es beschäftigt sich primär mit Rechten der Bürger dem Staat gegenüber, eine direkte Folge der gerade erst überwundenen Nazi-Diktatur, nach der dieses Werk entstanden ist. Menschenwürde, Menschenrechte, Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte, persönliche Freiheitsrechte, Gleichheit vor dem Gesetzl, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft, Ehe – Familie – Kinder, Schulwesen, Versammlungsfreiheit, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Freizügigkeit, Berufsfreiheit garantieren in den ersten elf Artikeln die Rechte der Bürger vor dem Staat, erst im zwölften Artikel wird über militärische und zivile Dienstpflichten der Bürger für den Staat gesprochen und das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes festgezurrt. Danach in Artikel 13 die Unverletzlichkeit der Wohnung, erst in Artikel 14 geht es um Eigentum, Erbrecht und Enteignung. Diesen und den darauf folgenden Artikel 15 über Vergesellschaftung zitiere ich hier im Wortlaut, Stand März 2019:

Artikel 14
[Eigentum – Erbrecht – Enteignung]
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor ordentlichen Gerichten offen.

Artikel 15
[Vergesellschaftung]
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 und 4 entsprechend.

Das ist alles, was im Grundgesetz über Eigentum, damit über Kapital, und auch über Produktionsmittel gesagt wird. Es wird KEINE Wirtschaftsform (und schon gar nicht die des Kapitalismus) vorbestimmt, im Gegenteil wird weder Enteignung noch Vergesellschaftung ausgeschlossen, nur eine gerechte Entschädigung vorausgesetzt. In unserem Grundgesetz wird nirgends das Recht von Investoren (die früher treffend Kapitalisten genannt wurden) auf eine Rendite garantiert, auch nicht die von Aktionären auf eine Dividende. Das Grundgesetz thematisiert die Rechte der Bürger des Staates, nicht die Rechte des Kapials!

Artikel 20
[Verfasssungsgrundsätze – Widerstandsrecht]
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Alle Macht geht vom Volke aus . . . eine schöne Vorstellung! Real sieht es leider so aus, dass die Lobbyisten der großen Konzerne im Kanzleramt ein- und ausgehen, als eingebettete Interessenvertreter sogar die Gesetze im Sinne ihrer Auftraggeber aus Industrie und Finanzwirtschaft vorformulieren, die dann nur noch vom Parlament abgenickt werden sollen. Spätestens seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat ‚die Wirtschaft‘ diese ‚Zusammenarbeit‘ immer weiter ausgebaut, im Rahmen der neoliberalen Ideologie (die Wirtschaft kann alles besser und billiger als der träge Staat!) wurden vorher gut und qualitativ hochwertig funktionierende Betriebe der öffentlichen Hand (Wasser, Abwasser, Energieversorgung, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Universitäten) privatisiert. Gewinnträchtige Geschäftsbereiche wurden gerne bewirtschaftet, der Rest abgespalten, ging vor die Hunde. Vorsorge für Infrastruktur wurde vernachlässigt. Billiger wurde für den Bürger nichts, nur die Löhne wurden gedrückt, so weit es nur ging. Während den Lohnabhängigen mehr Leistung bei insgesamt meist sinkendem Realeinkommen abverlangt wurde, wurde die Leistung der ehemals in der öffentlichen Hand liegenden Institutionen eher schlechter.

Obwohl die Mähr der privaten Wirtschaft, die alles besser und billiger kann als die öffentliche Hand, schon lange durch mehrere Krisen widerlegt ist, steckt die Überzeugung immer noch in der DNA des politischen Bewußtseins unserer Berufspolitiker und wird weiter durchgezogen. Obwohl Banken sich verzockt haben und eine weltweite Wirtschaftskrise verursacht haben ~ die wurden vom Staat gerettet und machen weiter wie zuvor. Die Lufthansa wird wohl mit insgesamt 9 Milliarden €uro gerettet werden, ohne Umweltauflagen, die zumindest in Frankreich zum Paket für Air France / KLM gehören (Air France bekommt ’nur‘ 7 Milliarden, darf künftig keine Verbindungen mehr anbieten, die auch in bis zu zweieinhalb Stunden mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV überbrückt werden können. Außerdem soll bis 2030 der CO2-Ausstoß pro Personenkilometer halbiert werden. Auf Kurzstrecken sogar schon bis 2024). Bei uns wird Mitspracherecht für den Staat im Gegenzug für das großzügige Hilfspaket nicht gefordert, im Gegenteil: das Primat des wirtschaftlichen Verstands wird betont, obwohl die Lufthansa schon vor der Corona-Krise fast die Hälfte ihres Aktienwerts verloren hatte. Na denn! Alleine Addidas soll 3 Milliarden €uronen Hilfe bekommen. Obwohl die Automobilindustrie die Entwicklung zum CO²-armen Auto verschlafen hat, stattdessen nur durch Betrug (am Kunden und der Umwelt) ihr altes Geschäftsmodell weiterführen konnte, soll sie jetzt ~ wieder, schon wieder! ~ durch Unterstützung vom Staat, ihre Dreckschleudern mit der alten Technik losschlagen können, Corona sei Dank! Dabei hat diese Industrie in den letzten Jahrzehnten satte Gewinne gemacht, alleine BMW will eine Dividende von 1,6 Milliarden Euro ausschütten. Rund die Hälfte davon, 800 Millionen Euro, gehen an die beiden Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt. 800 Millionen für zwei Personen! Bei VW lag der Aktienkurs 2010 bei etwa 58 Euro. 2020 steht der Aktienkurs der VW-Aktie bei etwa 134 Euro. Da aber jetzt durch Corona der Absatz eingebrochen ist, soll der Staat mit einer Kaufprämie nachhelfen, dass die Umsätze wieder sprudeln. Die Aktionäre dürfen kassieren, wollen aber nicht in der Krise für ihr Unternehmen einstehen. Die Wirtschaft kann alles besser?

Und was wird für den Bürger getan? Wenig bis nichts. Kurzarbeitergeld? Das ist aber eine Leistung für die Arbeitgeber, finanziert aus den Sozialkassen.LoL! Überbrückungshilfe für Soloselbständige? Nur für Betriebsausgaben, nicht für Wohnung und Lebenserhalt. Wenn der Betrieb sozusagen nur aus dem Betriebsinhaber besteht, ist dessen Erhalt anscheinend nicht nötig. Initiativen sogar für ein nur vorübergehendes bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) werden von der Politik so gut wie ignoriert, eine Petition an den Bundestag hat das Quorum weit übersprungen ~ und liegt auf der Wartebank. Ist ja nicht sooo dringend! Hauptsache, die Umverteilung von unten nach oben läuft weiter!

Trotzdem ist ein großer Teil der Bundesbürger nach ZDF-Politbarometer mit den staatlichen Hilfen für die Wirtschaft einverstanden. Eine Mehrheit der Befragten (59 Prozent) findet die Unterstützung der Bundesregierung für Unternehmen und Betriebe gerade richtig, 22 Prozent meinen, dafür werde zu wenig und nur 9 Prozent, dass da zu viel getan wird. Über 80 Prozent Zustimmung sprechen für die Wirksamkeit einer jahrzehntelangen Propaganda mit dem Inhalt, dass für ‚die Menschen‘ gut ist, was für die Wirtschaft gut ist. Sogar dann, wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer größer werden.

Propaganda? Schon wieder eine Verschwörungstheorie? Nixda, nur Interessen. Auch die Medien sind hochkonzentrierte Konzerne, nur eine Hand voll dominieren TV und Print. Die ‚freien‘ Medien sind Wirtschaftsunternehmen, die für Profit arbeiten. Aufklärung, Bürgerinformation stehen da erst weit dahinter . . . und einige, wie zum Beispiel die Bertelsmannstiftung, greifen als sogenannte Thinktanks sehr intensiv in die Politik ein. Fordern zum Beispiel die Einsparung von Kliniken, denn im Gesundheitswesen soll Geld gespart werden. Corona läßt grüßen!

Corona zum zweiten ~ es ist nicht alles Gold, was glänzt . . .

ein goldener Sonnenuntergang am Rhein
ein goldener Sonnenuntergang am Rhein

Mir geht es, glaube ich, wie den meisten: Sowohl zu Corona selbst, als auch zu den Nachrichten darüber, als auch zur Politik, die gemacht wird, habe ich ein ausgesprochen gespaltenes Verhältnis. Aber es ist nun einmal so, dass wir alle damit konfrontiert sind, alle unser Leben darauf einrichten müssen. Die einen allerdings mehr als die anderen . . .

Die großen Entscheidungen in dieser ~ unvorhersehbaren? ~ Krise werden getroffen von Menschen, die ein regelmäßiges und durchaus auskömmliches Einkommen aus unserem Staatsäckel überwiesen bekommen, Monat für Monat. Die leben in der Regel in einem großen, alleinstehenden Haus mit noch größerem Garten, da fühlt sich Zu-Hause-bleiben-müssen ganz anders an als in einer kleinen Einzimmer-Kellerwohnung. Ganz ab davon die Menschen, die ~ in den letzten Jahren immer mehr ~ gar kein Zuhause mehr haben, die auf der Straße leben. Was soll mit denen geschehen? Alle in eine Auffangstation bringen, damit sie sich gegenseitig anstecken können? An diese Menschen dachte in der großen Politik noch keiner, in dieser Krise auch niemand, zumindest von den Entscheidungsträgern. Unsere Abgeordneten gehören schließlich zum allergrößten Teil einer Gruppe von Berufen an, die man sitzend indoor ausüben kann, auch vom Homeoffice aus (weswegen da und in den Medien auch so viel davon die Rede ist). Arbeiter gibt es im Bundestag nicht mehr, es sei denn, sie verstecken sich in der Rubrik Sonstiges. Ein Problem unserer Demokratie ist, dass unsere Volksvertreter zu immer größerem Anteil aus einer absoluten Oberschicht kommen, so auch denken und Entscheidungen treffen. Und wer wie Gerhard Schröder aus einer armen Arbeiterfamilie kommt, wechselt offenbar liebend gerne ans andere Ende des sozialen und finanziellen Thermometers.

Nun sind wir hier, will heißen in Baden-Würthenberg, noch vergleichsweise gut dran. Wir dürfen unsere Wohnung verlassen, ohne uns erklären zu müssen, sofern wir uns nicht zu mehr als zu zweien treffen und einen Abstand von anderthalb Metern einhalten. Für Familien gibt es eine Ausnahme, die Polizei schwärmt aus, um offensichtliches Fehlverhalten anzumahnen. Öffentliche Plätze sind tabu, wobei die Definition eines öffentlichen Platzes der Definition der Gemeindeführer überlassen ist, was nicht immer ganz sinnig erscheint ~ ich bin als alleiniger einsamer Besucher eines Aussichtspunktes im Kaiserstuhl von der Polizei ermahnt worden. Auf einem Schild stand Campingplatz gesperrt, wobei die Gemeinde das nie als Campingplatz gestattet hatte, und ich zu Fuß auf einem Wanderweg unterwegs war . . .

Trotzdem gibt es Einschränkungen auch für mich, der ich in meinen rollenden fünfzehn Quadratmeter unterwegs bin, Wohnraum, Home-Office und im Notfall gegebenenfalls auch Quarantänestation. Wohnmobilstellplätze und damit auch Ver- und Entsorgestationen für Wasser, Abwasser und Toilette sind gesperrt. Waschsalon geschlossen. Große Vorräte an Lebensmitteln oder Toilettenpapier (HarrHarrHarr! 🙂 ) kann ich nicht anlegen. Das alles erfordert erweitertes Management. Nicht nur, daß auch an die Bedürfnisse der in den letzten Jahren immer größeren Gemeinde der mobil Wohnenden niemand gedacht hat, schnappen in dieser Situation wieder die Ressentiments gegenüber dem ‚fahrenden Volk‘ auf, und der eine oder andere Ordnungshüter fühlt sich ermutigt, einen mir gegenüber nie genau spezifizierten Paragraphen aus dem Sack springen zu lassen, nach dem ich nur eine einzige Nacht in meinem Fahrzeug verbringen dürfte, und auch nur zur Wiederherstellung meiner Fahrtüchtigkeit, und schon gar nicht in meiner Heimatstadt! Böse Welt! Als ob es den Artikel 11 unseres Grundgesetzes nicht gäbe, der die Freizügigkeit garantiert: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Kein Zeitlimmit, Ausnahmen nur in durch Gesetze festgelegten Fällen, die normalerweise nicht zutreffen. Und in Artikel 3 Satz 1: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Das Problem ist nur, dass einige Gesetze aus Kaiserzeit und dem unseligen Tausendjährigen Reich nie an das Grundgesetz angepasst worden sind und immer noch Bestand haben. 🙁

Aber lassen wir einmal die Befindlichkeiten dieser doch recht speziellen Menschengruppe, zu der ich gehöre. Lassen wir es mit der Erkenntnis bewenden, daß ein Aufenthalt im Freien mit genügend Platz um sich herum die Möglichkeit bietet, sich in gehörigem Abstand zueinander zu bewegen und damit die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Obwohl mir gestern im völlig überlaufenen Kaiserstuhl manchmal Bedenken gekommen sind. Ich hoffe, daß das Virus sich nicht in so weiten Wolken verbreitet wie das Parfüm der einen oder anderen Dame, die mir auf meinen Spaziergängen begegnet sind 🙂 Ansonsten ist das menschliche Zusammenleben per Verordnung und deren Interpretation an die Gefahr angepasst worden. Man darf die meisten Supermärkte nur noch mit Einkaufswagen betreten, auch wenn man nur ein Päckchen Tomaten kaufen will ~ um Abstand zu garantieren. Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Wenn zwei Damen mit Einkaufswagen, eine links und eine rechts im Gang, die Gelegenheit ergreifen, ein ausführliches Schwätzchen zu halten, kann man entweder ein halbes Stündchen Wartezeit einlegen, oder man wischt mal so eben dazwischen durch 🙁 Mund-Nasenmasken sind immer noch ein seltener Anblick, und zugegeben: mein Schlauchtuch fühlt sich auch nicht besonders bequem an, dazu das garantierte Unverständnis. Ich bin froh, wenn ich es beim Verlassen des Marktes wieder entfernen kann. Aber was tut man nicht alles für seine Mitmenschen . . .

Wenn man die Deutschen Medien betrachtet, dann bewundert die ganze Welt den Umgang der Deutschen Regierung mit der Pandemie, grundsätzliche Kritik ist wenn überhaupt eher zurückhaltend. Naja, aber der österreichische Standart und die Neue Züricher Zeitung haben ein Thema aufgebracht, das in Deutschland nur auf ganz, ganz kleiner Flamme gekocht wird. Die Bundesdrucksache 17/12051 des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung (von 2012, veröffentlicht 2013) ist eine Risikoanalyse für den Bevölkerungsschutz und beschreibt ab S. 57 das Szenario eines „außergewöhnlichen Seuchengeschehens“. Die schützenswerten Güter werden kategorisiert und nacheinander aufgeführt: Mensch, Umwelt, Volkswirtschaft und sog. immaterielle Güter (dazu zählen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, politische Auswirkungen, psychologische Auswirkungen und die Schädigung von Kulturgut). Das Dokument beschreibt anhand eines provisorisch Modi-SARS genannten Virus (Zitat:) „solche Gefahren und Ereignisse, die eine potentielle Bundesrelevanz haben, das heißt bei deren Bewältigung der Bund in besonderer Weise im Rahmen seiner (grund-)gesetzlichen Verantwortung gefordert sein kann.“ Die Parameter des Rechenmodells unterscheiden sich etwas von denen der aktuellen Pandemie (soweit die Parameter überhaupt statistisch schon sicher erfassbar sind), aber was da geschieht, ähnelt verteufelt dem, was wir in den letzten Wochen beobachten konnten. Die Regierung hält den Ball flach, aus gutem Grund: nach der Modellrechnung verläuft die Pandemie über drei Phasen fast drei Jahre.
Don’t panik! Don’t panik! Don’t panik!
Und deutsche Medien schweigen überwiegend. Denn was passiert, wenn man den Leuten zuruft, sie sollten nicht in Panik verfallen? Geeenau!

Aber man könnte stattdessen wenigstens die Frage stellen, wieso der Bundestag in den Jahren seit spätestens 2013 nicht dazu in der Lage war, konkrete Vorsorgemaßnahmen in Gesetze zu gießen, um im Ernstfall schon einmal zu wissen, wie man vorgehen sollte. Und dafür Sorge zu tragen, genügend Schutzmaterial, vor allem für das medizinische Personal, aber auch die einfachen Masken für die Bevölkerung zu bevorraten. Chance verpasst, verantwortlich: keiner! (zugeben muss man allerdings, dass ausführlich gelästert wurde, als massenhaft Tamiflu gehortet wurde . . .)

Jetzt versprechen sich alle das Heil von einer Handy-App, die die Zurückverfolgung von Infektionsketten und damit die Isolierung von Virenträgern vereinfachen soll. Ich hab mir die Berichte darüber angeschaut, es fällt ja in mein berufliches Feld als (allerdings nicht allwissenden) Telekommunikationsfachmann. Die App soll mittels Bluetooth Low Energy mit anderen Smartphones in der Nahzohne Kontakt aufnehmen, die Begegnungen sollen nur auf den Handys gespeichert werden und im Fall einer Infektion die Betroffenen benachrichtigt werden. Nur hat Bluetooth LE eine Reichweite von immerhin zehn Metern. Preisfrage: wie viele Handys passen mit Sicherheitsabstand von anderthalb Metern in einen Zehn-Meter-Kreis? Aus Sicherheitsgründen muß zur Kontaktaufnahme eine fünfstellige PIN bestätigt werden. Sollen die Leut ihre Köpfe zusammenstecken, damit sie sich auch bestimmt anstecken? Oder soll auf eine Standart-PIN zurückgegriffen werden wie bei Mäusen, damit auch alle im Zehn-Meter-Kreis gespeichert werden, womit in wenigen Tagen ein paar Tausend Verdachtsfälle zusammengesammelt werden? Mir (als Nicht-Allwissender) ist zumindest keine Möglichkeit bekannt, die Distanz von zwei Smartphones über Bluetooth halbwegs exakt zu messen. Fazit: auch wenn alles In ist, was mit Smartphone zu tun hat ~ daran glaub ich nicht! Das ist eine Augenauswischerei, der feuchte Traum einer einfachen Lösung.

Laßt uns alle Mund-Nasen-Masken tragen, wenn wir uns auf die Pelle rücken müssen. Das ist eine einfache und mitmenschliche Möglichkeit.

Noch eines zum Schluß ~ jede Menge Menschen geraten in dieser Krise über kurz oder lang (und es wird eher lang sein) in finanzielle Schwierigkeiten, ich übrigens auch. Denn alle meine Pläne wurden in den letzten Wochen über den Haufen geworfen. Einige meiner Leser werden sich noch daran erinnern, dass ich zur letzten Europawahl Engagement für ein Bedingungsloses Grundeinkommen veröffentlicht hatte. Wäre es nicht eine schöne Sache, wenn in dieser (und der nächsten und übernächsten, sie kommen bestimmt!) Krise ein Bedingungsloses Grundeinkommen all die Menschen absichern würde, die in ihrer beruflichen oder menschlichen Situation keine Rücklagen zu bilden imstande sind? Nicht nur Künstler (oder freischaffende Non-Profit-Photographen und Blogger), sondern auch all die, die auf Grund der neoliberalen Politik der letzten vierzig Jahre unten aus der Gesellschaft herausgefallen sind? Die technische Entwicklung wird in den nächsten Jahren noch viel mehr Menschen aus dem Wohlstand katapultieren, davon viele, die das bis jetzt nicht für möglich halten.

Eine sehr pfiffige Lösung die Wirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, läßt sich auf economy4mankind.org nachlesen. Das Projekt einer Steuerreform, die in ihrer Simplizität auch Friedrich Merz überzeugen müsste, weil es nur noch zwei Steuern gibt: eine Umsatzprovision, die im Gegensatz zur Umsatzsteuer nicht von den Unternehmen als durchlaufendem Posten verbucht werden kann, und eine Minderbeschäftigungssteuer, die von den Unternehmen bezahlt werden muss, die bei hohem Umsatz zu wenig Beschäftigte haben. Sie könnten dieser Steuer entgehen, indem sie für NULL Stunden Arbeitszeit das Grundeinkommen für entsprechend viele nötige Mitarbeiter (vom Jobcenter vermittelt) übernehmen, damit sie unter die Pflichtgrenze fallen. Und wieso sollten nur Aufsichträte und Berater, ehemalige Politiker ohne oder mit wenig Gegenleistung ein Gehalt beziehen?

Das Konzept entbehrt nicht pfiffig intelligenter und provokanter Seitenhiebe, die die neoliberale Praxis umdrehen, zum Beispiel den Passus, daß niemand zu einem NULL-Stunden-Job bei einer Firma gezwungen werden kann ~ womit eine Firma, die Dinge tut, die weder vom ethischen noch vom demokratischen Standpunkt her akzeptabel wären, ganz schnell in die Insolvenz getrieben werden könnte 🙂

Nun gehe ich nicht davon aus, dass Herr Merz sich allzusehr vor dem Projekt economy4mankind fürchtet. Die Mächtigen (auch unsere Regierung, unser Parlament, unsere Parteien) dieser Welt werden schon dafür sorgen, daß alles so bleibt wie es ist, und Geld, Kapital, weiter von unten, von uns Vielen, zu den Wenigen ein Prozent oder Promille nach oben fließen. Denn das Andere, eine Ökonomie für die Menschheit, für die Vielen, das wäre ja Demokratie, oder?

Links:
economy 4 mankind Webseite des Projekts mit Erläuterung des Konzepts
Bundesdrucksache 17/12051
Statistik zur Berufszugehörigkeit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Nochmal vom Bundestag selber
Eliten ~ die wahre Parallelgesellschaft von Michael Hartmann, Soziologe und Elitenforscher
Telepolis ~ warum Frauenquoten nicht genug sind

FridaysForFuture ~ 20. September in Koblenz

FridaysForFuture ~ 20.September in Koblenz
FridaysForFuture ~ 20.September in Koblenz

Das mußte sein! Da letzten Freitag die jungen Streiter für den Klimaschutz, FridaysForFuture, auch uns ältere Semester weltweit zu den Demos eingeladen hatten, hab ich mich per Zug von Andernach nach Koblenz aufgemacht, um an der da angekündigten großen Demo teilzunehmen. Und mit mir zum Glück auch noch viele andere, sodaß der große Platz vor dem Bahnhof zur symbolisch angekündigten Zeit fünf vor zwölf gut gefüllt war.

FridaysForFuture ~ 20.September in Koblenz
FridaysForFuture ~ 20.September in Koblenz

Meine letzten Erfahrungen auf Demos liegen jetzt auch schon mehr als anderthalb Jahrzehnte zurück, insofern war das durchaus auch ein emotionales Erlebnis. Aber ich konnte feststellen, daß sich so arg viel nicht verändert hat. Man skandierte die selben Parolen ~ Leute laßt das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein! ~ und gewisse Menschen hatten die selben Probleme mit dem Einreihen, die sie auch damals schon hatten. Ich rede jetzt weniger von den außenstehenden Zuschauern als von denen, die so gerne auf einen Zug aufspringen, den sie selbst nicht in Fahrt gebracht haben, die sich vordrängeln und glauben, daß man um so mehr Einfluß bekommt, je lauter man seine Parolen brüllt. Und so sehr ich der Meinung bin, daß ein Systemwechsel weg von Kapitalismus und Neoliberalismus tatsächlich eine Voraussetzung dafür ist, daß sich wirklich etwas ändert, so sehr bin ich auch davon überzeugt, daß die alte Taktik des Kaperns von Parolen, das laute Brüllen und das Vordrängeln eben gar nichts ändert und nur die alten Kämpfe perpetuiert, und dadurch auch alles weiter läuft wie gehabt. Solidarität muß man nicht nur einfordern, man muß sie auch leben! Und das geht anders! Das war eine Veranstaltung von FridaysForFuture, und an sich sollte sich der antikapitalistische Block nach den jungen Leuten einordnen. Nur war da der Egoismus wieder größer und FFF etwas bedröppelt dann ziemlich weit hinten. Weil genau dieser Egoismus des Ich!Ich!Ich! das Problem ist, das nicht nur den Klimawandel verursacht . . . Herr, laß Hirn regnen!

angeführt von Musik ~ Sambatruppe piripiri
angeführt von Musik ~ Sambatruppe piripiri

Ansonsten alles gut! Die Demo wurde von der Sambatruppe PiriPiri rythmisch angeführt und angeheizt, die Veranstaltung war nicht nur durch die Regenbogenflagge schön bunt und vielfältig. Und vor allem auch friedlich. Greenpeace war dabei, ExtinctionRebellion, und viele individuelle Einzel- und Paarkämpfer, die mit eigenen selbstgemalten Schildern der Politik die Leviten lesen wollten. Gut so!

System Change not Climate Change
System Change not Climate Change

Daß die Politiker unserer Regierung entgegen ihrer Verlautbarungen immer noch nicht begriffen haben, daß die Zeit für’s NichtsTun schon lange abgelaufen ist, konnte man dann nach der Veröffentlichung des sogenannten Klima*Paket*s bewundern, das wie zu erwarten nicht mal ein Päckchen geworden ist, nicht einmal eine Warensendung, sondern nur ein Prospekt mit Ankündigungen, das nicht das Papier wert ist, auf das es gedruckt wurde. Klimazertifikate, die verschenkt werden, Preise für den Handel mit denselben, die 2021 mit € 10/t anfangen sollen, bis 2025 steigend auf € 35/t. Zur Erinnerung: Der aktuelle Börsenpreis für CO²-Zertifikate liegt bei gut 26 €uronen! In der Schweiz gibt es eine sogenannte Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe (nicht Treibstoffe!) seit 2008, im Moment liegt der Preis bei 96 Franken/t, das sind in €uro 85! Und so geht es auch gleich weiter ~ um zu zeigen, wie ernst ihnen das Thema ist, fliegen 5 Regierungsmitglieder in 4 Flugzeugen in die USA zum UN-Klimagipfel, zur UN-Vollversammlung und zu einem Treffen mit dem sogenannten Verteidigungsminister, wobei schon der Flug unserer frischgebackenen Verteidigungsministerin um die 360000 €uronen aus der Staatskasse saugt . . .

Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!!!
Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!!!

Die ursprünglich avisierte Ausschüttung eines CO²-Preises zurück an die Bevölkerung (wie in der Schweiz) ist klammheimlich unter den Teppich gekehrt worden. Es gibt eine Erhöhung der Pendlerpauschale um 5 €urocent, die aber schon die erste Erhöhung des Spritpreises von 6 €urocent nicht ausgleichen wird, weil die Pauschale nur für den einfachen Arbeitsweg gilt. Außerdem wird die Pendlerpauschale nur an die ausbezahlt, die lange Arbeitswege haben, eine Steuerung hin zu kürzeren Arbeitswegen, wie sie vernünftig wäre, findet also nicht statt. Kein Systemwechsel, alles bleibt im Interesse der Wirtschaft, flexibel hat nur der Arbeitnehmer zu sein! Wie wäre das, nur mal kurz angedacht, wenn der Arbeitgeber, der ja die Arbeitswege verursacht, der die Arbeitnehmer für die Produktion oder die Dienstleistung braucht, die Arbeitswege der Mitarbeiter entlohnt und die CO²-Abgabe bezahlt? Das wäre sozialverträglich und würde auf Dauer das System umweltverträglicher gestalten.

jetzt marschieren oder später schwimmen!
jetzt marschieren oder später schwimmen!

Es wird in der Politik viel darüber geredet, daß man die ‚kleinen Leute‘ mit den geringen Einkommen nicht überlasten dürfte, daß der Klimawandel (eigentlich die Maßnahmen dagegen!) sozialverträglich abgefedert werden müßte. Allerdings gibt es fundierte Studien, die belegen, daß die CO²-Bilanz der Bürger unabhängig vom Umweltsbewußtsein mit dem Einkommen steigt. Man konsumiert mehr, man wohnt in einer größeren Wohnung, die beheizt oder im Sommer gekühlt werden will, man fährt das größere Auto, macht die weiteren Reisen, sogar der moderne 4K-Fernseher schluckt mehr Energie. Bei einer reellen Rückerstattung einer reellen CO²-Abgabe würden also automatisch diejenigen profitieren, die wenig CO²-Emmissionen verursachen, insbesondere die Bezieher kleiner Einkommen egal welcher Art! So wie das jetzt gestrickt worden ist, gibt es nur den Effekt, daß der Staat wieder mehr Geld aus den Bürgern saugt, mit dem er Unsinn machen kann, wie zum Beispiel den sogenannten Wehretat zu erhöhen (gegen wen wehrt sich Deutschland?).

die Regenbogenflagge ~ PEACE!
die Regenbogenflagge ~ PEACE!

Schon Ende der 90er-Jahre hatte damals die SPD unter Lafontaine die Idee, die Ökosteuer auf Treibstoffe dazu zu verwenden, Einkommen unter 1500 Mark von Sozialabgaben frei zu stellen. Aber Schröder fuhr dann lieber eine neoliberale Politik, die die unteren Schichten belastete (Hartz IV) und einen Berg von Altersarmut in der Zukunft noch verursachen wird, weil die Leut ohne Job halt auch nichts in die Rentenkasse einzahlen konnten. Man könnte durch gezielte Maßnahmen wie eine spürbare CO²-Steuer den Resourcenverbrauch minimieren, gleichzeitig Arbeit billiger machen und die kleinen Einkommen entlasten. Man könnte das Soziale wieder in die Marktwirtschaft bringen. Man könnte einen Teil des Geldes in genossenschaftlichen oder kommunalen, nicht gewinnorientierten Wohnungsbau stecken. Möglichkeiten gibt es, man muß es nur wollen!

nicht könnte, hätte, wollte ~ MACHEN!
nicht könnte, hätte, wollte ~ MACHEN!

Nur zwei Punkte gibt es, die ein wenig Hoffnung machen ~ die Bahn freut sich darüber, daß ein Teil der Mehreinnahmen für ihre Investitionen gespendet werden soll. Hoffentlich minimiert sich dann auch ihr Verbrauch von Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken, der bis jetzt noch bei 34% liegt. Außerdem müßten dann natürlich die durch die Erneuerbaren überflüssig gemachten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, anstatt den Kohlestrom zu exportieren! Und auch der Braunkohletagebau müßte eingestellt werden! Hambi bleibt!

es gibt keinen Plan(eten) B!
es gibt keinen Plan(eten) B!

Der andere Punkt ist der, daß jährlich! abgecheckt werden soll, ob die Einsparung der CO²-Emmissionen auch das geplante Soll erreicht. Nur scheint rein gar kein Plan darüber zu existieren, was denn passieren soll, wenn die Zielvorgaben NICHT erreicht werden ~ worauf ich jeden Betrag wetten würde! Es bleibt also spannend! Herr, laß Hirn regnen!!!

Ich möcht' ein heißes Date ~ keinen heißen Planeten
Ich möcht‘ ein heißes Date ~ keinen heißen Planeten
auch dabei ~ der Eisbär
auch dabei ~ der Eisbär
ohne Bäume keine Träume
ohne Bäume keine Träume
vermüllte Landschaft und Hambacher Forst
vermüllte Landschaft und Hambacher Forst
Gier ist das Gift ~ der Klimawandel das Fieber
Gier ist das Gift ~ der Klimawandel das Fieber
wie viel Zeit bleibt?
wie viel Zeit bleibt?

Nochmal zum Thema Zeit, die bleibt: Wenn man die Zeit für die politischen Diskussionen und Maßnahmen (gerade verpaßt!!!) mit einrechnet, wenn wir einrechnen, daß für das 1,5°-Ziel die Vorgaben nochmal angepaßt werden müssen, und zwar zum nächsten 5-Jahrestermin, wie man im oben verlinkten Artikel nachlesen kann, also in ein paar Monaten Anfang 2020, dann haben wir keine zehn Jahre mehr. Dann ist spätestens seit Veröffentlichung des sogenannten Klima*paket*s nicht 5 vor Zwölf, sondern 5 nach Zwölf!

Deutschland Autoland ~ Schluß damit!
Deutschland Autoland ~ Schluß damit!
make the world Greta again!
make the world Greta again!

Wir sind die Guten, wir dürfen das . . . ?!?

Inzwischen gibt es hier ein Update vom 21.8.2019!

Lang ist’s her, aber ich kann es mir nun wirklich nicht mehr verkneifen! Also wieder einmal ein politischer Artikel, Kategorie Polis-Angelegenheiten. Nein, nur am Rande über den Klimawandel, der wird ja von allen als Sau durchs Dorf gehetzt. Ganz sicher mit gutem Grund, zweifellos. Aber da das eben alle schon tun, ist auch fast alles dazu schon gesagt worden, meist von Menschen mit bedeutend größerer Reichweite als der, die ich mit diesem Blog habe. Eine Anmerkung sei mir trotzdem erlaubt: Seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ist mit dem Erscheinen des Berichts des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums bekannt, daß unbegrenztes exponentielles Wachstum unseren Planeten und unser Ökosystem überfordert. Eine vielleicht damals noch nicht so klar sichtbare Konsequenz dieses Wachstums ist der Klimawandel, der der Menschheit inzwischen auf die Füße fällt. Trotzdem leisten wir uns ein Wirtschaftssystem, das dieses Wachstum systemisch voraussetzt, über die kreditbasierte Schöpfung des Geldes, die Grundlage des Kapitalismus. Zins und Zinseszins erfordern zwingend Wachstum, Wachstum, Wachstum über alles, und die Politik der meisten nicht nur westlichen Staaten hat sich das mit dem Neoliberslismus zu eigen gemacht und auf die Fahnen geschrieben. Die Wirtschaft treibt die Politik spätestens seit den 80er-Jahren vor sich her, unter anderem in die Klimakatastrophe.

Insofern ist das schon wichtig, die Politik (und auch unsere selbsternannte Klimakanzlerin, die bei Gelegenheit gerne als Lobbyistin der deutschen Automobilindustrie nach Brüssel reist) darauf aufmerksam zu machen, daß jahrzehntelang NICHTS getan worden ist und jetzt HANDLUNG angesagt ist. Wobei die Diskussion in der Regel mit Augenauswischerei-Argumenten geführt wird, denn in unserer Form der parlamentarischen Demokratie, durch Wahlen alle vier Jahre für längerfristige Konseqenzen der Politik nicht sonderlich empfindsam, darf vor allen Dingen eines nicht geschehen: daß eine Entscheidung irgendjemandem weh tut, der auf die nächste Wahl Einfluß hat, vor allem nicht den (wirk-)Mächtigen in den oberen Etagen von Industrie, Wirschaft und Medien.

Alle sind sich einig, daß sich alles ändern muß ~ aber bitteschön ohne persönliche Einbuße an Komfort, Wohlstand und Sicherheit! Das wird so, ohne Einschränkungen, aber nicht funktionieren, denn jeder €uro, jeder Dollar, der eine mehr, der andere weniger, mit dem wir das System füttern, wird das Klima weiter anheizen, egal, ob der Konsumartikel in Deutschland oder in China hergestellt wird, egal sogar, wo eine Dienstleistung angefordert wird.

Ende Juli war dieses Jahr der Erdüberlastungstag, der Tag, an dem der Mensch die Ressourcen verbraucht hatte, die die Erde in einem Jahr regenerieren kann. Vor 20 Jahren war der Tag noch im Oktober, schlimm genug. Schlimmer: wenn alle Menschen dieser Erde so leben würden wie die Deutschen, wäre er Ende April und wir bräuchten drei Erden, um eine ausgeglichene Bilanz zu bekommen.

Insofern hat sich auch Greta Thunberg, die Ikone der Bewegung Fridays for Future, aufs Glatteis führen lassen. Die Idee, den Atlantik klimaneutral per Segelboot zu überqueren, die hat schon was. Das allerdings ausgerechnet auf einer hypermodernen Class 60 Regattayacht zu tun, die per se für das Höher, Schneller, Weiter steht, also für die Ideologie, die den Kreisel sich immer schneller drehen läßt? Nunja!

Aber nun habe auch ich mich schon wieder hinreissen lassen und etliche Abschnitte über ein Thema geschrieben, das mit dem aktuellen Artikel nur an einem allerdings recht breiten Rand zu tun hat. Und was, bitte, soll das sein?

Ab 1. Januar 2020 dürfen Soldaten in Uniform die Bahn kostenlos benutzen! Gaaanz toll! Ist auch nicht wirklich das Thema, steht aber für eine weitere Militarisierung unserer Republik, und die ist das, was mir wirklich Sorge bereitet!

Führende Politiker von CDU, FDP und sogar der Grünen* sprechen sich für eine Entsendung deutscher und europäischer Kriegsschiffe in die Straße von Hormus aus, um die Schiffahrt vor dem bösen Iran zu schützen (Tankerkrise). In einem lesenswerten Artikel von Jürgen Todenhöfer meint er, zu seiner ‚Zeit als CDU-Abgeordneter wäre man für solche Forderungen aus der CDU geflogen‘. Weil verfassungswidrig nach Artikel 87a Grundgesetz, der Einsätze der Bundeswehr nur zur Verteidigung und ’nach einer juristisch bis heute fragwürdigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – nach einem Beschluss des UN-Sicherheitsrats‘ erlaubt. Weder das eine noch das andere liegt aber vor . . .

Nun sieht das ja, zumindest für mich, so aus, als ob unser Grundgesetz (ähnlich wie das Völkerrecht) schon seit etlichen Jahren gerne als Totschlagargument gegen den politischen Gegner gebraucht würde, nur lesen tut es anscheinend keiner, danach handeln schon gar nicht. Eher diskutiert man über eine Änderung des Grundgesetzes, wenn es der gerade anstehenden politischen Agenda widerspricht.
Deutschland (ganz Deutschland? Nein!) soll und will mehr ‚Verantwortung‘ übernehmen. Wohl gesprochen! Aber was heißt da ‚Verantwortung‘? Mehr ‚Verteidigungsausgaben‘? Mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr? Deutschland wird am Hindukusch verteidigt?

Auslandseinsätze der Bundeswehr ~ Quelle: Wikipedia
Auslandseinsätze der Bundeswehr ~ Quelle: Wikipedia

Zur Erinnerung die entsprechenden Artikel im Grundgesetz:

Artikel 26
[Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges; Kriegswaffenkontrolle]

(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
(2) Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Art. 87a

(1) 1 Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. 2 Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.

Nun denn, hat der Iran Deutschland angegriffen? Nicht daß ich wüßte. Der Iran beziehungsweise seine Revolutionsgarde hat einen englischen Tanker aufgebracht, mit der Begründung, der hätte ein Fischerboot gerammt und wäre danach weitergefahren. Das kann man glauben oder eher nicht ~ vorausgegangen ist allerdings, daß eine britische Spezialeinheit bei Gibraltar einen iranischen Tanker unter panamesischer Flagge aufgebracht hat, weil er mit iranischem Öl nach Syrien unterwegs gewesen sein soll ~ was Iran allerdings bestreitet. Die Aufforderung zur Beschlagnahme kam anscheinend direkt von Mike Pompeo, dem amerikanischen Außenminister von Trumps Gnaden, einem expliziten Falken. Das Argument war, daß der Tanker gegen die Sanktionen der USA und der EU gegen Syrien verstoße, wobei das in Bezug auf die EU auf etwas wackligen Füßen steht, denn die Sanktioen verbieten den Export von Öl aus Syrien, nicht die Lieferung nach Syrien:

Die EU verbietet den Import, den Kauf, die Beförderung, die Finanzierung von Rohöl und Erdölerzeugnissen, die in Anhang IV der VO 36/2012 definiert werden, aus Syrien oder mit Ursprung in Syrien.

Sogar wenn man jetzt nicht die Sanktionen gegen Syrien hinterfragt, kann man die britische Aktion durchaus als Akt der Piraterie sehen. Es scheint auch so, daß es eher darum geht, daß Trump seit geraumer Zeit versucht, im Zusammenhang mit Sanktionen gegen den Iran Erdölexporte da her zu unterbinden – laut Papieren ist das Öl aber im Irak geladen worden . . .

Gehen wir noch ein Stück weiter zurück: Diese Tankeraffären sind ja nicht vom Himmel gefallen, sie sind eingebettet in den Streit zwischen den USA und Iran um das Atomprogramm des Iran. In jahrelangen Verhandlungen wurde dem Iran ein Verzicht auf die Anreicherung von Uran abgerungen, unter großen Anstrengungen auch der EU, und unter Obama schließlich unterzeichnet. Und das wurde vom Iran laut Kontrolle durch die internationale Atomenergiebehörde auch eingehalten. Trump hat diesen Vertrag trotzdem gekündigt, dem Vernehmen nach vor allem deshalb, weil der Vertrag unter Obama abgeschlossen wurde . . . und mit Sanktionen die Wirtschaft des Iran und damit auch die Bevölkerung in existenzielle Schwierigkeiten gebracht.

Gehen wir noch ein gutes Stück weiter zurück. Der Streit zwischen den USA und dem Iran ist wahrlich nicht neu, der reicht noch viel weiter zurück als das Mullah-Regime dort. Der britische MI6 und der amerikanische CIA initierten 1953 mit der Operation Ajax den Sturz der ~ demokratischen ~ Regierung Mossadeqh, zusammen mit prominenten Geistlichen und der Unterstützung der iranischen Armee. Das nachdem der Iran ~ nach Auslauf des Vertrags von für den mit 20% des Ertrags aus den Erdölgeschäften der britischen AIOC, später umbenannt in BP, sehr unvorteilhaften Konditionen, die Erdölgeschäfte verstaatlichte. Was für ein Affront! Das ganze lief nicht ganz so ab wie geplant, aber Mossadegh wurde beseitigt. Schah Reza Pahlavi unterdrückte dann mit seinem Geheimdienst SAVAK alles, was nur andeutungsweise links oder im Gegenteil islamistisch war. Das führte dann 1979 zur islamischen Revolution

Wie die Geschichte gelaufen wäre, wenn Ajax nicht stattgefunden hätte, die Briten zu fairen Bedingungen weiter Öl gefördert und die USA sich aus dem Iran herausgehalten hätten? Das weiß niemand. Was man aber weiß ist, daß den Briten und der USA die Angelegenheit Iran seither immer wieder auf die Füße fällt.

Die USA haben seither, also seit ich denken kann, die Operation Ajax als Blaupause genommen, um jede für die USA oder deren Wirtschaft unangenehme Regierung zu stürzen zu versuchen. Ich erinnere an Chile und Argentinien, die danach jahrzehntelang unter Diktaturen litten, wo Opposition brutal verfolgt wurde und Menschen nicht nur in Gefängnissen verschwanden, sondern auch lebendig aus Hubschraubern über dem Ozean abgeworfen wurden. Nicaragua, wo eine rechte Guerilla-Organisation, die Contras, gegen die demokratisch gewählte sandinistische Regierung unterstützt wurde, ironischerweise mit Waffengeschäften zum verfeindeten Iran, obwohl die USA damals im Krieg Iran/Irak eigentlich auf Seiten des Irak standen. Der Irak selbst, wo Massenvernichtungswaffen frei erfunden wurden, um den Einmarsch einer ‚Koalition der Willigen‘ zu rechtfertigen und Saddam Hussein zu stürzen. Afghanistan, um AlQuaida auszuräuchern und die Taliban durch eine Marionettenregierung von USAs Gnaden zu ersetzen. Lybien, um den Schurken Gaddafi zu stürzen, der so lange ein guter Schurke, unser Schurke war, wie er Europa die Flüchtlinge vom Hals hielt. Und seit einigen Jahren Syrien, wo Assad unbedingt beseitigt werden muß.

In keinem dieser Staaten, die erfolgreich ‚befreit‘ wurden, wie das in dem in meiner Jugend beliebte Brettspiel Risiko nannte, nachdem ‚erobern‘ als nicht mehr politisch korrekt ersetzt wurde, ist ein stabiler demokratischer Staat entstanden. Fast überall terrorisieren durch die USA oder sonstige Beteiligte hochgepäppelte schwerbewaffnete Milizen die Bevölkerung und kämpfen um Macht und Reichtum, fast alle erfordern daueraft militärische Präsenz von Nato oder anderen transnationalen Strukturen, damit nicht ständig neu das Blutbad hochschwappt. Das übrigens auch in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, das die Nato mit Luftschlägen ‚befriedete‘.

Zudem führen die USA einen nicht erklärten, mehr oder weniger geheimen Drohnenkrieg in mehreren Staaten (Afghanistan, Pakistan, Jemen, . . . ), dem überwiegend Zivilisten zum Opfer fallen. Gesteuert wird der über die Air-Base Ramstein in Deutschland, was die Bundesregierung wohl weiß, aber in Kadavergehorsam gegenüber der USA toleriert. Donald Trump hat dieses Jahr die Befugnisse des CIA im Drohnenkrieg erweitert und die eh schon minimalen Berichtspflichten gekappt, wie die Informationsstelle für Militarisierung hier berichtet.

Der durchgeknallte Egomane Trump ist leider nur das herausragendste Symptom für die militärisch aggressiven Politik, mit der die USA schon seit Jahrzehnten ihre Hegemonie bewahren und ausbauen wollen, immer um die eigenen wirtschaftlichen und Machtinteressen durchzusetzen. Die Fakten sprechen da für sich.

Ich höre da schon die Kritik aufkommen, da springt gleich der Knüppel aus dem Sack: Antiamerikanismus!!! Ja nu? Was bleibt mir da anderes übrig, wenn die Politik der USA so menschenverachtend ist?

Und der böse Russe, und die bösen Chinesen? Wir brauchen doch die Nato und die Amerikaner, um uns vor den bösen Russen zu verteidigen?

Da wird es tatsächlich einmal Zeit, ein paar Fakten aus der historischen Kiste zu zücken. Nicht der Russe hat Deutschland überfallen, das war umgekehrt Hitler und ein paar hundert Jahre vorher Napoleon. Die Russen, will heißen die UdSSR, haben sich zusammen mit den Alliierten unter Millionen zählenden menschlichen Opfern nach Berlin aufgemacht, um Europa von den Nationalsozialisten zu befreien. Stalin war wahrlich niemand, unter dem ich leben wollte (unter McCarthy übrigens auch nicht!), aber der kalte Krieg war vor allem dem Unwillen der westlichen Siegermächte geschuldet, die UdSSR als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren. Man kungelte lieber mit den alten Faschisten, die in Westdeutschland bis in Regierungspositionen aufsteigen durften (Filbinger, Kiesinger).

Auch China kann aus den Erfahrungen seiner Geschichte schöpfen. In den Opiumkriegen 1 und 2 erzwang Großbritannien den Zugang zum chinesischen Markt für das vorher verbotene Opium, und im zweiten Weltkrieg war China von Japan besetzt.

Da der böse Russe vor den Toren Europas steht, verlangt die USA 2% des BIP als Etat für das Militär für alle Nato-Partner, um der Bedrohung Herr zu werden. Wenn wir allerdings die Daten (Fakten, nicht alternativ wie von Donald!) von SIPRI analysieren, stellen wir fest, daß die USA zehnmal soviel Geld in ihre Streitkräfte stecken wie Russland, und allein Frankreich immer noch mehr Geld für Rüstung ausgibt als das riesige Russland, dessen Ausgaben im übrigen im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben sind. Auf Einwohner umgerechnet, geben die USA jedes Jahr fast zweitausend Dollar für Rüstung aus, Russland 424, China ‚lächerliche‘ 180. Frage: Wer bedroht hier wen?

warnte

Etat 2018 Einwohner $/Einwohner
USA 648798 325,4 1993
China 249997 1386 180
Russland 61388 144,5 424
Großbrittannien 49997 66,2 755
Frankreich 63800 65 981
Deutschland 49471 83,1 595

Etat in Millionen US$, Einwohner Millionen

Aber die bösen Russen haben doch die Krim annektiert?

Die ‚Annektion‘ stellt sich bei genauerem Hinsehen als Segregation, als Abspaltung heraus. Es gab eine Volksabstimmung der überwiegend russischstämmigen Bevölkerung, die sich mit großer Mehrheit für den Anschluß an Russland entschied, was einen historischen Zustand wiederherstellte. Es fiel kein einziger Schuß, es gab kein einziges Todesopfer, im Gegensatz zum Donbass. Dafür blockierte Russisches Militär (die Russen haben da ihren Schwarzmeerhafen) die ukrainische Armee in ihren Kasernen, weil das sonst tatsächlich blutig geworden wäre.

Der Westen hat diese Abstimmung und den Anschluß zu Russland nie anerkannt, wogegen bei der Teilung Jugoslaviens alle abgespaltenen Teilrepublicken schnell anerkannt wurden ~ wie üblich wurde mit zweierlei Maß gemessen.

Gorbatschow und Reagan bei der Unterzeichnung des INF-Vertrags
Gorbatschow und Reagan bei der Unterzeichnung des INF-Vertrags
Genauso operiert der Westen, USA und Nato, beim Streit über die Mittelstreckenraketen. Trump kündigte im Februar auf Mitte des Jahres den INF-Vertrag, den Gorbatschow und Reagan 1987 unterschrieben hatten, angeblich, weil Russland mit den Marschflugkörpern Novator 9M729 schon seit Jahren gegen den INF-Vertrag verstoße. Nun waren die aber eine Reaktion auf die Installation eines angeblichen Raketenschutzschildes gegen Iran und Nordkorea in Polen und Rumänien. Dessen Abschußsilos Mark 41 Vertical Launch Systems, die der Hersteller Lockheed Martin als „fortschrittlichstes Kampfsystem der Welt“ beschreibt, das auch zu Offensivzwecken eingesetzt werden könne. Die Silos in Polen, Rumänien und Japan können auch mit nuklearen Gefechtsköpfen bestückte Marschflugkörper wie etwa den Tomahawk verschießen. Bei einer Reichweite von bis zu 1.670 Kilometer fällt das System damit klar unter den INF-Vertrag. Quelle: Malte Daniljuk auf Telepolis. Inzwischen auch in Japan installiert, geben die USA jetzt zu, daß das System zumindest auch gegen Russland installiert wurde. Die Proteste Russlands wurden ignoriert. Wieso wird das in Politik und Medien nicht thematisiert? Zweierlei Maß!

Ein Nachschlag, nur einen Tag nach Veröffentlichung dieses Artikels: Am Sonntag startete die USA in Kalifornien eine Tomahawk-Variante aus einer MK-41. Nähere Infos hier!

Noch ein Update: In keinem der Beiträge unserer Leitmedien wird thematisiert, daß die USA im Rahmen des ‚Raketenschutzschilds‘ in Polen, Rumänien und Japan schon die Abschußvorrichtungen für die Tomahawks installiert haben oder aufbauen. Wird hier absichtlich oder einfach aus Faulheit verschleiert, daß die USA schon seit geraumer Zeit das INF-Abkommen torpediert haben? Wenn ich als mehr privater Blogger mit ein paar Klicks diese Fakten recherchieren kann, müßte ein professioneller Qualtätsjournalist noch viel mehr Möglichkeiten haben, an diese Informationen zu kommen und sie der Welt zugänglich zu machen!

US-Raketentest am 18. August 2019. Bild: US-Verteidigungsministerium/gemeinfrei
US-Raketentest am 18. August 2019. Bild: US-Verteidigungsministerium/gemeinfrei

Schon 2016 warnte der Architekt des Vertrags und Friedensnobelpreisträger Gorbatschow „Die Nato hat angefangen, sich auf den Übergang vom Kalten Krieg zu einem heißen Krieg vorzubereiten.“ und sagte „Sie sprechen nur über Verteidigung, aber im Grunde treffen sie Vorbereitungen für Angriffshandlungen.“

Und wozu das Ganze? Nun, Trump hat ganz offiziell erklärt, dass die militärische Aufrüstung vor allem auch den Wirtschaftsstandort USA stärken soll. Es geht um viele Milliarden Dollar in fast dem einzigen Bereich, in dem die USA, was den Export betrifft, noch konkurrenzfähig sind. Die verlangten 2% des BIP für die Militärausgaben würden zum guten Teil in die USA fließen. America first, make Amerika great again. Und wenn die Welt dabei vor die Hunde geht . . .

Deutschland mischt übrigens kräftig mit. Allein im 1. Halbjahr 2019 wurden Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern mit einem Gesamtwert von 5.329.994.096 Euro erteilt. Fast 5,4 Milliarden €uro in einem halben Jahr und trotz Verschärfung der Bedingungen doppelt so viel wie im ersten Halbjahr 2018!

In seiner Abschiedsrede am 17. Januar 1961 warnte der US-Präsident Dwight D. Eisenhower vor dem militärisch-industriellen Komplex als eine Gefahr für die demokratischen Institutionen und die Demokratie. Durch die Einwirkung dieses Komplexes auf Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft könne die politische Führung veranlasst werden, Konflikte eher militärisch als politisch lösen zu wollen und damit als verlängerter Arm der Lobby der Rüstungsindustrie agieren:

“In the councils of government, we must guard against the acquisition of unwarranted influence, whether sought or unsought, by the military-industrial complex. The potential for the disastrous rise of misplaced power exists and will persist. We must never let the weight of this combination endanger our liberties or democratic processes. We should take nothing for granted. Only an alert and knowledgeable citizenry can compel the proper meshing of the huge industrial
and military machinery of defense with our peaceful methods and goals, so that security and liberty may prosper together.”

„Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können.“

Spätestens seit die USA 2002 einseitig vom ABM-Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen zurückgetreten sind, ist die Rüstungspirale wieder im Gange und beschleunigt sich immer mehr. Durch die Entwicklung neuer Hyperschallraketen und Marschflugkörper schrumpft die Vorwarnzeit auf Minuten, die Gefahr eines gewollten oder auch versehentlichen nuklearen Schlagabtauschs wird immer größer, größer als damals im kalten Krieg.

Auch wenn ein darauf folgender Nuklearer Winter ~ und damit schließt sich der Kreis ~ die Klimaerwärmung zumindest vorübergehend bremsen würde, hätte weder die Menschheit noch die Natur viel davon. Es wäre die ultimative Apokalypse. So wenig, wie die Rüstungsproblematik in Politik und den Medien präsent ist, stehen die Chancen nicht schlecht, daß der nukleare Winter die Klimakatastrophe überholt.

PS: Die Grünen waren einmal eine pazifistische Partei, aber das ist lange her. Inzwischen posieren prominente Mitglieder der Grünen bei Manövern der Bundeswehr in Camouflage. Eine Email, die ich am 27 Juni des Jahres sowohl an Cem Özdemir als auch an Tobias Lindner geschickt habe, blieb leider unbeantwortet . . .

Die Mutter aller Probleme, Morgenröte und Wege

vor Sonnenaufgang ~ Wölkchen zartrot beleuchet
vor Sonnenaufgang ~ Wölkchen zartrot beleuchet

Was ich jetzt schon lange vor mir hergeschoben habe in den letzten Wochen, wieder mal ein Artikel der Kategorie Polisangelegenheiten . . . die beschriebenen Ereignisse liegen zum Teil schon in einer längeren Vergangenheit, dem Ende zu zielt er aber in eine fernere Zukunft. Lest, und bleibt gespannt! 🙂

und auch ich bin ein besorgter Bürger . . .

Allerdings mache ich mir weniger Sorgen um irgendwelche Migranten, nicht einmal dann, wenn ein kleiner Prozentsatz unter ihnen kriminelles Verhalten zeigt. Dafür ist dann unsere Exekutive, Polizei und Rechtssprechung zuständig. Daß man einigen unter ihnen ihr verqueres Welt- und/oder Frauenbild abgewöhnen müßte, sollte durch verpflichtende Kurse in den Griff zu kriegen sein, denn die Spielregeln bei uns sind durch unser Grundgesetz und die allgemeinen Menschenrechte festgelegt, das ist lernbar, sollte man zumindest meinen . . .

An der Stelle sind allerdings Zweifel angebracht, wenn man so manche Äußerung von biodeutschen Politikern und hohen Beamten, die lieber Politiker wären, speziell aus dem Fachgebiet der inneren Sicherheit, hört. Mir fällt da der Name Seehofer ein, und bei einem Herrn Maaßen kommen mir sogar massive Zweifel, ob dieser (zum Glück!) Ex-Chef des Verfassungsschutzes jemals unser Grundgesetz gelesen hat.


Sollte Ihr Browser den Tweet nicht richtig darstellen, können Sie ihn hier in einem neuen Reiter ansehen.

Über den oben integrierten Twitter-Tweet gibt es einen schönen Spiegel-Artikel, ein gesammeltes Sünden-Register bei der Tagesschau, von der Affäre Kurnaz, wo er dafür gesorgt hat, daß ein unschuldiger in Deutschland gerborener und lebender Türke für Jahre im üblen US-Gefangenlager Guantanamo interniert blieb, über die verfassungsrechtlich unmögliche Bespitzelung von Journalisten von netzpolitik.org, das Etikettieren des Whisleblowerds Snowdon als Spion Russlands, Beratung für die AfD (Alte Naive für Deutschland!), damit die nicht durch seine Behörde beobachtet werden müsste, das Belügen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die Bezeichnung eines Videos, das Bedrohung und Jagd auf ausländisch aussehende Menschen zeigt, als ‚gezielte Falschinformation‘. All das zeigt überdeutlich, wo sich dieser Beamte, der Politik zu machen versucht, verortet. Ich selbst habe mich schon vor mehr als zwei Jahren einmal darüber geäußert, spare mir zu dieser Person also weitere Kommentare.

Wenn wie in Dresden zugereistes GesoX mit Hitlergrüßen und braunen Parolen ausländisch oder links aussehende Menschen bedrohen und hinter ihnen herlaufen (die wollen nur spielen?!?), und die zuständigen Innenminister von Land und Bund und der Verfassungsschutzpräsident der Meinung sind, daß es keinen Mob gegeben habe, dafür aber einen (zugegebenermaßen anonymen, weshalb wohl?) Poster eines dokumentierenden Videos der falschen Darstellung oder gar Fälschung beschuldigen, DANN mache ich mir Sorgen! Schlimm genug, daß kaum 70 Jahre nach Beendigung eines tausendjährigen Reiches Minderheiten wieder im öffentlichen Raum Sorgen um ihre Sicherheit haben müssen, wenn die entsprechenden exekutiven und politischen Organe den Feind nur auf der linken Seite suchen und den auf der rechten (das hat leider rein gar nichts mit Recht zu tun!) Seite verharmlosend schönreden, dann müssen sämtliche Alarmglocken läuten, dann müssten sogar die noch vorhandenen Luftschutzsirenen aus den Zeiten des kalten Krieges losgehen.

Daß ein offensichtlich nur lokalen Parteiinteressen sich verpflichtet fühlender Politiker zum Innenminister der Bundesrepublik aufsteigt, wird sich hoffentlich irgendwann von selbst erledigen. Die CSU dampft in ihrem panischen Landeswahlkampf gerade ihren Stimmenanteil selbst ein, indem sie die AfD mit dem Thema Migration rechts überholen will. Auch ein Herr Seehofer wird seinen Preis zahlen müssen, warten wir das ab. Seehofer wollte Maaßen unbedingt noch befördern, das hat zu Protesten geführt und ist dann storniert worden. Aber der Herr Maaßen wird tatsächlich im Innenministerium dem Herrn Seehofer zuarbeiten, und mir graut vor der politischen Agenda der beiden!

die Mutter aller Probleme? die Mutter aller Probleme!

Seehofer hat nach den Ausschreitungen von Chemnitz lange geschwiegen, um dann mit dem Spruch an die Öffentlichkeit zu treten, daß Migration ‚die Mutter aller Probleme‘ sei. Er reiht sich damit in die Reihe derer ein, die in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Probleme der Wirtschaftskrise den Juden in die Schuhe geschoben haben. Die dann den unter das Existenzminimum der Teilhabe am Wohlstand der Gesellschaft gedrückte Teil der Bevölkerung mit übler Propaganda gegen ‚die Juden‘ (sind an allem schuld!) gehetzt hat, bis hin zum Holocaust, während diese gleichen Hetzer sich mit Posten und Pöstchen bereichern konnten, und den großen Konzernen (z.B. IG Farben, Krupp) weiter das große Geld zustömte.

Nein, Herr Seehofer, die Mutter aller Probleme ist nicht die Migration, die Migration ist nur die Folge der Mutter aller Probleme, einer politischen Ideologie, die die Interessen der großen Wirtschaft über die Interessen der Menschen setzt. Die den Strom des Geldes von denen, die wenig haben, national von denen mit geringem Einkommen zu denen, die Millionen und Milliarden ihr Eigen nennen, global von den Ländern der ‚dritten Welt‘ zu denen der ‚ersten Welt‘ (siehe diesen Artikel unten, Linksammlung zur Afrikapolitik), immer weiter anfeuert. Ganz vorne mit dabei die USA und Europa, aufstrebend China und auch Russland.

Mindestens seit den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, hier in Europa mit Thatcher und Kohl, ist Politik im Auftrag der Wirtschaft nur noch damit beschäftigt, das Ellenbogenprinzip gegen das Solidaritätsprinzip durchzusetzen. Kapitalisten werden seither Investoren genannt, Sozialabbau wird als Reform schöngeredet, die Ausbeutung von Entwicklungsländern als Globalisierung. Als einziger ‚christlicher Wert‘ zählt noch der Shareholder Value. Keine Tagesschau ohne vorherigen Börsenspiegel, der klar und deutlich macht, was wirklich zählt in dieser schönen, neuen Welt: Geld, Geld, Geld! Nicht für die Vielen, sondern nur für die Wenigen, schon lange nicht mehr die oberen Zehntausend, sondern je nach Sichtweise die oberen zehn Prozent, das obere Prozent, oder gar das obere Promille.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten zehn Prozent fast 64 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland. Während die Zahl der Niedriglöhner steigt und der Reallohn des ’normalen‘ Arbeitnehmes stagniert bis fällt, ist alleine im lezten Jahr das Vermögen der 1000 reichsten Deutschen um 13% gestiegen. Sie besitzen zusammen 1,177 Billionen €uro. Die 44 reichsten Haushalte besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.

Die Politik tut nichts dagegen, viel dafür. Unter Kohl wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, die nach der Finanzkrise 2008 diskutierte Finanztransaktionssteuer hat sich in Wohlgefallen (der Finanzindustrie) aufgelöst. Spätestens seit Schröder mit Harz IV macht auch die SPD Politik für die wenigen Reichen, eine Frau Nahles läßt sich für einen Mindestlohn feiern, von dem auch bei Vollzeit keine Familie ernährt werden kann und die direkt in die Altersarmut führt. Ihr Vorgänger Müntefering knüppelte mit dem Satz ‚Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen‘. Und das in einer Situation, in der Arbeitsplätze in Billiglohnländer exportiert werden, bis nach Fernost, und immer mehr Arbeitsplätze durch Automatisierung (Industrie 4.0) verloren gehen.

Politik für die Vielen anstatt für die wenigen Reichen wird nicht mehr gemacht, DAS ist die Mutter aller Probleme, deswegen laufen die Abgehängten hinter irgendwelchen Populisten her. Die Migranten sind nur die Sündenböcke, die jetzt für das Versagen einer Politik geprügelt werden, gemacht von Politikern, die nur noch mit dem Schachern um irgendwelche Posten beschäftigt sind, die sich die Gesetze, die sie abnicken, von irgendwelchen Lobbyorganisationen schreiben lassen. Die (parlamentarische) Demokratie schafft sich ab, der Weg zur Diktatur des Kapitals wird freigemacht.

Upgrade am 31.10.2018 ~ gerade habe ich auf Telepolis ein lesenswertes Interview mit Hannes Hofbauer gelesen, der beleuchtet, wie von Unternehmerverbänden mehr Migration gefordert wird, um den Arbeitsmarkt unter Druck zu setzen. Zitat:“Die gewerkschaftsnahe Hans Böckler-Stiftung hat errechnet, dass die Löhne und Gehälter in Deutschland zwischen 1995 und 2004 um – preisbereinigt – 0,9 Prozent gesunken sind. Seit 1992 gab es (bis 2016) keine Reallohnerhöhung.“ Auf der anderen Seite werden durch sogenannte Freihandelsabkommen wirtschaftliche Strukturen in Entwicklungsländern zerstört, um für europäische Produkte Absatzmärkte zu schaffen, während deren Erzeugnisse auf dem europäischen Markt nicht konkurrenzfähig sind. Zitat: „In Ghana kamen beispielsweise vor dem Partnerschaftsabkommen 95 Prozent des Geflügels von heimischen Züchtern, nach Inkrafttreten des Abkommens waren es gerade einmal 11%. Es sind die Söhne (und Töchter) dieser Bauern, die keine Überlebensperspektive mehr in ihrer Heimat haben und sich über das Mittelmeer nach Europa aufmachen.“

Nach zwei Landtagswahlen, in denen die früher sogenannten Volksparteien jeweils mehr als zehn Prozent Stimmenanteil verloren haben, und das von inzwischen eh unterirdischem Niveau aus, und eine Partei, die nun wirklich entgegen ihrem Propagandanamen ganz und gar keine Alternative darstellt, bald in jedem Landtag vertreten ist, und auch die sogenannten Linken keine Visionen für eine Zukunft mehr präsentieren können, wundern sich die Großkopferten aller Parteien, wie der Wähler, dieses geheimnisvolle Wesen, sie nur sooo mißverstehen konnte. Sie wollten doch alle nur sein Bestes!

Wenn aber das Beste eben das Geld derer ist, die Monat für Monat malochen müssen, um das Geld für die Miete, Heizung, Strom und den Sprit für das Auto zusammenbekommen, das sie für den Arbeitsweg brauchen, während Politik nur noch für die wenigen Vermögenden gemacht wird, und die Vielen nur noch als bezahlendes Stimmvieh mißbraucht werden, denen mit vielen verschwurbelten leeren Worthülsen vorgemacht wird, daß sie als Souverän die Entscheidungen träfen, die die Nation oder gar die Union steuern; während allen aus Erfahrung immer klarer wird, daß politischer Einfluß vom (großen!) Geld abhängig ist, wundern sich unsere Politdarsteller, daß ihnen die Wähler davonlaufen.

Dabei sollten ihnen die Zusammenhänge schon klar sein, sonst würden im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nicht die peinlichen Teile mal eben unterschlagen, ich zitiere aus dem oben verlinkten Artikel der sächsichen Zeitung: „So fehlt inzwischen der Befund: ‚Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikänderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikänderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird‘. Ebenfalls gestrichen: Personen mit geringerem Einkommen verzichteten auf politische Partizipation, ‚weil sie die Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert‘. Getilgt wurde zudem der Passus, es bestehe ‚eine klare Schieflage in den politischen Entscheidungen zulasten der Armen‘ “.

Verückt ist, immmer wieder die selben Handlungsweisen zu wiederholen, und jedesmal zu erwarten, daß nun alles anders wird . . .

In welcher Welt wollen wir leben? Wie sollte eine Gesellschaft aufgestellt sein, in dem die Vielen in Würde leben können? Das Bundesverfassungsgericht hat am 9.2.2010 ein an sich richtungsweisendes Urteil gefällt, ich zitiere:

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. . . . Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber . . .

Art. 1 Abs. 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Art. 20 Abs. 1 GG: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Und trotzdem: Auch nach der Nachbesserung dürfen die Bezüge von HarzIV durch Sanktionen gekürzt werden, obwohl sie nur das Existenzminimum und soziale Teilhabe beinhalten. Nach wie vor werden HarzIV-Bezieher durch Jobcenter-Mitarbeiter Repressionen ausgesetzt, die schwerlich mit der Würde des Menschen vereinbar sind.

Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, unseres Grundgesetzes, an die Politik ist klar formuliert ~ stetige Aktualisierung durch den Gesetzgeber. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ein menschenwürdiges Existenzminimum und Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sind sicherzustellen.

In Zeiten, in denen Arbeit immer mehr von sich intelligent wähnenden Rechenmaschinen wegrationalisiert wird und ein immer größer werdender Prozentsatz der Bevölkerung allenfalls noch als Konsumenten gebraucht wird, in Zeiten, in denen die Interessen genau derselben Bevölkerungsgruppe immer weniger berücksichtigt werden, weil es ja sooo wichtig ist, die Interessen der Shareholder zu beachten, kann das eigentlich nur eines heißen: Bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist kein Geschenk. Wie sagt das Bundesverfassungsgericht?

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG . . . ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden . . .

Was tun? Wo ist ein gangbarer Weg?

Dem bedingungslosen Grundeinkommen wird oft nachgesagt, daß es nicht finanzierbar wäre. Aber ein Herr Draghi hat ja gezeigt, daß im Interesse der Finanzwirtschaft ohne Weiteres 80 Milliarden €uro geschöpft werden können, um faule Wertpapiere vom Markt zu kaufen. Monat für Monat. Inzwischen sind es, nach diesem Artikel zweieinhalb Billionen €uro, die Herr Draghi da versenkt hat. Eine Billion hat zwölf Nullen. Ungefähr 5000 €uro für jeden Bürger der €uropäischen Union. Ohne irgendeine demokratische Legitimation. Es ist ja nicht so, daß der Herr Draghi in einen Schrank greift und da vorhandene Milliarden herausholt, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Er SCHÖPFT das Geld, er erzeugt es nach Belieben. Genauso wie jede Bank, die einen Kredit vergibt, nicht Geld verleiht, das sie hat. Nein, sie schöpft dieses Geld, möchte es mit Zinsen zurück haben. Bis auf die Zinsen verschwindet dieses geschöpfte Geld bei der Rückzahlung, die Zinsen mutieren zum Gewinn der Bank.

Neulich habe ich einen interessanten Essay gelesen: Geld für mehr Demokratie Der Autor Rob Kenius schildert die Mechanismen der Finanzwirtschaft und propagiert eine digitale, degressive (will heißen, wird negativ verzinst) Währung, die von den Staaten bzw von der Union parallel zum €uro installiert werden sollte, deren Akzeptanz auch gesetzlich garantiert würde. Ich werde jetzt nicht erklären, wie diese Währung funktionieren würde, dazu lest bitte den Artikel ~ nur soviel: die Idee hat tatsächlich das Potential, den Einfluß der Finanzindustrie auf die reale Wirtschaft und die Politik herunterzuschrauben und den Einfluß von uns Bürgern wieder zu stärken, wenn . . .

. . . ja, wenn diese Idee dazu verwendet würde, europaweit ein bedingungsloses Grundeinkommen (das aber gar nicht Thema des Artikels ist) einzuführen und auszuzahlen. Die Degression, sprich die regelmäßige Wertminderung, würde für das bedingungslose Grundeinkommen so gut wie keine Rolle spielen, denn es wird ja laut Definition für die Grundbedürfnisse verwendet, also zeitnah ausgegeben. Und damit die lokale (von Wohnort bis Europa) Wirtschaft antreiben, durch direkten Konsum. Für die Finanzindustie, für die Spekulation, die nur die Geldmenge vermehrt und den Fluß des Geldes von denen, die wenig haben zu denen, die viel haben, ist eine degressive Währung naturgemäß völlig uninteressant.

Was das bedingungslose Grundeinkommen auch könnte: Wir Bürger wären nicht mehr auf Gedeih und Verderb dazu gezwungen, für unseren Lebensunterhalt Dinge zu tun, die wir mit wachem Gewissen nie tun würden. Kriege und Waffenexporte unterstützen, die Flüchtlingsströme in Gang setzen, zum Beispiel. Immer mehr Waren herzustellen, zu kaufen und zu verkaufen, die spätestens übermorgen wieder auf dem Müll landen und unsere Umwelt zum Kollaps führen. Der Slogan ’small is beautiful‘ würde vielleicht wieder aufleben, wenn nicht die Zins-und-Zinseszins-Mechanismen der Finanzwirtschaft eine immer schnellere Rotation des Geldes, eine immer schnellere Ausbeutung der Resourcen unserer Erde erzwingen würden.

DAS ist eine Vision, meine Vision.

Zum Schluß noch eine gute Nachricht, in einer Welt, in der schlechte Nachrichten zu vielen Klicks führen. Für diese gute Nachricht erhoffe ich mir dennoch viele Klicks meiner Leser, denn wir alle können etwas tun, um diese Vision der Realität näher zu bringen. Zum einen führt ein Klick auf das Ribbon rechts oben zur Website des Bündnisses Grundeinkommen, das 2019 zu den Europawahlen antritt. Das Bündnis möchte als Einthemen-Partei das bedingungslose Grundeinkommen für Europa in die Debatte bringen. Meine Wahlempfehlung, denn hier ist der kleine Anfang möglich, es gibt keine Prozenthürde für die Europawahl. Gebt dem Pflänzchen eine Chance, auf daß es mit der Zeit ein großer Baum wird. Wandel ist machbar, Nachbar! Allemal sinnvoller, als die alten Parteien zu wählen, die sich alternativlos wähnen, oder die, die eine Alternative im Namen vorspiegeln, sich aber nur an der Naivität ihrer Wähler weiden.

Hinweisen möchte ich auf Bettina Knierim, die ich vor einem halben Jahr über ein Berufsnetzwerk kennengelernt habe, und zwar als eine unwahrscheinlich engagierte Frau, vor Energie strotzend. Sie hat mich mit ihrer Selbstbeschreibung als ‚Mensch, zumindest meistens :)‘ , in einem Berufsnetzwerk, das vor allem das Thema Karriere in den Mittelpunkt stellt, auf Anhieb überzeugt. Bettina hat sich entschlossen, sich für das Bündnis als Kandidatin aufstellen zu lassen und ist auf Platz 6 der Liste zu finden. Nochmal Wahlempfehlung im Speziellen. Für Bettina meine besten Wünsche, möge ihre Energie nie versiegen und sie trotzdem Mensch bleiben, weiter so! 🙂 Schaut euch ihre Website an!

. . . war da noch was?

nach zwei Tagen Grau wieder ein klarer Himmel :)
nach zwei Tagen Grau wieder ein klarer Himmel 🙂

Zwei Tage grauer Himmel in unterschiedlichen Dunkelheitsgraden, zum Teil ausgiebiger Regen, über den sich die Natur hier freut. Heute morgen dann ein klarer Himmel, über den ich mich freue, und den ich nach Wetterbericht noch gar nicht erwartet hatte . . . und wieder schön warm, nach der Fröstelei.

die Sonne steigt aus dem Dunst über der Kimm
die Sonne steigt aus dem Dunst über der Kimm

Immerhin gaben diese zwei Tage die Muße, meine andere Website, die ralfgutmann.eu, wieder in einen ansehbaren Zustand zu bringen. Was ein Zwangsupgrade der Serversoftware so alles mit sich bringen kann. Keinerlei Bilder mehr zu sehen auf einer Photowebsite 🙁 Und das alles, weil ein neuer Zeichensatz (UTF-8 anstatt ISO-8859-1) zum Standard erklärt wird, der Umlaute und so manches Sonderzeichen nicht interpretieren kann. Und weil man in einer Funktion, die die Bilder erzeugt, keinen leeren String ("", zwei Anführungszeichen mit nichts dazwischen) mehr verwenden darf, stattdessen muß man jetzt NULL schreiben (genau so!). Der Sinn der Änderungen wird mir auf immer und ewig verborgen bleiben . . . Nun, die Hauptfehler sind inzwischen nach mühevoller Forschungsarbeit beseitigt, es gibt wieder Photos zu sehen. Ein paar Knoten gibt es noch zu lösen, da bleibt noch etwas Fleißarbeit . . .

War noch was? Ach ja, die Wahl(en) am Sonntag . . .

für mich zu früh dieses Jahr, aber es bleibt der Trost, daß „meine“ Partei wieder mal eh nicht im Landtag BW vertreten ist.

Auf der Welle der sogenannten „Flüchtlingskrise“ ist mit der AfD eine sogenannte „populistische“ rechtsgerichtete Partei in alle betroffenen Landtage eingezogen, die etablierten Parteien ringen um Koalitionsmöglichkeiten, und alle wundern sich . . . worüber, um Himmels Willen?

Wenn in einer der reichsten Nationen der Welt eine Ausnahmesituation einer Zuwanderung im allerniedrigsten einstelligen Bereich (einskommairgendwas Prozent der Bevölkerung) von sämtlichen Medien zur Superkrise hochstilisiert wird und die neoliberal-bürgerliche Presse (FAZ) versucht, eine Kanzlerin zu zerlegen, die ausnahmsweise mal das Richtige tut, und dieselben Medien sich dann wundern, daß eine sogenannte Alternative (harrharrharr!) aus dem Stand in zweistelligem Prozentbereich in die Landtage gespült wird ~ sagt mal, wie vernagelt kann man sein?

Besorgte Bürger, tsssss! Ja, Sorgen mache ich mir auch. Aber realistisch betrachtet ~ der sogenannte rechte Rand war in der deutschen Gesellschaft schon immer vorhanden, genauso wie die interessierten Kreise, die diesen Rand immer wieder mal für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Dazu braucht es in der Regel einen Sündenbock, und der sind diesmal halt nicht die Juden, sondern die Flüchtlinge, besonders die aus islamisch geprägten Ländern. Seelig sind die geistig Armen, denn sie merken nicht, wie sie hinter die Fichte geführt werden . . .

„Wachstum“sraten in dieser Größenordnung würden ansonsten von unseren neoliberalen Leitmedien als viel zu niedrig und fast schon in eine Rezession führend beschrieben, wenn es denn um unsere bedauernswert arme Wirtschaft ginge. Geht das aber um Flüchtlinge (aus islamischen Staaten, oder wahlweise für die USA aus Mexico, genauso im Süden), dann wird das eine Schwemme, eine Flut, um nicht zu sagen ein Tsunami ~ richtet Dämme auf, auf daß wir nicht ersaufen!

Die wirkliche Krise fällt unter den Tisch. Diese Menschen(!) kommen zu uns nach Europa, weil in ihrem Land durchgeknallte sogenannte islamistische Horden verschiedener Couleur mit unterschiedlich motivierter Unterstützung, auch von westlichen Ländern, auch Europa, auch Deutschland, und auch mit Waffen, die wir verkaufen oder verschenken, sich gegenseitig die Köpfe abhacken. Es mögen auch einige sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge dabei sein, Menschen(!), die sich ein besseres Leben erhoffen, im Übrigen eine legitime in der amerikanischen Verfassung verankerte Motivation (das Recht auf Streben nach Glück, explizit auch in $).

Zum Verständnis hilft es vielleicht, sich die armen Irren anzuschauen, die zu hunderten aus England, Frankreich und auch aus Deutschland nach Syrien gezogen sind, um auf der Seite des Daesch (Dāʿisch / داعش), der von den deutschen Medien tatsächlich durchgängig als „Islamischer Staat“ tituliert wird, zu kämpfen. Es handelt sich durchgehend um junge Menschen, die in ihren Heimatländern keine Perspektive gefunden haben, die zu denen gehörten, die im Auswahlprozess um die Plätze an der Sonne unten rausgefallen sind. In Frankreich sind das gewöhnlich als Erbe aus der Kolonlialzeit junge Menschen mit Wurzeln in der x-ten Generation im Maghreb, in Deutschland Türken der dritten oder vierten Generation der für das Wirtschaftswunder ins Land gerufenen Gastarbeiter, die am überall vorhandenen latenten Rassismus scheitern. Solange Jugendliche bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz nur wegen eines türkischen Namens im Absender vom Personalmanager aussortiert werden, ohne überhaupt die Bewerbung gelesen zu haben, kann von Integration keine Rede sein. Und solange unser Wirtschaftssystem einen wachsenden Prozentsatz auch der „biodeutschen“ Bevölkerung über Harz IV aus der Teilhabe an der Gesellschaft ausschließt, und der „besorgte Bürger“ Angst hat, ebenfalls unten rauszufallen, wird es einen Pool von Wählern geben, die sich im Zweifelsfall für den Fremdenhass als Ablenkungsmanöver instrumentalisieren lassen.

Die wahre Krise liegt in der Tatsache begründet, daß sowohl auf nationaler, europäischer als auch globaler Ebene die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Die 62 reichsten Menschen besitzen inzwischen so viel Vermögen wie die Hälfte der Menschheit ~ 3,5 Milliarden (Quelle: Zeit, Oxfam). Zum einen ist das begründet in den systemischen Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung, zum anderen, nicht ohne Zusammenhang damit, den systemischen Grundlagen der Macht, auch in unseren parlamentarischen, repräsentativen Partei-Demokratien, und der Struktur der Massenmedien. Ich hör schon wieder einige schreien: Verschwörungstheorie! Verschwörungstheorie! Aber dafür braucht es gar keine Verschwörung, nur Egoismus und das Schwimmen in der heimischen Meinungsblase, nicht nur auf Fakebook.

Als ich in meiner Jugend das Denken gelernt habe, war der Bericht des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums ein viel diskutiertes Buch. Die Schlußfolgerungen aus der Studie, daß jedes letztendlich exponentielle Wachstum in einer begrenzten Welt mit begrenzten Resourcen zum nicht nur wirtschaftlichen Kollaps führt, sind anscheinend spätestens mit dem Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts vergessen. Wachstum, Wachstum über alles, das macht die Investoren glücklich, und jeder, absolut jeder Sender, auch der öffentich-rechtlichen Bedürfnisanstalten, hat seinen Aktienticker zur Primetime um die Hauptnachrichtenzeit. Und immer geht es um Wirtschaftsdaten, Aktienindexe und BIP, und nur wenn die wachsen, wachsen, wachsen ist die Welt in Ordnung.

Der Slogan „small is beautiful“ aus den alten Zeiten ist anscheinend auch den Grünen nicht mehr präsent, auch nicht Kretschmann, dem grün angemalten schwarzen, der sogar mal rot gewesen sein soll. Daß in diesem Wirtschaftsystem der Außenhandelsüberschuss der Bundesrepublik, auf den wir so stolz sind, logischerweise Verschuldung in den Ländern bedeutet, aus denen dieser Überschuss zu uns fließt, wen scherts! Daß die CO²-Reduktion der Bundesrepublik zum allergrößten Teil mit einer Erhöhung in China generiert wurde, wo ja inzwischen die hier konsumierten Waren hergestellt werden ~ pffffft! Daß der Herr Draghi, Zögling von so integren und vertrauenswürdigen Institutionen wie Goldman Sachs sechzig Milliarden €uro jeden Monat in den „Markt“ schmeißt, damit der Geldfluß zu denen, die schon haben, nicht abreißt, auch wenn die Altersversorgung der Bevölkerung (Kapital-Lebensversicherung, Rentenversicherung) damit in Dutt geschmissen wird ~ was solls! Wenn die IWF den Ländern der dritten Welt (oder auch Griechenland) Kredite nur unter Auflagen genehmigt, die neoliberalen Spielregeln entsprechen, Korruption fördern und die ärmsten der Armen den Preis bezahlen lassen ~ wen kümmerts?

Daß die großen europäischen und amerikanischen Medienkonzerne mit ihrer West/USA/Nato Vernetzung in das neoliberale Horn blasen, nun gut. Das sind schließlich Wirtschaftsunternehmen. Daß unsere politischen Parteien auch nur das Lied der Wirtschaft singen, daran hat man sich gewöhnt. Auch die Grünen sind nach einer revolutionären Phase aus ihren Turnschuhen gestiegen, haben die Häkelnadeln beiseite gelegt und sich dem Erhalt und dem Ausbau der Macht gewidmet. Und der Durchsetzung politischer Interessen mit Waffengewalt zugestimmt . . . zum Zustand unser Partei-Demokratien allgemein gibt es auf heise.de eine interessante Artikelserie des Volkswirts und Politikwissenschaftlers Wolfgang Koschnik, ~ lesenswert!

Eine Lösung der Krise(n) ist jedenfalls weder von der Politik, den Parteien, der Wirtschaft, noch den Medien zu erwarten. Denn alle schwimmen in ihrer eigenen Blase von virtuellem oder realem sozialen Netzwerk, die Probleme machen immer die anderen. Und so wird alles weiter so laufen wie gehabt.

Es ist alles eine Frage der Perspektive, das ist einem als Photograph vielleicht bewusster. Was du siehst, hängt immer davon ab, von wo du kuckst. Und wenn dir irgendeiner irgendwas erzählt, solltest du dich immer fragen, wer dir da was von welchem Standpunkt aus und zu welchem Zweck erzählt . . .

Ein Platz zum leben? oder der verrottete Kapitalismus

* ein Platz zum leben? * oder der verrottete Kapitalismus
* ein Platz zum leben? oder der verrottete Kapitalismus *

Ihr erkennt das Motiv (das sich vergrößern läßt) wieder? Nicht wundern, ich möchte dieses Sofa zum Aufhänger für einen Artikel aus der politisch-philosophisch-kapitalismuskritischen Ecke machen, das habe ich mir viel zu lange verkniffen.

Man hat mir Hintergründe über die von mir zwar vor einiger Zeit realisierte, aber nicht mehr recht präsente Situation in Spanien mitgeteilt: daß sich viele Menschen selbst töten, weil sie, zum Beispiel wegen Arbeitslosigkeit, die Raten für ihre Wohnung nicht mehr zahlen können und zwangsgeräumt werden. Dazu muß man wissen, daß es in Spanien relativ unüblich ist, eine Wohnung zu mieten. Man kauft auf Kredit und zahlt monatliche Raten an die Bank. Wegen der Immobilien- und Wirtschaftskrise konnten nun viele, die in die Arbeitslosigkeit rutschten, diese Raten nicht mehr bezahlen, wurden zwangsgeräumt, die Wohnung versteigert . . . der zynische Witz an der Sache ist, daß die Banken auf grund des zusammengebrochenen Immobilienmarktes die Wohnungen selbst für einen Appel und ein Ei ersteigerten, der offiziell erzielte Erlös bei weitem nicht den Kredit tilgte, der Besitzer, der oft schon Jahre monatlich für die Wohnung bezahlt hatte, diese zwar loshatte, aber weiter die monatlichen Raten zu bezahlen hatte ~ eine Schuld zu tilgen, die er sein Leben lang mit sich herumzutragen hat. Mir kommt ein Spruch von F.K.Waechter in den Sinn: Die Bürde des Menschen ist unantastbar . . . eine satirische Überspitzung des ersten Artikels unseres Grundgesetzes.

Ebenso und bedeutend mehr unantastbar ist offensichtlich das Recht der Banken, Gewinne zu realisieren. Banken werden als systemrelevant mit Milliarden gerettet, Menschen können vor die Hunde gehen!

Nach dem selben Muster, aber in größeren Maßstab läuft die Debatte über die verschuldeten südlichen Eurostaten, im Besonderen momentan Griechenland. Da ist, wir erinnern uns, eine linke Regierung gewählt worden, die die Reformforderungen der Troika ablehnt. Denn diese ‚Reformen‘ schlagen, wir ahnen es nicht nur, wir wissen es und können es nachlesen, vor allem auf die ärmere Bevölkerung durch. Die Reichen haben ihr Vermögen schon ins Ausland gebracht, zahlen legal, wie die Reeder, oder illegal, wie die besserverdienenden Selbstständigen, wenig oder gar keine Steuern. Abhängig Beschäftigten sind die Wege der Steuersparmodelle versperrt, ihr Anteil wird gleich von Lohn, Gehalt und der Mehrwertsteuer weggefressen. Gespart wird, wo es den nicht Vermögenden weh tut: Gesundheit, Bildung, (vor allem soziale) Infrastruktur.

Die deutsche Politik ist sich mit dem deutschen Michel vor allem in Gestalt des Forenleserbriefschreibers der großen Onlinezeitschriften einig: Verträge müssen erfüllt werden, Schulden müssen bezahlt werden! Mal abgesehen davon, daß es mir bei so machen Äußerungen so manchen Politikers und so manches Foristen die Fußnägel hochrollt ~ das deutsche Recht kennt den Begriff der Sittenwidrigkeit, der Verträge ungültig macht und aufhebt. Es spricht viel dafür, daß der oben beschriebene Sachverhalt des spanischen Wohnungsbesitzers wie auch die Forderungen der Troika, die jetzt mal eben umgetauft worden ist, den Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllen.

Die EU, an deren Spitze der Zögling von Goldmann Sachs Mario Draghi steht, hat mit dem Versprechen wirtschaftlicher Prosperität in den €uroraum gelockt, und Goldmann Sachs hat Griechenland dabei geholfen, seine Bilanzen zu fälschen, damit es die Vorgaben schafft. Auch Deutschland hat großes Interesse an der €uro-Mitgliedschaft von Griechenland gehabt, hat zum Beispiel für Milliarden Waffen, veraltete Bestände aus Bundeswehr und NVA auf Kredit an die Griechen verkauft.

Ich sags mal so: Wenn ich bei jemanden Begehrlichkeiten wecke oder verstärke, ihm zur Erfüllung dieser Begehrlichkeiten Kredit gebe, obwohl ich genau weiß, daß der die nie und nimmer zurückzahlen kann, und ihn hinterher in Geiselhaft nehme, diese Kredite trotz allem zurückzuzahlen; wenn das nicht sittenwidrig ist, was sind dann gute Sitten? Wenn eine finanzwirtschaftsgesteuerte Immobilienblase platzt, in eine europaweite Wirtschaftskrise eskaliert und deswegen ein Kreditnehmer seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, hat dieses Kreditinstitut als Teil der Ursache das Recht, sich eine momentan nicht verkaufbare Immobile unter den Nagel zu reißen und den Kreditnehmer auf die Straße zu setzen und ihm dann noch weiter Geld abzupressen?

Wir mästen spätestens seit Maggie Thatcher und in Deutschland Helmut Kohl die Finanzwirtschaft durch Entfesselung der Märkte, die unkontrolliert im Nanosekundentakt ihre Margen aus der Wirtschaftsleistung ziehen. Der Wähler hat nicht mehr wirklich die Wahl, wenn auch sozialdemokratische Parteien die Konservativen rechts überholen, wie das Helmut Schröder mit der Agenda 2010 gemacht hat.

An dieser Stelle sollten wir einmal mit der Mär aufräumen, daß die schmarotzenden Griechen, Portugiesen, Spanier sich mit den Finanzhilfen der Troika (will heißen, auf Kosten vor allem der deutschen Steuerzahler) ein lässiges Leben machen. Die vielen hundert Milliarden €uro landen garantiert nicht bei ‚den Griechen‘, ‚den Portugiesen‘, ‚den Spaniern‘, die landen über eine nanosekundenkurze Umleitung bei den großen Banken und Hedgefonts, die schon in den Jahren und Jahrzehnten vorher ihre Gewinne mit den Krediten und Staatsanleihen gemacht haben. Sie landen bei den Vermögenden, vor allem im Norden, auch in Deutschland. Die Befürchtung, diese Hilfszahlungen müßten irgendwann vom deutschen Steuerzahler getragen werden, sind allenfalls insofern real, daß im Fall der Fälle auch bei uns der sogenannte ‚Kleine Mann‘ zur Kasse gebeten würde, wie jetzt schon in Griechenland, Portugal und Spanien. Die ‚Großen‘ haben zu viel Erfahrung, sich um ihre Verantwortung zu drücken, schieben ihre Gewinne ins Land der gefälligsten Steuergesetzgebung, wie zum Beispiel Luxemburg, wo man ~ als Konzern ~ oft weniger als ein Prozent bezahlt.

Das Problem ist ein weltweit agierendes Finanzsystem und deren Profiteure, die allem Anschein nach auch alle Politiker in der Tasche haben, zumindest die, die an der Macht sind. Die erst an die Macht kommen, sacken sie zu Zeiten dann schon noch ein.

Man kann so tun, als ob dieses Finanzsystem von Gott gegeben und unabänderlich wäre, oder wie Frau Merkel das ausdrückt, ‚alternativlos‘ ist. Man kann hingehen, und die ’soziale Marktwirtschaft‘ in ‚marktkonforme Demokratie‘ umtaufen. Neusprech für Kapitalismus, für Diktatur des Kapitals.

Jedenfalls setzt man sich laut einer aktuellen Studie dem Verdacht aus, linksextremistische Ansichten zu pflegen, wenn man die Zustände kritisiert. Frau Merkel und ihre Alternativlosigkeit werden vom Verdacht des Extremismus freundlicherweise ausgenommen . . . Herr Schroeder, was wundern sie sich? Ich wundere mich allenfalls über seltsame Definitionen und Fragestellungen.

>>>>> Für heute Schluß, ich hab auch noch anderes zu erledigen. Übermorgen weiter. Um solange Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bin für den €uro, für Demokratie, für SOZIALE Marktwirtschaft. Für die Würde des Menschen, für ein Leben in Freiheit. Aber Politik und Finanzwirtschaft sollten für die Menschen da sein, nicht der Mensch für die Politik und das Kapital! <<<<<

27. und 28. Februar 2015, weiter im Text!

Im vorletzten Abschnitt ein paar Korrekturen angebracht, da war ich wohl nicht mehr ganz konzentriert bei der Sache . . . pünktlich zum Thema erschien kurz nach dem Post der vorangehenden Ausführungen dann ein Artikel von Harald Schuhmann auf Zeit Online, der ziemlich deutlich beschreibt, auf welche Weise mit Griechenland umgegangen worden ist, und auch die Zielrichtung, die die sogenannten Reformen haben. Das Ganze praktischerweise ohne demokratische Kontrolle (womit sich auch wieder der Kreis schließt zum Banner oben rechts ~ auch TTIP, der kleine Bruder CETA und TISA werden hinter verschlossener Tür verhandelt. Bevor der Vertragstext vorliegt, soll man nicht diskutieren, hinterher ist es plötzlich zu spät, läßt sich nichts mehr ändern. Demokratie mutiert zur Realsatire).

Deutlich wird auch, daß die ganze sogenannte Rettungsaktion nur inzeniert wurde, um die Fehlinvestitionen des (privaten) Finanzsektors zu retten ~ und als Staatschuld entweder von Griechenland (oder allgemeiner der südeuropäischen Länder, bzw bei endgültiger Pleite der staatlichen Retter der wirtschaftlich starken €uro-Länder des Nordens) zu verlagern. Das alte Spiel: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.

Man sollte jetzt nicht den Denkfehler begehen, daß diese Milliardenbeträge, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen, um je nach Neusprech Griechenland, Spanien, Portugal, ‚den €uro‘ oder ‚die Banken‘ (systemrelevant!) zu retten, wirklich und wahrhaftig reales Geld darstellen. Sie werden aus dem Nichts heraus, Draghi sei Dank, in dem Moment, wo diese Hilfskredite vergeben werden, von den Zentralbanken ‚geschöpft‘, will heißen erzeugt, und würden bei Zurückzahlung auch wieder verschwinden . . . wenn sie denn zurückbezahlt werden könn(t)en. Es handelt sich sozusagen um zusätzliches, virtuelles Geld, das nur dazu erzeugt wird, den Renditewünschen der großen Investoren gerecht zu werden . . .

Nun denn, dann ist es ja nicht weiter schlimm, oder? Wenn es nicht real ist, dann können wir den Reichen und Schönen ihr Spielgeld lassen, nicht wahr? Ganz so einfach ist das leider nicht 🙁

Auch wenn es sich bei diesem Monopoly auf der einen Seite nur um Spielgeld handelt (seit der Loslösung vom Gold in der zweiten Hälfte des letzen Jahrhunderts hat sich die Geldmenge exponentiell vervielfacht), verringert sich dadurch, daß Otto Normal, abhängig Beschäftigter, nicht im selben Maß mehr Geld verdient, anteilmäßig die Geldmenge, die bei den sogenannten ‚kleinen Leuten‘ hängenbleibt. Es findet eine Konzentration des Reichtums statt, eine Umverteilung von Unten nach Oben. Darüber wundern sollten wir uns allerdings nicht, denn genau zu diesem Zweck ist dieses System ja auch erfunden worden 😉

Erinnern wir uns an eine kleine deutsche Partei mit einem großen ‚F‘ (wie Fuck!) im Kürzel, die zum Glück keine große Rolle mehr spielt, und hoffentlich nie mehr. Über Jahrzehnte hinweg hat sie ihre Macht als Mehrheitsbeschafferin in Koalitionen ausgespielt und gegen die Umverteilung gewettert. Gemeint war allerdings die Umverteilung von Geld, das eigentlich sogenannten ‚Leistungsträgern‘ zustünde, in die Sozialkassen. Das denjenigen zugute kommt, die es sich in der ’sozialen Hängematte‘ bequem gemacht hatten, Stichwort ’spätrömische Dekadenz‘. Die wahre Umverteilung ging von unten nach oben, beklagt wurde eine virtuelle von oben nach unten. Mit diesem Argument wurde Harz IV eingeführt und die Renten gekürzt und umgebaut, Mensch sollte nur noch eine Minimalrente bekommen, sollte zusätzlich privat vorsorgen. Zum Wohle des Finanz- und Versicherungssektors, mit dem zu erwartenden Ergebnis einer baldigen massiven Altersarmut. Wie sich jetzt zeigt, sehen sich in Zeiten der Finanzkrise, in denen niedrige bis negative Zinsen realisiert werden, die großen Lebensversicherungen nicht in der Lage, positive Renditen auszuzahlen. Der privat vorsorgende Bürger erhält weniger Geld zurück, als er einbezahlt hat, weil, was Wunder, der Rest für Provisionen bei den Versicherungsgesellschaften hängengeblieben ist. Auf diese Weise werden sogar diejenigen um ihr Geld beschissen, die sich eine private Vorsorge leisten konnten, geraten in Gefahr, im Alter in Armut zu rutschen. Von denen, die es sich nicht leisten konnten, weil am Ende des Geldes noch jede Menge Monat übrig war, von denen, die bei Arbeitslosigkeit und Harz IV gezwungen wurden, ihr angespartes ‚Vermögen‘ zu verbrauchen, denen, die für einen Lohn unter dem Existenzminimum arbeiten mußten, ganz zu schweigen. Es rollt eine Welle von Altersarmut auf uns zu, unaufhaltbar . . . unaufhaltbar?

Wie wurde Norbert Blüm nicht verlacht, als er die Rente als ’sicher‘ bezeichnete. Mit Blick auf den demographischen Wandel (die Deutschen sterben aus!) wurde von von interessierter (Lobby-)Seite vorgerechnet, daß immer weniger junge Menschen für die immer mehr werdenden alten Menschen immer mehr Geld einzahlen müßten, was notgedrungen zum Zusammenbruch des Rentensystems führen müßte. Deswegen unausweichlich, alternativlos: Kürzung der Rente, private Vorsorge . . .

Wie oben bemerkt, das geht schief. Bei genauerer Analyse sieht man allerdings auch, daß diese Lobbyinduzierte Argumentation am Kern des Problems vorbeigeht. Die staatliche Rente war als ‚Generationenvertrag‘ angelegt, will heißen, die jeweils arbeitende Generation versorgt die aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen mit, weil die ja früher für die noch nicht arbeitende Generation gesorgt hatten. Logisch, oder? Jede aktive Generation baut auf der Leistung vorhergehender Generationen auf, jede noch nicht aktive Generation ist auf die jetzt arbeitende angewiesen.

Das System würde auch weiter funktionieren, wenn man das denn wollte. Aber es wird mit Bedacht zu Grunde gerichtet! Nicht nur, daß der Finanzminister in Zeiten knapper Kassen immer wieder seine Finger im Rententopf hatte und sich da für Dinge bediente, die mit der Rente nichts zu tun hatte. Wenn man z.B. aus politischen Gründen bei der Wiedervereinigung Rentner integriert, die vorher nicht ins System einbezahlt haben, ist das, zwar berechtigt, aber wie bei der kürzlich eingeführten Mütterrente eine gesamtpolitische, will heißen aus Steuern zu finanzierende Aufgabe, die eben nicht aus Beiträgen gedeckt sind.

Was aber viel durchschlagender ist: Im Prinzip ist unsere Rentenversicherung als durch Beiträge finanzierter Pool angelegt, in dem nur das Bruttoeinkommen abhängig Beschäftigter Personen als Bemessungsgrundlage dient. Wenn, wie zumnindest in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, die Produktivität pro eingesetzter Arbeitsstunde immer weiter ansteigt, beschleunigt durch immer weiter umgesetzte Automatisierung und Computerisierung, ohne daß die Lohn- und Gehaltsentwicklung der Produktivitätsentwicklung nachfolgt, hat das selbstverständich auch Auswirkungen auf die Rentenkasse. Wenn wie in den zurückliegenden neoliberalen Jahren Arbeitsplätze zuerst nach Osteuropa, dann in den fernen Osten bis nach China exportiert werden, dann hat das Auswirkungen auf die Rentenkasse. Wenn deswegen die Arbeitslosigkeit auf 5 Millionen steigt, nach den alternativlosen Regeln des Marktes das Lohnniveau in den freien Fall übergeht, ein immer größerer Anteil der Bevölkerung im Wirtschaftsprozess nicht mehr gebraucht und abgehängt wird, Arbeitslose in prekäre Scheinselbständigkeit gelockt (wer erinnert sich noch an die sogenannte Ich-AG?) oder nach einem Jahr in Harz IV entsorgt werden, wenn ein dereguliertes Finanzsystem den Vermögenden nahelegt, ihr Geld in einer virtuellen anstatt in der realen Wirtschaft zu vermehren, ohne sie steuermäßig adäquat an den Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen, während für die abhängig Beschäftigten der Reallohn nach Inflationsausgleich ständig sinkt, wird dieses, und zwar nicht nur das Rentensystem, sondern die Gemeinschaft selbst, kollabieren.

Geld ist ganz offensichtlich genug da. Trotz immer wieder induzierter Krisen wächst die Wirtschaft insgesamt immer weiter, der Finanzminister freut sich jedes Jahr über gestiegene Steuereinnahmen, jedes Jahr ein neuer Rekord. Und jedes Jahr jammert der Finanzminister, daß für diese oder jene dringende Aufgabe kein Geld vorhanden wäre, und jedes Jahr konzentriert sich immer mehr Vermögen bei denen, die viel, sehr viel haben, und noch viel mehr, immer mehr haben wollen . . .

Wenn denn, wie gezeigt, die wirtschaftlichen und politischen Rahnenbedingungen so gestaltet sind, wie sie sind, stehen Wirtschaft und Politik in der Verantwortung: Laut Grundgesetz ist nicht die Bürde, sondern die Würde des Menschen unantastbar. Ich bezweifle, daß ein Bezieher von Harz IV, ein Arbeitsloser oder Praktikant ohne Aussicht auf einen Job, ein Rentner unterhalb des Armutsniveaus die Würde seines eigenen Daseins spürt.

Möglichkeiten gäbe es, wenn man die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen würde. Die naheliegenste: Bedingungsloses Grundeinkommen für alle, zumindest €uropaweit. Finanzieren wir nicht Rettungsschirme für Staaten oder Banken mit Milliardenbeiträgen, schöpfen wir nicht Geld durch Kredite über Banken. Schöpfen wir monatlich Geld, indem wir jedem Bürger das zum würdevollen Leben (nicht Luxusleben!) notwendige Grundeinkommen überweisen, der mit seinem Konsum die Wirtschaft genau in dem Maß antreibt, wie Mensch das braucht. Denn der Mensch, nicht der €uro, sollte das Maß der Dinge sein. Und halten wir die Geldmenge über eine Besteuerung des Finanzsektors auf stabilem Stand. Stellen wir das Finanzsystem vom Kopf auf die Füße: Eine Revolution im wahrsten Sinn des Wortes 😉

TTIP ~ uuuuund tschüß, Demokratie!

Transatlantic Trade and Investment Partnership

(Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft)

Nachdem ich gestern einen sehr gut geschriebenen Artikel in der Zeit (Online) gelesen habe, möchte ich nochmal auf den roten Teaser rechts oben auf dieser Seite hinweisen und kurz erklären, wieso ich gegen TTIP bin ~ schon gar nicht in dieser Form und wie das durchgezogen werden soll.

I) Die Verhandlungen finden intransparent hinter verschlossenen Türen und unter strenger Geheimhaltung statt. Sogar die Beamten der Mitgliedsländer dürfen nur in einem verschlossenen Raum ohne Kommunikations- oder Kopiermöglichkeit für einen halben Tag Einblick nehmen, und die Zahl der Plätze ist beschränkt. Man kommt sich vor wie in einem Agentenfilm . . .
Eine öffentliche Diskussion um Ziel, Sinn und Zweck des Abkommens findet jedenfalls nicht statt. Danach soll das Abkommen nur noch durch die nationalen Parlamente durchgewunken werden, ohne daß über einzelne Komponenten beraten, geschweige denn entschieden werden kann. Das ganze wieder zu stornieren so gut wie unmöglich, da alle Mitgliedsstaaten der EU und die USA zustimmen müßten.

II) Es werden in erschreckendem Ausmaß fast nur Vertreter der Wirtschaftsinteressen beratend hinzugezogen, zivile Nichtregierungsorganisationen (Umweltschutz-, Verbraucherschutz-, Arbeitnehmerverbände) werden laut einem Bericht der Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) so gut wie nicht berücksichtigt (nur 26 von 560 Kontakten). Hier wieder ein Artikel in der Zeit dazu.

III) Das geht noch weiter: USA und EU planen offensichtlich einen Regulatory Cooperation Council RCC (Rat zur regulatorischen Kooperation), in dem neue Gesetzesvorhaben mit Lobbygruppen ‚abgestimmt‘ werden sollen, schon bevor die Parlamente mit ihrer Arbeit anfangen. Das gießt in eine feste Form, was im berliner Abgeordnetenviertel leider schon üblich ist ~ daß Lobbyisten für unsere Regierung die Gesetze schreiben.

IV) Besonders pikant und gefährlich: Die in TTIP implementierten ‚Investitionsschutzklauseln‚, die es Konzernen erlauben würde, vor ausserstaatlichen Sondergerichten gegen Staaten zu klagen, wenn ihre Investitionen durch einschränkende Gesetze nicht die erwünschten Gewinne einfahren. Das fände außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit statt, ohne Möglichkeit der Revision. Mögliche Spielwiesen dieser Gerichtsbarkeit: Umweltrecht, Lebensmittelrecht, Arbeitsrecht, (De-)Regulierung des Finanzmarktes, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen (Stichwort Wasserversorgung, sozialer Wohnungsbau, öffentliche Ausschreibungen, IT-Dienstleistungen, zur Freude von NSA und Konsorten) . . .

Wenn im öffentlichen Politiker-Sprech TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) als ‚Freihandelsabkommen‘ verharmlost wird, dann werden die gravierensten Komponenten dieses Abkommens unterschlagen. Es geht vor allem um die Investitionen, es geht ums wirklich große Geld. Es geht darum, die Umverteilung nach oben ungestört und ungebremst weiterlaufen zu lassen. Demokratische Institutionen wie Parlamente stören da nur. Alle Macht dem Kapital!

Wenn die Entwicklung so weiter geht, darf das Wahlvieh zwar weiter alle vier Jahre zur Urne gehen und einen Zettel einwerfen, ihr Einfluß auf die Politik strebt aber noch mehr gegen Null, und die sogenannten Volks-Vertreter haben noch viel weniger zu gestalten als eh schon. Aber es gibt ja in den selben Abständen noch die Fußball-WM und die Olympiade . . . kauft Chips und Bier!

PS: Ich sollte mich vielleicht dafür entschuldigen, daß in diesem Artikel nur Beiträge der Zeit verlinkt sind, aber die waren wirklich informativ. Danke!

Riot Control ~ Der Bund investiert in Technik

Vor einer Weile, genauer Ende April dieses Jahres, ging eine Reihe belustigter Artikel durch die Presselandschaft, weil Polizisten als Test einen neu angeschafften Wassserwerfer mit Eiern, Tennisbällen und halbgefüllten PET-Flaschen beworfen hatten und das gute, teure (900000 €uronen) Stück dabei eine Beschädigung der Polycarbonat-Windschutzscheibe davontrug . . .

In den Meldungen versteckt irgendwo die Information, daß der Bund (? ~ Polizei ist eigentlich Ländersache . . .) bisher 14 dieser Wasserwerfer für die Länder angeschafft hat, 61, nach anderen Informationen 78 sollten es insgesamt bis 2019 werden

In einem Bericht des mdr vom 20. September 2013 wird die neue Generation von Wasserwerfer W10 als ’sanfter Riese‘ beschrieben, weil der Wasserstrahl auch breit gestreut weich eingestellt werden kann, um die Verletzungsgefahr für die Gegner zu verringern . . . löblich, löblich, dafür lohnt es sich allemal, fast 55 oder gar gut 70 Millionen Millionen €uros auszugeben, nicht wahr?

In einem Telepolis-Artikel vom 13.10.2010 stehen aber auch ein paar Details, die die gegensätzliche Option beschreiben. Der neue kann mit einem um ein Drittel verstärkten Druck von 10 Bar bis zu 3300 Liter pro Minute verschießen . . . und: ‚vor den eigenen Zwangsmitteln durch eine Außenluftfilteranlage geschützt, können dem Strahl sowohl CN- wie auch CS-Tränengas zugemischt werden.‘ Der Spiegel berichtet, daß die Beamten begeistert sind von dem neuen Fahrzeug und sich darum balgen, einmal auf dem Kommandoplatz sitzen zu dürfen . . .

Keiner der damaligen Artikel warf die Frage auf, für welchen Zweck das BMI (Bundesinnenministerium) diese Menge von gepanzerten Fahrzeugen mit Wasserkanonen finanziert, die nur für den Einsatz gegen Menschenmassen brauchbar sind.

Man sollte sich aber schon mal Gedanken machen, denn jetzt tauchen neue Meldungen auf, mit welcher Technik das BMI die Polizei ausrüstet: Insgesamt 76 Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen mit einem 4 Meter hohen Mast mit Videokamera und Richtmikrofonen, vollgestopft mit Elektronik. Dazu ein Artikel in der Telepolis von Matthias Monroy.

Die Auskunft des Berliner Senats an eine Anfrage von Piratenabgeordneten zur Sache hört sich noch relativ harmlos an ~ es bestünde keine Möglichkeit zur Gesichtserkennung, zur Bildsuche bzw zum Bildvergleich, auch ein Abgleich mit Datenbanken sei vor Ort nicht möglich. Im Bonner Generalanzeiger gibt sich der Geschäftsführer der Herstellerfirma Elettronica GmbH, Gerhard Henselmann, über die konkreten Spezifikationen eher zugeknöpft. Die Firma ist aber auch im militärischen Sektor tätig und rüstet zum Beispiel Fuchs Spürpanzer der Bundeswehr mit einem neuen ‚Innenleben zur Ortung und Identifizierung feindlicher Aktivitäten‘ nach.

In Anbetracht der Tatsache, daß die Europäische Union mit
INDECT ein Projekt zur automatischen Erfassung und Verfolgung ‚ungewöhnlichen Verhaltens‘ (!) finanziert und sich auch deutsche Polizei schon durch gesetzwidrige Überwachung der gesamten Handydaten- (wer war anwesend?) und Kommunikation durch IMSI-Catcher hervorgetan hat, wird meinereiner da aber schon mißtrauisch . . .

Inzwischen sind wir übrigens weiter 😉 / 🙁 die Nutzung des IMSI-Catchers ist im sogenannten Omnibus-Verfahren inzwischen legalisiert. Will in diesem Fall heißen, man hat die Legalisierung an ein Gesetz zur strafprozessualen Eingliederung der DNA-Analyse angehängt. Zitat: ‚. . . dass die Strafverfolgungsbehörden nur so den Aufenthaltsort von Sexualstraftätern feststellen könnten, sagt Bötticher. „Das Argument nehmen wir immer, wenn wir etwas bei Politikern durchbekommen wollen“, habe ihr ein Interviewpartner aus dem Sicherheitsbereich erzählt. ‚ So macht man das also!

Die Funkzellenabfrage steht zwar unter Richtervorbehalt, trotzdem ist sie sozusagen zur Normalität verkommen. Laut netzpolitik.org wurden letztes Jahr allein von der Berliner Polizei knapp 50 Millionen Datensätze erfasst, will heißen, jeder Einwohner Berlins ist statistisch gesehen 14,6 mal erfasst worden. Mensch muß ja einfach nur da sein ;(

In Afghanistan oder dem Jemen kann so eine Erfassung schon mal dazu führen, daß man von einer amerikanischen Drohne mit einer Rakete be- oder erschossen wird, auch wenn sich das Zielhandy vielleicht gerade nicht in den Händen eines Terroristen befindet. Wer gerade daneben steht, zufälligerweise, hat halt Pech gehabt ~ mit freundlicher Unterstützung unseres Bundesnachrichtendienstes!

(Zur Rolle deutscher Nachrichtendienste zum Drohnenkrieg auch ernsthaft hier)

Bei uns heißt das ’nur‘, daß man als Teilnehmer einer Demonstration erfasst ~ und gespeichert ~ werden kann, wenn man sich in der Nähe befindet. Ob das die Bereitschaft zu politischem Engagement befördert, mag ich stark bezweifeln. Schön ausgemalt in diesem Beitrag

Unser Grundgesetz garantiert in Artikel 8 grundsätzlich die Versammlungsfreiheit und in Artikel 10 das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Durch die aber genauso niedergelegten Beschränkungen durch nachrangige Gesetze heißt das inzwischen, daß ein Teilnehmer einer friedlichen Demonstration damit rechnen muß, erfaßt und registriert zu werden, und im Extremfall wie bei den Demonstrationen in Frankfurt (Blockupy) eingekesselt zu werden oder gegen Stuttgart 21 wie Dietrich Wagner das Augenlicht ausgeblasen zu bekommen . . .

Sascha Lobo interpretiert in seiner gestrigen Kollumne die immer weiter ausgeweitete staatliche Überwachung als Sucht des Staates und seiner Akteure. Ein interessanter Gedanke, und psychologisch hat das so einiges für sich. Aber es greift doch zu kurz. Außerhalb der psychischen Sphäre gibt es knallharte Interessen, es geht um Macht, es geht um viel Geld. Mit seinem Beitrag über kybernetische Gesellschaftskontrolle kommt er näher an die Motivation der Macher . . .

Wenn, wie in den letzten Jahrzehnten beschleunigt geschehen, wenig Reiche immer reicher werden und logischerweise viele immer ärmer, besteht auch in unserer spätrömischdekadenten Welt mit Brot und Spielen (Fußball, Flachbildfernseher, Pommes und Bier) die Gefahr, daß soziale Spannungen irgendwann doch zu Unruhen führen, auf die dann reagiert werden muß. Also vorher Bescheidwissen (deshalb Überwachung der Bürger) und auf Aufmüpfigkeit reagieren können (deshalb Wasserwerfer) . . .

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, von der ‚marktkonformen Demokratie‘ (will heißen, dem entfesselten Kapitalismus, gesteuert durch Lobbykratie der viel! Besitzenden, legitimiert durch Wahlen alle vier Jahre, in denen sich der Wahlbürger aus den von Parteien und Medien präsentierten Politschauspielern für die nächsten Jahre aussuchen kann, wer ihn an der Nase herumführen darf) wieder zurückzukehren zu der oft beschworenen SOZIALEN Marktwirtschaft. Oder so . . . man darf ja mal träumen, oder?