und dann noch das Grundgesetz . . .

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ~ Bundeszentrale für politische Bildung
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ~ Bundeszentrale für politische Bildung

Schon öfter habe ich in diesem Blog Zweifel angemeldet, ob die Menschen das Grundgesetz der Bundesrepublik überhaupt gelesen haben, die den medialen Prügel der Verfassungsfeindlichkeit gegen den politischen Gegner schwingen ~ unseren Verfassungsschutz, der die rechte Szene über ein V-Leute-Programm mit hunderttausenden €uronen gesponsert, überhaupt erst aufgebaut hat, inclusive. Und nun reiht sich unsere ‚Verteidigungs‘-Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, ehemals Parteichefin und Kanzlerkandidatin in die Kritik ein, dass in Meck-Pomm Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin gewählt wurde (mit Stimmen der dortigen CDU), die Mitglied in der „Antikapitalistischen Linken“ ist, einer Fraktion der Linken, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil sie unser ‚System‘ verändern will! Na sowas aber auch!
In die andere Richtung hat die Union aber keine Bedenken, sie hat mit Stephan Harbarth einen Mann als Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt, der die Urteile nach dem Paragrafen 175, der Schwule strafrechtlich verfolgte und deren Existenzen vernichtet hat, nicht für Unrechtsurteile hält. Weil das Bundesverfassungsgericht 1957 entschied, dass §175 dem Grundgesetz entspricht. Das erinnert fatal an den Spruch von Hans Filbinger: ‚Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!“ ~ Das Urteil damals kann allenfalls ein Beleg dafür sein, dass auch das Verfassungsgericht nicht unfehlbar ist.

Wer unser Grundgesetz tatsächlich liest, dem fällt aber auf, dass darin das Wort Kapitalismus oder auch nur Kapital überhaupt nicht vorkommt. Es beschäftigt sich primär mit Rechten der Bürger dem Staat gegenüber, eine direkte Folge der gerade erst überwundenen Nazi-Diktatur, nach der dieses Werk entstanden ist. Menschenwürde, Menschenrechte, Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte, persönliche Freiheitsrechte, Gleichheit vor dem Gesetzl, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft, Ehe – Familie – Kinder, Schulwesen, Versammlungsfreiheit, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Freizügigkeit, Berufsfreiheit garantieren in den ersten elf Artikeln die Rechte der Bürger vor dem Staat, erst im zwölften Artikel wird über militärische und zivile Dienstpflichten der Bürger für den Staat gesprochen und das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes festgezurrt. Danach in Artikel 13 die Unverletzlichkeit der Wohnung, erst in Artikel 14 geht es um Eigentum, Erbrecht und Enteignung. Diesen und den darauf folgenden Artikel 15 über Vergesellschaftung zitiere ich hier im Wortlaut, Stand März 2019:

Artikel 14
[Eigentum – Erbrecht – Enteignung]
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor ordentlichen Gerichten offen.

Artikel 15
[Vergesellschaftung]
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 und 4 entsprechend.

Das ist alles, was im Grundgesetz über Eigentum, damit über Kapital, und auch über Produktionsmittel gesagt wird. Es wird KEINE Wirtschaftsform (und schon gar nicht die des Kapitalismus) vorbestimmt, im Gegenteil wird weder Enteignung noch Vergesellschaftung ausgeschlossen, nur eine gerechte Entschädigung vorausgesetzt. In unserem Grundgesetz wird nirgends das Recht von Investoren (die früher treffend Kapitalisten genannt wurden) auf eine Rendite garantiert, auch nicht die von Aktionären auf eine Dividende. Das Grundgesetz thematisiert die Rechte der Bürger des Staates, nicht die Rechte des Kapials!

Artikel 20
[Verfasssungsgrundsätze – Widerstandsrecht]
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Alle Macht geht vom Volke aus . . . eine schöne Vorstellung! Real sieht es leider so aus, dass die Lobbyisten der großen Konzerne im Kanzleramt ein- und ausgehen, als eingebettete Interessenvertreter sogar die Gesetze im Sinne ihrer Auftraggeber aus Industrie und Finanzwirtschaft vorformulieren, die dann nur noch vom Parlament abgenickt werden sollen. Spätestens seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat ‚die Wirtschaft‘ diese ‚Zusammenarbeit‘ immer weiter ausgebaut, im Rahmen der neoliberalen Ideologie (die Wirtschaft kann alles besser und billiger als der träge Staat!) wurden vorher gut und qualitativ hochwertig funktionierende Betriebe der öffentlichen Hand (Wasser, Abwasser, Energieversorgung, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Universitäten) privatisiert. Gewinnträchtige Geschäftsbereiche wurden gerne bewirtschaftet, der Rest abgespalten, ging vor die Hunde. Vorsorge für Infrastruktur wurde vernachlässigt. Billiger wurde für den Bürger nichts, nur die Löhne wurden gedrückt, so weit es nur ging. Während den Lohnabhängigen mehr Leistung bei insgesamt meist sinkendem Realeinkommen abverlangt wurde, wurde die Leistung der ehemals in der öffentlichen Hand liegenden Institutionen eher schlechter.

Obwohl die Mähr der privaten Wirtschaft, die alles besser und billiger kann als die öffentliche Hand, schon lange durch mehrere Krisen widerlegt ist, steckt die Überzeugung immer noch in der DNA des politischen Bewußtseins unserer Berufspolitiker und wird weiter durchgezogen. Obwohl Banken sich verzockt haben und eine weltweite Wirtschaftskrise verursacht haben ~ die wurden vom Staat gerettet und machen weiter wie zuvor. Die Lufthansa wird wohl mit insgesamt 9 Milliarden €uro gerettet werden, ohne Umweltauflagen, die zumindest in Frankreich zum Paket für Air France / KLM gehören (Air France bekommt ’nur‘ 7 Milliarden, darf künftig keine Verbindungen mehr anbieten, die auch in bis zu zweieinhalb Stunden mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV überbrückt werden können. Außerdem soll bis 2030 der CO2-Ausstoß pro Personenkilometer halbiert werden. Auf Kurzstrecken sogar schon bis 2024). Bei uns wird Mitspracherecht für den Staat im Gegenzug für das großzügige Hilfspaket nicht gefordert, im Gegenteil: das Primat des wirtschaftlichen Verstands wird betont, obwohl die Lufthansa schon vor der Corona-Krise fast die Hälfte ihres Aktienwerts verloren hatte. Na denn! Alleine Addidas soll 3 Milliarden €uronen Hilfe bekommen. Obwohl die Automobilindustrie die Entwicklung zum CO²-armen Auto verschlafen hat, stattdessen nur durch Betrug (am Kunden und der Umwelt) ihr altes Geschäftsmodell weiterführen konnte, soll sie jetzt ~ wieder, schon wieder! ~ durch Unterstützung vom Staat, ihre Dreckschleudern mit der alten Technik losschlagen können, Corona sei Dank! Dabei hat diese Industrie in den letzten Jahrzehnten satte Gewinne gemacht, alleine BMW will eine Dividende von 1,6 Milliarden Euro ausschütten. Rund die Hälfte davon, 800 Millionen Euro, gehen an die beiden Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt. 800 Millionen für zwei Personen! Bei VW lag der Aktienkurs 2010 bei etwa 58 Euro. 2020 steht der Aktienkurs der VW-Aktie bei etwa 134 Euro. Da aber jetzt durch Corona der Absatz eingebrochen ist, soll der Staat mit einer Kaufprämie nachhelfen, dass die Umsätze wieder sprudeln. Die Aktionäre dürfen kassieren, wollen aber nicht in der Krise für ihr Unternehmen einstehen. Die Wirtschaft kann alles besser?

Und was wird für den Bürger getan? Wenig bis nichts. Kurzarbeitergeld? Das ist aber eine Leistung für die Arbeitgeber, finanziert aus den Sozialkassen.LoL! Überbrückungshilfe für Soloselbständige? Nur für Betriebsausgaben, nicht für Wohnung und Lebenserhalt. Wenn der Betrieb sozusagen nur aus dem Betriebsinhaber besteht, ist dessen Erhalt anscheinend nicht nötig. Initiativen sogar für ein nur vorübergehendes bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) werden von der Politik so gut wie ignoriert, eine Petition an den Bundestag hat das Quorum weit übersprungen ~ und liegt auf der Wartebank. Ist ja nicht sooo dringend! Hauptsache, die Umverteilung von unten nach oben läuft weiter!

Trotzdem ist ein großer Teil der Bundesbürger nach ZDF-Politbarometer mit den staatlichen Hilfen für die Wirtschaft einverstanden. Eine Mehrheit der Befragten (59 Prozent) findet die Unterstützung der Bundesregierung für Unternehmen und Betriebe gerade richtig, 22 Prozent meinen, dafür werde zu wenig und nur 9 Prozent, dass da zu viel getan wird. Über 80 Prozent Zustimmung sprechen für die Wirksamkeit einer jahrzehntelangen Propaganda mit dem Inhalt, dass für ‚die Menschen‘ gut ist, was für die Wirtschaft gut ist. Sogar dann, wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer größer werden.

Propaganda? Schon wieder eine Verschwörungstheorie? Nixda, nur Interessen. Auch die Medien sind hochkonzentrierte Konzerne, nur eine Hand voll dominieren TV und Print. Die ‚freien‘ Medien sind Wirtschaftsunternehmen, die für Profit arbeiten. Aufklärung, Bürgerinformation stehen da erst weit dahinter . . . und einige, wie zum Beispiel die Bertelsmannstiftung, greifen als sogenannte Thinktanks sehr intensiv in die Politik ein. Fordern zum Beispiel die Einsparung von Kliniken, denn im Gesundheitswesen soll Geld gespart werden. Corona läßt grüßen!

Wünsch dir was von der Coronafee!

Ein dritter Anlauf. Eine Zeit lang war das Heckmeck um die sogenannte Corona-App so dynamisch, dass angefangene Artikel schon ein paar Stunden später wieder Makulatur waren. War ursprünglich eine Technik in Planung, die auf den Handys dezentral gespeicherte Kontaktdaten vorsah, konzentrierte man sich zwischenzeitlich auf eine serverbasierte Technik, und unser Gesundheitsminister Jens Spahn (ja genau, der, der sich mit anderen im Aufzug drängelt, der Masken zuerst für nutzlos hält, der letztes Jahr noch die Gelder für Notfallplätze in Kliniken strich) sprach schon von der nächsten App, die dann die Einhaltung der Quarantäne kontrollieren soll. Eine Art elektronische Fußfessel für Kontaktpersonen von Corona-positiv getesteten Menschen. Was übrigens auf einer technisch erheblich sichereren Basis funktionieren könnte, Stichwort Geofencing, auch wenn man damit wieder den Denkfehler begeht, das Handy mit seinem Träger zu verwechseln ~ und die nur vielleicht Infizierten behandeln würde wie Sexualstraftäter und Terroristen.

Nun war es nicht so, dass sich gegen diese von Regierungseite verfolgen Linie (PEPP-PT) keinen Widerstand gab. Eine ganze Reihe von auch internationalen Wissenschaftlern, darunter mehr als 50 aus Deutschland hat sich in einer gemeinsamen Erklärung dagegen ausgesprochen. Dagegen sprachen sich auch aus:

•D64–Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.
•LOADe.eV-Verein für liberale Netzpolitik
•Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.
•Gesellschaft für Informatik (GI)e.V.
Chaos Computer Club e.V. (CCC)
•Stiftung Datenschutz

In einem Artikel der Zeit wird die Sachlage auch für Laien verständlich dargestellt. Natürlich gab es auch Meinungen gänzlich frei von Sachverstand, wie der von Jasper von Altenbockum in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der die Diskussion um den Datenschutz und die Sinnhaftigkeit einer solchen App überhaupt flott als ‚größte Peinlichkeit‘ wegwischte. Unser führender Bankkaufmann im Gesundheitsministerium (wieso spielt bei der Vergabe von Ministerposten Expertise und Kompetenz aber auch wirklich überhaupt keine Rolle?), Jens Spahn, entschied sich von aller Kritik unbeeindruckt für die serverbasierte Lösung . . .

Ein paar Tage später war das dann vom Tisch. Nicht weil unsere politische Führung einsichtig geworden wäre, sondern, dem Hörensagen nach, weil apple die Schnittstellen in seinem Betriebssystem nur für die dezentrale Lösung DP-3T (Decentralized Privacy Preserving Proximity Tracing) freigeben wollte. Manchmal, wenn auch nicht immer, liegt in den Entscheidungen der großen kommerziellen Player mehr Verstand als in den politischen Köpfen . . .

Die Entwicklung dieser App wird sich nun, nachdem man erst einmal in die komplett falsche Richtung gelaufen ist, noch einmal um einige Wochen verzögern. Und obwohl sich langsam auch in den Medien eine Ahnung durchsetzt, daß diese Eierlegende Wollmich-App nicht die Lösung des Pandemie-Problems bringen wird, wird das Thema wieder kommen, schon weil sich einige Protagonisten mit pseudomoralischen Argumenten in Stellung bringen: dass nur wer die App installiert hat, mit gewissen Lockerungen der Corona-Beschränkungen rechnen könne, und wer nicht, als unsozial (oder sogar assozial?) gelten würde . . .

So soll das also aussehen: man soll eine App ‚freiwillig‘ installieren, tut man es nicht, muss man mit massiven Grundrechtseinschränkungen leben (Freizügigkeit, Berufsfreiheit) und wird sozial stigmatisiert. Wenn man es tut, muss man wegen der Unschärfe der Distanzmessung und der Verwechslung von Handy und seinem Träger damit rechnen, mit hoher Wahrscheinlichkeit trotz unter Umständen negativen Tests in eine 14-tägige Quarantäne geschickt zu werden, überwacht von der Spahnschen elektronischen Fußfessel, weil man ja zumindest theoretisch infektiös sein könnte. Es aber wahrscheinlich gar nicht oder nicht mehr ist, weil das Verfahren wegen der langen Inkubationszeit des Virus eh mit systemimmanenter Verspätung funktioniert?

Wer seinen Verstand nicht an der Garderobe abgibt, ist also unsozial?

Wie kommt so ein Chaos zustande? Da sind wir beim Titel des Artikels ~ man braucht wie meist keine Verschwörungstheorie an den Haaren herbeiziehen. Der Virologe wünscht sich eine Möglichkeit, Infektionsverläufe nachzuvollziehen zu können und unter Umständen sogar Virenträger isolieren zu können, der Politiker wünscht sich eine dem Wahlvolk präsentable Lösung des Problems, mit der er glänzen kann. Er fragt seinen IT-Fachmann, der wahrscheinlich so etwas sagt wie ‚im Prinzip könnte man so etwas über Bluetooth realisieren, aber . . .‘ und alles was hinter dem ‚aber‘ kam, war dem Politiker zu kompliziert. Der IT-Fachmann wünscht sich einen profitablen Auftrag. Das Robert-Koch-Institut wünscht sich einen möglichst vollständigen Zugang zu den erfassten Daten, um die wissenschaftlich auswerten zu können, und der Datenschutz spielt nur noch eine untergeordnete Rolle . . .

Und wir alle wünschen uns, dass es Corona nie gegeben hätte und wir in unser altes Leben zurück können ~ Corona-Fee hilf!

Und wie das so ist mit der Fee und den drei Wünschen ~ weil wir die Folgen unserer Wünsche nicht im Blick haben (können), verballern wir die ersten zwei und brauchen den dritten dazu, das von den ersten zwei Wünschen verursachte Chaos wieder halbwegs gerade zu biegen. Böse Welt!

Die Frankfurter Rundschau zitiert am 27.4. den Bonner Infektiologen und Intensivmediziner Peter Walger: „Ich erwarte von der App keine wirkliche Hilfestellung beim Versuch, in die Normalität zurückzukehren“, sagte der Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) der Presse.

„Wenn alle Mundschutz tragen und Abstand einhalten, wäre sie überflüssig, weil sie dann nur die unkritische Nähe geschützter Leute erkennt.“ Die geplante Smartphone-Anwendung „sagt nichts darüber aus, ob ein tatsächliches Infektionsrisiko besteht, sondern definiert nur die Nähe einer Person zu einer potenziell ansteckenden Person“, begründete der Infektiologe seine Skepsis. Schlimmer noch, sage ich ~ es ist nur die Nähe eines Handys . . .

„Viel Sicherheit brächte die Testung der Hochrisikogruppen und zusätzlich aller Mitarbeiter, die Zugang zu ihnen haben, zum Beispiel Tests ein- bis zweimal pro Woche“, sagte der Experte und fügte hinzu: „Solange wir nicht umfassend testen, wird es Infizierte geben, bei denen die Infektion nicht bekannt ist, und positiv Getestete, die die App nicht benutzen. Das System wird so löchrig sein, dass wir nicht erkennen, wie die App eine neue Sicherheit bieten soll.“

Nun denn, das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen in öffentlichen Nähe-Situationen wie Einkauf im Supermarkt ist inzwischen Realität, das Schneidern von Stoffmasken wurde zum Geschäftsmodell und zur Freizeitbeschäftigung. In Österreich verteilen die Supermärkte am Eingang die benötigten Masken, in der Bundesrepublik improvisieren wir. Warten wir also die weitere Entwicklung ab!

Inzwischen hat sich auch die ehemalige(?) Kanzlerkandidatin und jetzige Verteidigungsministerin (Kompetenz und Expertise?) in der Corona-Affäre verdient gemacht: Mit Hilfe der Bundeswehr und einer gecharterten Antonov 225 wurden einige Millionen Schutzmasken angeliefert, AKK lächelnd vor der Presse, ohne Schutzmaske und ohne Sicherheitsabstand . . . ob die jetzt alle die 250 €uro pro Nase Bußgeld zahlen müssen, oder besser 1000 wegen der Vorbildfunktion?

Auch zum Wunschprogramm gehört der finanzielle Ausgleich für die durch die Corona-Verordnungen entstandenen Ausfälle. Kurzarbeit und Arbeitslosenzahlen schießen durch die Decke, und die Wirtschaft stöhnt auch. In dieser Krise zeigt sich wieder einmal, und wird in der Argumentation ganz schnell wieder vergessen werden, daß der Markt eben außer dem Preis (mehr!, mehr!) gar nichts regelt. Weder Masken noch Schutzkleidung sind im Ernstfall in ausreichender Zahl vorhanden, vor Angst vor dem Kollabieren des Gesundheitssystems (Intensiv/Beatmungsplätze) wird Wirtschaft und öffentliches Leben heruntergefahren. Und dann rufen die Konzerne, die sich sonst gerne jede Einmischung verbitten und Steuerzahlungen in exotischen Paradiesen versickern lassen, um Hilfe vom Staat. Allein Addidas soll drei Milliarden €uro erhalten! Die Lufthansa will vom Staat gerettet werden, die Autokonzerne Kaufprämien subventioniert haben, und das für alle Fahrzeugtypen, auch die Verbrenner.

Und der Mensch, der Bürger an sich? Der eine bekommt etwas, der andere nicht und hat Pech gehabt. Das Bedingungslose Grundeinkommen wird als 6-monatiges Provisorium mal eben in die Diskussion geworfen, allerdings von der Politik überhört und nicht aufgenommen. Wichtig ist nur, dass die sogenannte systemrelevante Wirtschaft überlebt. Halleluja! Die Welt bleibt also doch die alte!

Und Jens Spahn träumt inzwischen von einem (elektronischen?) Immunitätsausweis . . . aber das wäre dann schon wieder ein neuer Artikel.

Links:
Die Zeit ausführlich zur Debatte über die Sicherheit der Corona-App
Die unerträgliche Inkompetenz des Jens Spahn ~ Telepolis
Jens Spahn und Drängeln im Aufzug
die Quarantäne-App
Frankfurter Rundschau zitiert am 27.4. den Bonner Infektiologen und Intensivmediziner Peter Walger

Corona zum zweiten ~ es ist nicht alles Gold, was glänzt . . .

ein goldener Sonnenuntergang am Rhein
ein goldener Sonnenuntergang am Rhein

Mir geht es, glaube ich, wie den meisten: Sowohl zu Corona selbst, als auch zu den Nachrichten darüber, als auch zur Politik, die gemacht wird, habe ich ein ausgesprochen gespaltenes Verhältnis. Aber es ist nun einmal so, dass wir alle damit konfrontiert sind, alle unser Leben darauf einrichten müssen. Die einen allerdings mehr als die anderen . . .

Die großen Entscheidungen in dieser ~ unvorhersehbaren? ~ Krise werden getroffen von Menschen, die ein regelmäßiges und durchaus auskömmliches Einkommen aus unserem Staatsäckel überwiesen bekommen, Monat für Monat. Die leben in der Regel in einem großen, alleinstehenden Haus mit noch größerem Garten, da fühlt sich Zu-Hause-bleiben-müssen ganz anders an als in einer kleinen Einzimmer-Kellerwohnung. Ganz ab davon die Menschen, die ~ in den letzten Jahren immer mehr ~ gar kein Zuhause mehr haben, die auf der Straße leben. Was soll mit denen geschehen? Alle in eine Auffangstation bringen, damit sie sich gegenseitig anstecken können? An diese Menschen dachte in der großen Politik noch keiner, in dieser Krise auch niemand, zumindest von den Entscheidungsträgern. Unsere Abgeordneten gehören schließlich zum allergrößten Teil einer Gruppe von Berufen an, die man sitzend indoor ausüben kann, auch vom Homeoffice aus (weswegen da und in den Medien auch so viel davon die Rede ist). Arbeiter gibt es im Bundestag nicht mehr, es sei denn, sie verstecken sich in der Rubrik Sonstiges. Ein Problem unserer Demokratie ist, dass unsere Volksvertreter zu immer größerem Anteil aus einer absoluten Oberschicht kommen, so auch denken und Entscheidungen treffen. Und wer wie Gerhard Schröder aus einer armen Arbeiterfamilie kommt, wechselt offenbar liebend gerne ans andere Ende des sozialen und finanziellen Thermometers.

Nun sind wir hier, will heißen in Baden-Würthenberg, noch vergleichsweise gut dran. Wir dürfen unsere Wohnung verlassen, ohne uns erklären zu müssen, sofern wir uns nicht zu mehr als zu zweien treffen und einen Abstand von anderthalb Metern einhalten. Für Familien gibt es eine Ausnahme, die Polizei schwärmt aus, um offensichtliches Fehlverhalten anzumahnen. Öffentliche Plätze sind tabu, wobei die Definition eines öffentlichen Platzes der Definition der Gemeindeführer überlassen ist, was nicht immer ganz sinnig erscheint ~ ich bin als alleiniger einsamer Besucher eines Aussichtspunktes im Kaiserstuhl von der Polizei ermahnt worden. Auf einem Schild stand Campingplatz gesperrt, wobei die Gemeinde das nie als Campingplatz gestattet hatte, und ich zu Fuß auf einem Wanderweg unterwegs war . . .

Trotzdem gibt es Einschränkungen auch für mich, der ich in meinen rollenden fünfzehn Quadratmeter unterwegs bin, Wohnraum, Home-Office und im Notfall gegebenenfalls auch Quarantänestation. Wohnmobilstellplätze und damit auch Ver- und Entsorgestationen für Wasser, Abwasser und Toilette sind gesperrt. Waschsalon geschlossen. Große Vorräte an Lebensmitteln oder Toilettenpapier (HarrHarrHarr! 🙂 ) kann ich nicht anlegen. Das alles erfordert erweitertes Management. Nicht nur, daß auch an die Bedürfnisse der in den letzten Jahren immer größeren Gemeinde der mobil Wohnenden niemand gedacht hat, schnappen in dieser Situation wieder die Ressentiments gegenüber dem ‚fahrenden Volk‘ auf, und der eine oder andere Ordnungshüter fühlt sich ermutigt, einen mir gegenüber nie genau spezifizierten Paragraphen aus dem Sack springen zu lassen, nach dem ich nur eine einzige Nacht in meinem Fahrzeug verbringen dürfte, und auch nur zur Wiederherstellung meiner Fahrtüchtigkeit, und schon gar nicht in meiner Heimatstadt! Böse Welt! Als ob es den Artikel 11 unseres Grundgesetzes nicht gäbe, der die Freizügigkeit garantiert: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Kein Zeitlimmit, Ausnahmen nur in durch Gesetze festgelegten Fällen, die normalerweise nicht zutreffen. Und in Artikel 3 Satz 1: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Das Problem ist nur, dass einige Gesetze aus Kaiserzeit und dem unseligen Tausendjährigen Reich nie an das Grundgesetz angepasst worden sind und immer noch Bestand haben. 🙁

Aber lassen wir einmal die Befindlichkeiten dieser doch recht speziellen Menschengruppe, zu der ich gehöre. Lassen wir es mit der Erkenntnis bewenden, daß ein Aufenthalt im Freien mit genügend Platz um sich herum die Möglichkeit bietet, sich in gehörigem Abstand zueinander zu bewegen und damit die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Obwohl mir gestern im völlig überlaufenen Kaiserstuhl manchmal Bedenken gekommen sind. Ich hoffe, daß das Virus sich nicht in so weiten Wolken verbreitet wie das Parfüm der einen oder anderen Dame, die mir auf meinen Spaziergängen begegnet sind 🙂 Ansonsten ist das menschliche Zusammenleben per Verordnung und deren Interpretation an die Gefahr angepasst worden. Man darf die meisten Supermärkte nur noch mit Einkaufswagen betreten, auch wenn man nur ein Päckchen Tomaten kaufen will ~ um Abstand zu garantieren. Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Wenn zwei Damen mit Einkaufswagen, eine links und eine rechts im Gang, die Gelegenheit ergreifen, ein ausführliches Schwätzchen zu halten, kann man entweder ein halbes Stündchen Wartezeit einlegen, oder man wischt mal so eben dazwischen durch 🙁 Mund-Nasenmasken sind immer noch ein seltener Anblick, und zugegeben: mein Schlauchtuch fühlt sich auch nicht besonders bequem an, dazu das garantierte Unverständnis. Ich bin froh, wenn ich es beim Verlassen des Marktes wieder entfernen kann. Aber was tut man nicht alles für seine Mitmenschen . . .

Wenn man die Deutschen Medien betrachtet, dann bewundert die ganze Welt den Umgang der Deutschen Regierung mit der Pandemie, grundsätzliche Kritik ist wenn überhaupt eher zurückhaltend. Naja, aber der österreichische Standart und die Neue Züricher Zeitung haben ein Thema aufgebracht, das in Deutschland nur auf ganz, ganz kleiner Flamme gekocht wird. Die Bundesdrucksache 17/12051 des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung (von 2012, veröffentlicht 2013) ist eine Risikoanalyse für den Bevölkerungsschutz und beschreibt ab S. 57 das Szenario eines „außergewöhnlichen Seuchengeschehens“. Die schützenswerten Güter werden kategorisiert und nacheinander aufgeführt: Mensch, Umwelt, Volkswirtschaft und sog. immaterielle Güter (dazu zählen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, politische Auswirkungen, psychologische Auswirkungen und die Schädigung von Kulturgut). Das Dokument beschreibt anhand eines provisorisch Modi-SARS genannten Virus (Zitat:) „solche Gefahren und Ereignisse, die eine potentielle Bundesrelevanz haben, das heißt bei deren Bewältigung der Bund in besonderer Weise im Rahmen seiner (grund-)gesetzlichen Verantwortung gefordert sein kann.“ Die Parameter des Rechenmodells unterscheiden sich etwas von denen der aktuellen Pandemie (soweit die Parameter überhaupt statistisch schon sicher erfassbar sind), aber was da geschieht, ähnelt verteufelt dem, was wir in den letzten Wochen beobachten konnten. Die Regierung hält den Ball flach, aus gutem Grund: nach der Modellrechnung verläuft die Pandemie über drei Phasen fast drei Jahre.
Don’t panik! Don’t panik! Don’t panik!
Und deutsche Medien schweigen überwiegend. Denn was passiert, wenn man den Leuten zuruft, sie sollten nicht in Panik verfallen? Geeenau!

Aber man könnte stattdessen wenigstens die Frage stellen, wieso der Bundestag in den Jahren seit spätestens 2013 nicht dazu in der Lage war, konkrete Vorsorgemaßnahmen in Gesetze zu gießen, um im Ernstfall schon einmal zu wissen, wie man vorgehen sollte. Und dafür Sorge zu tragen, genügend Schutzmaterial, vor allem für das medizinische Personal, aber auch die einfachen Masken für die Bevölkerung zu bevorraten. Chance verpasst, verantwortlich: keiner! (zugeben muss man allerdings, dass ausführlich gelästert wurde, als massenhaft Tamiflu gehortet wurde . . .)

Jetzt versprechen sich alle das Heil von einer Handy-App, die die Zurückverfolgung von Infektionsketten und damit die Isolierung von Virenträgern vereinfachen soll. Ich hab mir die Berichte darüber angeschaut, es fällt ja in mein berufliches Feld als (allerdings nicht allwissenden) Telekommunikationsfachmann. Die App soll mittels Bluetooth Low Energy mit anderen Smartphones in der Nahzohne Kontakt aufnehmen, die Begegnungen sollen nur auf den Handys gespeichert werden und im Fall einer Infektion die Betroffenen benachrichtigt werden. Nur hat Bluetooth LE eine Reichweite von immerhin zehn Metern. Preisfrage: wie viele Handys passen mit Sicherheitsabstand von anderthalb Metern in einen Zehn-Meter-Kreis? Aus Sicherheitsgründen muß zur Kontaktaufnahme eine fünfstellige PIN bestätigt werden. Sollen die Leut ihre Köpfe zusammenstecken, damit sie sich auch bestimmt anstecken? Oder soll auf eine Standart-PIN zurückgegriffen werden wie bei Mäusen, damit auch alle im Zehn-Meter-Kreis gespeichert werden, womit in wenigen Tagen ein paar Tausend Verdachtsfälle zusammengesammelt werden? Mir (als Nicht-Allwissender) ist zumindest keine Möglichkeit bekannt, die Distanz von zwei Smartphones über Bluetooth halbwegs exakt zu messen. Fazit: auch wenn alles In ist, was mit Smartphone zu tun hat ~ daran glaub ich nicht! Das ist eine Augenauswischerei, der feuchte Traum einer einfachen Lösung.

Laßt uns alle Mund-Nasen-Masken tragen, wenn wir uns auf die Pelle rücken müssen. Das ist eine einfache und mitmenschliche Möglichkeit.

Noch eines zum Schluß ~ jede Menge Menschen geraten in dieser Krise über kurz oder lang (und es wird eher lang sein) in finanzielle Schwierigkeiten, ich übrigens auch. Denn alle meine Pläne wurden in den letzten Wochen über den Haufen geworfen. Einige meiner Leser werden sich noch daran erinnern, dass ich zur letzten Europawahl Engagement für ein Bedingungsloses Grundeinkommen veröffentlicht hatte. Wäre es nicht eine schöne Sache, wenn in dieser (und der nächsten und übernächsten, sie kommen bestimmt!) Krise ein Bedingungsloses Grundeinkommen all die Menschen absichern würde, die in ihrer beruflichen oder menschlichen Situation keine Rücklagen zu bilden imstande sind? Nicht nur Künstler (oder freischaffende Non-Profit-Photographen und Blogger), sondern auch all die, die auf Grund der neoliberalen Politik der letzten vierzig Jahre unten aus der Gesellschaft herausgefallen sind? Die technische Entwicklung wird in den nächsten Jahren noch viel mehr Menschen aus dem Wohlstand katapultieren, davon viele, die das bis jetzt nicht für möglich halten.

Eine sehr pfiffige Lösung die Wirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, läßt sich auf economy4mankind.org nachlesen. Das Projekt einer Steuerreform, die in ihrer Simplizität auch Friedrich Merz überzeugen müsste, weil es nur noch zwei Steuern gibt: eine Umsatzprovision, die im Gegensatz zur Umsatzsteuer nicht von den Unternehmen als durchlaufendem Posten verbucht werden kann, und eine Minderbeschäftigungssteuer, die von den Unternehmen bezahlt werden muss, die bei hohem Umsatz zu wenig Beschäftigte haben. Sie könnten dieser Steuer entgehen, indem sie für NULL Stunden Arbeitszeit das Grundeinkommen für entsprechend viele nötige Mitarbeiter (vom Jobcenter vermittelt) übernehmen, damit sie unter die Pflichtgrenze fallen. Und wieso sollten nur Aufsichträte und Berater, ehemalige Politiker ohne oder mit wenig Gegenleistung ein Gehalt beziehen?

Das Konzept entbehrt nicht pfiffig intelligenter und provokanter Seitenhiebe, die die neoliberale Praxis umdrehen, zum Beispiel den Passus, daß niemand zu einem NULL-Stunden-Job bei einer Firma gezwungen werden kann ~ womit eine Firma, die Dinge tut, die weder vom ethischen noch vom demokratischen Standpunkt her akzeptabel wären, ganz schnell in die Insolvenz getrieben werden könnte 🙂

Nun gehe ich nicht davon aus, dass Herr Merz sich allzusehr vor dem Projekt economy4mankind fürchtet. Die Mächtigen (auch unsere Regierung, unser Parlament, unsere Parteien) dieser Welt werden schon dafür sorgen, daß alles so bleibt wie es ist, und Geld, Kapital, weiter von unten, von uns Vielen, zu den Wenigen ein Prozent oder Promille nach oben fließen. Denn das Andere, eine Ökonomie für die Menschheit, für die Vielen, das wäre ja Demokratie, oder?

Links:
economy 4 mankind Webseite des Projekts mit Erläuterung des Konzepts
Bundesdrucksache 17/12051
Statistik zur Berufszugehörigkeit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Nochmal vom Bundestag selber
Eliten ~ die wahre Parallelgesellschaft von Michael Hartmann, Soziologe und Elitenforscher
Telepolis ~ warum Frauenquoten nicht genug sind

Die Mutter aller Probleme, Morgenröte und Wege

vor Sonnenaufgang ~ Wölkchen zartrot beleuchet
vor Sonnenaufgang ~ Wölkchen zartrot beleuchet

Was ich jetzt schon lange vor mir hergeschoben habe in den letzten Wochen, wieder mal ein Artikel der Kategorie Polisangelegenheiten . . . die beschriebenen Ereignisse liegen zum Teil schon in einer längeren Vergangenheit, dem Ende zu zielt er aber in eine fernere Zukunft. Lest, und bleibt gespannt! 🙂

und auch ich bin ein besorgter Bürger . . .

Allerdings mache ich mir weniger Sorgen um irgendwelche Migranten, nicht einmal dann, wenn ein kleiner Prozentsatz unter ihnen kriminelles Verhalten zeigt. Dafür ist dann unsere Exekutive, Polizei und Rechtssprechung zuständig. Daß man einigen unter ihnen ihr verqueres Welt- und/oder Frauenbild abgewöhnen müßte, sollte durch verpflichtende Kurse in den Griff zu kriegen sein, denn die Spielregeln bei uns sind durch unser Grundgesetz und die allgemeinen Menschenrechte festgelegt, das ist lernbar, sollte man zumindest meinen . . .

An der Stelle sind allerdings Zweifel angebracht, wenn man so manche Äußerung von biodeutschen Politikern und hohen Beamten, die lieber Politiker wären, speziell aus dem Fachgebiet der inneren Sicherheit, hört. Mir fällt da der Name Seehofer ein, und bei einem Herrn Maaßen kommen mir sogar massive Zweifel, ob dieser (zum Glück!) Ex-Chef des Verfassungsschutzes jemals unser Grundgesetz gelesen hat.


Sollte Ihr Browser den Tweet nicht richtig darstellen, können Sie ihn hier in einem neuen Reiter ansehen.

Über den oben integrierten Twitter-Tweet gibt es einen schönen Spiegel-Artikel, ein gesammeltes Sünden-Register bei der Tagesschau, von der Affäre Kurnaz, wo er dafür gesorgt hat, daß ein unschuldiger in Deutschland gerborener und lebender Türke für Jahre im üblen US-Gefangenlager Guantanamo interniert blieb, über die verfassungsrechtlich unmögliche Bespitzelung von Journalisten von netzpolitik.org, das Etikettieren des Whisleblowerds Snowdon als Spion Russlands, Beratung für die AfD (Alte Naive für Deutschland!), damit die nicht durch seine Behörde beobachtet werden müsste, das Belügen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die Bezeichnung eines Videos, das Bedrohung und Jagd auf ausländisch aussehende Menschen zeigt, als ‚gezielte Falschinformation‘. All das zeigt überdeutlich, wo sich dieser Beamte, der Politik zu machen versucht, verortet. Ich selbst habe mich schon vor mehr als zwei Jahren einmal darüber geäußert, spare mir zu dieser Person also weitere Kommentare.

Wenn wie in Dresden zugereistes GesoX mit Hitlergrüßen und braunen Parolen ausländisch oder links aussehende Menschen bedrohen und hinter ihnen herlaufen (die wollen nur spielen?!?), und die zuständigen Innenminister von Land und Bund und der Verfassungsschutzpräsident der Meinung sind, daß es keinen Mob gegeben habe, dafür aber einen (zugegebenermaßen anonymen, weshalb wohl?) Poster eines dokumentierenden Videos der falschen Darstellung oder gar Fälschung beschuldigen, DANN mache ich mir Sorgen! Schlimm genug, daß kaum 70 Jahre nach Beendigung eines tausendjährigen Reiches Minderheiten wieder im öffentlichen Raum Sorgen um ihre Sicherheit haben müssen, wenn die entsprechenden exekutiven und politischen Organe den Feind nur auf der linken Seite suchen und den auf der rechten (das hat leider rein gar nichts mit Recht zu tun!) Seite verharmlosend schönreden, dann müssen sämtliche Alarmglocken läuten, dann müssten sogar die noch vorhandenen Luftschutzsirenen aus den Zeiten des kalten Krieges losgehen.

Daß ein offensichtlich nur lokalen Parteiinteressen sich verpflichtet fühlender Politiker zum Innenminister der Bundesrepublik aufsteigt, wird sich hoffentlich irgendwann von selbst erledigen. Die CSU dampft in ihrem panischen Landeswahlkampf gerade ihren Stimmenanteil selbst ein, indem sie die AfD mit dem Thema Migration rechts überholen will. Auch ein Herr Seehofer wird seinen Preis zahlen müssen, warten wir das ab. Seehofer wollte Maaßen unbedingt noch befördern, das hat zu Protesten geführt und ist dann storniert worden. Aber der Herr Maaßen wird tatsächlich im Innenministerium dem Herrn Seehofer zuarbeiten, und mir graut vor der politischen Agenda der beiden!

die Mutter aller Probleme? die Mutter aller Probleme!

Seehofer hat nach den Ausschreitungen von Chemnitz lange geschwiegen, um dann mit dem Spruch an die Öffentlichkeit zu treten, daß Migration ‚die Mutter aller Probleme‘ sei. Er reiht sich damit in die Reihe derer ein, die in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Probleme der Wirtschaftskrise den Juden in die Schuhe geschoben haben. Die dann den unter das Existenzminimum der Teilhabe am Wohlstand der Gesellschaft gedrückte Teil der Bevölkerung mit übler Propaganda gegen ‚die Juden‘ (sind an allem schuld!) gehetzt hat, bis hin zum Holocaust, während diese gleichen Hetzer sich mit Posten und Pöstchen bereichern konnten, und den großen Konzernen (z.B. IG Farben, Krupp) weiter das große Geld zustömte.

Nein, Herr Seehofer, die Mutter aller Probleme ist nicht die Migration, die Migration ist nur die Folge der Mutter aller Probleme, einer politischen Ideologie, die die Interessen der großen Wirtschaft über die Interessen der Menschen setzt. Die den Strom des Geldes von denen, die wenig haben, national von denen mit geringem Einkommen zu denen, die Millionen und Milliarden ihr Eigen nennen, global von den Ländern der ‚dritten Welt‘ zu denen der ‚ersten Welt‘ (siehe diesen Artikel unten, Linksammlung zur Afrikapolitik), immer weiter anfeuert. Ganz vorne mit dabei die USA und Europa, aufstrebend China und auch Russland.

Mindestens seit den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, hier in Europa mit Thatcher und Kohl, ist Politik im Auftrag der Wirtschaft nur noch damit beschäftigt, das Ellenbogenprinzip gegen das Solidaritätsprinzip durchzusetzen. Kapitalisten werden seither Investoren genannt, Sozialabbau wird als Reform schöngeredet, die Ausbeutung von Entwicklungsländern als Globalisierung. Als einziger ‚christlicher Wert‘ zählt noch der Shareholder Value. Keine Tagesschau ohne vorherigen Börsenspiegel, der klar und deutlich macht, was wirklich zählt in dieser schönen, neuen Welt: Geld, Geld, Geld! Nicht für die Vielen, sondern nur für die Wenigen, schon lange nicht mehr die oberen Zehntausend, sondern je nach Sichtweise die oberen zehn Prozent, das obere Prozent, oder gar das obere Promille.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten zehn Prozent fast 64 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland. Während die Zahl der Niedriglöhner steigt und der Reallohn des ’normalen‘ Arbeitnehmes stagniert bis fällt, ist alleine im lezten Jahr das Vermögen der 1000 reichsten Deutschen um 13% gestiegen. Sie besitzen zusammen 1,177 Billionen €uro. Die 44 reichsten Haushalte besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.

Die Politik tut nichts dagegen, viel dafür. Unter Kohl wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, die nach der Finanzkrise 2008 diskutierte Finanztransaktionssteuer hat sich in Wohlgefallen (der Finanzindustrie) aufgelöst. Spätestens seit Schröder mit Harz IV macht auch die SPD Politik für die wenigen Reichen, eine Frau Nahles läßt sich für einen Mindestlohn feiern, von dem auch bei Vollzeit keine Familie ernährt werden kann und die direkt in die Altersarmut führt. Ihr Vorgänger Müntefering knüppelte mit dem Satz ‚Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen‘. Und das in einer Situation, in der Arbeitsplätze in Billiglohnländer exportiert werden, bis nach Fernost, und immer mehr Arbeitsplätze durch Automatisierung (Industrie 4.0) verloren gehen.

Politik für die Vielen anstatt für die wenigen Reichen wird nicht mehr gemacht, DAS ist die Mutter aller Probleme, deswegen laufen die Abgehängten hinter irgendwelchen Populisten her. Die Migranten sind nur die Sündenböcke, die jetzt für das Versagen einer Politik geprügelt werden, gemacht von Politikern, die nur noch mit dem Schachern um irgendwelche Posten beschäftigt sind, die sich die Gesetze, die sie abnicken, von irgendwelchen Lobbyorganisationen schreiben lassen. Die (parlamentarische) Demokratie schafft sich ab, der Weg zur Diktatur des Kapitals wird freigemacht.

Upgrade am 31.10.2018 ~ gerade habe ich auf Telepolis ein lesenswertes Interview mit Hannes Hofbauer gelesen, der beleuchtet, wie von Unternehmerverbänden mehr Migration gefordert wird, um den Arbeitsmarkt unter Druck zu setzen. Zitat:“Die gewerkschaftsnahe Hans Böckler-Stiftung hat errechnet, dass die Löhne und Gehälter in Deutschland zwischen 1995 und 2004 um – preisbereinigt – 0,9 Prozent gesunken sind. Seit 1992 gab es (bis 2016) keine Reallohnerhöhung.“ Auf der anderen Seite werden durch sogenannte Freihandelsabkommen wirtschaftliche Strukturen in Entwicklungsländern zerstört, um für europäische Produkte Absatzmärkte zu schaffen, während deren Erzeugnisse auf dem europäischen Markt nicht konkurrenzfähig sind. Zitat: „In Ghana kamen beispielsweise vor dem Partnerschaftsabkommen 95 Prozent des Geflügels von heimischen Züchtern, nach Inkrafttreten des Abkommens waren es gerade einmal 11%. Es sind die Söhne (und Töchter) dieser Bauern, die keine Überlebensperspektive mehr in ihrer Heimat haben und sich über das Mittelmeer nach Europa aufmachen.“

Nach zwei Landtagswahlen, in denen die früher sogenannten Volksparteien jeweils mehr als zehn Prozent Stimmenanteil verloren haben, und das von inzwischen eh unterirdischem Niveau aus, und eine Partei, die nun wirklich entgegen ihrem Propagandanamen ganz und gar keine Alternative darstellt, bald in jedem Landtag vertreten ist, und auch die sogenannten Linken keine Visionen für eine Zukunft mehr präsentieren können, wundern sich die Großkopferten aller Parteien, wie der Wähler, dieses geheimnisvolle Wesen, sie nur sooo mißverstehen konnte. Sie wollten doch alle nur sein Bestes!

Wenn aber das Beste eben das Geld derer ist, die Monat für Monat malochen müssen, um das Geld für die Miete, Heizung, Strom und den Sprit für das Auto zusammenbekommen, das sie für den Arbeitsweg brauchen, während Politik nur noch für die wenigen Vermögenden gemacht wird, und die Vielen nur noch als bezahlendes Stimmvieh mißbraucht werden, denen mit vielen verschwurbelten leeren Worthülsen vorgemacht wird, daß sie als Souverän die Entscheidungen träfen, die die Nation oder gar die Union steuern; während allen aus Erfahrung immer klarer wird, daß politischer Einfluß vom (großen!) Geld abhängig ist, wundern sich unsere Politdarsteller, daß ihnen die Wähler davonlaufen.

Dabei sollten ihnen die Zusammenhänge schon klar sein, sonst würden im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nicht die peinlichen Teile mal eben unterschlagen, ich zitiere aus dem oben verlinkten Artikel der sächsichen Zeitung: „So fehlt inzwischen der Befund: ‚Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikänderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikänderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird‘. Ebenfalls gestrichen: Personen mit geringerem Einkommen verzichteten auf politische Partizipation, ‚weil sie die Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert‘. Getilgt wurde zudem der Passus, es bestehe ‚eine klare Schieflage in den politischen Entscheidungen zulasten der Armen‘ “.

Verückt ist, immmer wieder die selben Handlungsweisen zu wiederholen, und jedesmal zu erwarten, daß nun alles anders wird . . .

In welcher Welt wollen wir leben? Wie sollte eine Gesellschaft aufgestellt sein, in dem die Vielen in Würde leben können? Das Bundesverfassungsgericht hat am 9.2.2010 ein an sich richtungsweisendes Urteil gefällt, ich zitiere:

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. . . . Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber . . .

Art. 1 Abs. 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Art. 20 Abs. 1 GG: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Und trotzdem: Auch nach der Nachbesserung dürfen die Bezüge von HarzIV durch Sanktionen gekürzt werden, obwohl sie nur das Existenzminimum und soziale Teilhabe beinhalten. Nach wie vor werden HarzIV-Bezieher durch Jobcenter-Mitarbeiter Repressionen ausgesetzt, die schwerlich mit der Würde des Menschen vereinbar sind.

Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, unseres Grundgesetzes, an die Politik ist klar formuliert ~ stetige Aktualisierung durch den Gesetzgeber. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ein menschenwürdiges Existenzminimum und Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sind sicherzustellen.

In Zeiten, in denen Arbeit immer mehr von sich intelligent wähnenden Rechenmaschinen wegrationalisiert wird und ein immer größer werdender Prozentsatz der Bevölkerung allenfalls noch als Konsumenten gebraucht wird, in Zeiten, in denen die Interessen genau derselben Bevölkerungsgruppe immer weniger berücksichtigt werden, weil es ja sooo wichtig ist, die Interessen der Shareholder zu beachten, kann das eigentlich nur eines heißen: Bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist kein Geschenk. Wie sagt das Bundesverfassungsgericht?

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG . . . ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden . . .

Was tun? Wo ist ein gangbarer Weg?

Dem bedingungslosen Grundeinkommen wird oft nachgesagt, daß es nicht finanzierbar wäre. Aber ein Herr Draghi hat ja gezeigt, daß im Interesse der Finanzwirtschaft ohne Weiteres 80 Milliarden €uro geschöpft werden können, um faule Wertpapiere vom Markt zu kaufen. Monat für Monat. Inzwischen sind es, nach diesem Artikel zweieinhalb Billionen €uro, die Herr Draghi da versenkt hat. Eine Billion hat zwölf Nullen. Ungefähr 5000 €uro für jeden Bürger der €uropäischen Union. Ohne irgendeine demokratische Legitimation. Es ist ja nicht so, daß der Herr Draghi in einen Schrank greift und da vorhandene Milliarden herausholt, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Er SCHÖPFT das Geld, er erzeugt es nach Belieben. Genauso wie jede Bank, die einen Kredit vergibt, nicht Geld verleiht, das sie hat. Nein, sie schöpft dieses Geld, möchte es mit Zinsen zurück haben. Bis auf die Zinsen verschwindet dieses geschöpfte Geld bei der Rückzahlung, die Zinsen mutieren zum Gewinn der Bank.

Neulich habe ich einen interessanten Essay gelesen: Geld für mehr Demokratie Der Autor Rob Kenius schildert die Mechanismen der Finanzwirtschaft und propagiert eine digitale, degressive (will heißen, wird negativ verzinst) Währung, die von den Staaten bzw von der Union parallel zum €uro installiert werden sollte, deren Akzeptanz auch gesetzlich garantiert würde. Ich werde jetzt nicht erklären, wie diese Währung funktionieren würde, dazu lest bitte den Artikel ~ nur soviel: die Idee hat tatsächlich das Potential, den Einfluß der Finanzindustrie auf die reale Wirtschaft und die Politik herunterzuschrauben und den Einfluß von uns Bürgern wieder zu stärken, wenn . . .

. . . ja, wenn diese Idee dazu verwendet würde, europaweit ein bedingungsloses Grundeinkommen (das aber gar nicht Thema des Artikels ist) einzuführen und auszuzahlen. Die Degression, sprich die regelmäßige Wertminderung, würde für das bedingungslose Grundeinkommen so gut wie keine Rolle spielen, denn es wird ja laut Definition für die Grundbedürfnisse verwendet, also zeitnah ausgegeben. Und damit die lokale (von Wohnort bis Europa) Wirtschaft antreiben, durch direkten Konsum. Für die Finanzindustie, für die Spekulation, die nur die Geldmenge vermehrt und den Fluß des Geldes von denen, die wenig haben zu denen, die viel haben, ist eine degressive Währung naturgemäß völlig uninteressant.

Was das bedingungslose Grundeinkommen auch könnte: Wir Bürger wären nicht mehr auf Gedeih und Verderb dazu gezwungen, für unseren Lebensunterhalt Dinge zu tun, die wir mit wachem Gewissen nie tun würden. Kriege und Waffenexporte unterstützen, die Flüchtlingsströme in Gang setzen, zum Beispiel. Immer mehr Waren herzustellen, zu kaufen und zu verkaufen, die spätestens übermorgen wieder auf dem Müll landen und unsere Umwelt zum Kollaps führen. Der Slogan ’small is beautiful‘ würde vielleicht wieder aufleben, wenn nicht die Zins-und-Zinseszins-Mechanismen der Finanzwirtschaft eine immer schnellere Rotation des Geldes, eine immer schnellere Ausbeutung der Resourcen unserer Erde erzwingen würden.

DAS ist eine Vision, meine Vision.

Zum Schluß noch eine gute Nachricht, in einer Welt, in der schlechte Nachrichten zu vielen Klicks führen. Für diese gute Nachricht erhoffe ich mir dennoch viele Klicks meiner Leser, denn wir alle können etwas tun, um diese Vision der Realität näher zu bringen. Zum einen führt ein Klick auf das Ribbon rechts oben zur Website des Bündnisses Grundeinkommen, das 2019 zu den Europawahlen antritt. Das Bündnis möchte als Einthemen-Partei das bedingungslose Grundeinkommen für Europa in die Debatte bringen. Meine Wahlempfehlung, denn hier ist der kleine Anfang möglich, es gibt keine Prozenthürde für die Europawahl. Gebt dem Pflänzchen eine Chance, auf daß es mit der Zeit ein großer Baum wird. Wandel ist machbar, Nachbar! Allemal sinnvoller, als die alten Parteien zu wählen, die sich alternativlos wähnen, oder die, die eine Alternative im Namen vorspiegeln, sich aber nur an der Naivität ihrer Wähler weiden.

Hinweisen möchte ich auf Bettina Knierim, die ich vor einem halben Jahr über ein Berufsnetzwerk kennengelernt habe, und zwar als eine unwahrscheinlich engagierte Frau, vor Energie strotzend. Sie hat mich mit ihrer Selbstbeschreibung als ‚Mensch, zumindest meistens :)‘ , in einem Berufsnetzwerk, das vor allem das Thema Karriere in den Mittelpunkt stellt, auf Anhieb überzeugt. Bettina hat sich entschlossen, sich für das Bündnis als Kandidatin aufstellen zu lassen und ist auf Platz 6 der Liste zu finden. Nochmal Wahlempfehlung im Speziellen. Für Bettina meine besten Wünsche, möge ihre Energie nie versiegen und sie trotzdem Mensch bleiben, weiter so! 🙂 Schaut euch ihre Website an!

Ein Platz zum leben? oder der verrottete Kapitalismus

* ein Platz zum leben? * oder der verrottete Kapitalismus
* ein Platz zum leben? oder der verrottete Kapitalismus *

Ihr erkennt das Motiv (das sich vergrößern läßt) wieder? Nicht wundern, ich möchte dieses Sofa zum Aufhänger für einen Artikel aus der politisch-philosophisch-kapitalismuskritischen Ecke machen, das habe ich mir viel zu lange verkniffen.

Man hat mir Hintergründe über die von mir zwar vor einiger Zeit realisierte, aber nicht mehr recht präsente Situation in Spanien mitgeteilt: daß sich viele Menschen selbst töten, weil sie, zum Beispiel wegen Arbeitslosigkeit, die Raten für ihre Wohnung nicht mehr zahlen können und zwangsgeräumt werden. Dazu muß man wissen, daß es in Spanien relativ unüblich ist, eine Wohnung zu mieten. Man kauft auf Kredit und zahlt monatliche Raten an die Bank. Wegen der Immobilien- und Wirtschaftskrise konnten nun viele, die in die Arbeitslosigkeit rutschten, diese Raten nicht mehr bezahlen, wurden zwangsgeräumt, die Wohnung versteigert . . . der zynische Witz an der Sache ist, daß die Banken auf grund des zusammengebrochenen Immobilienmarktes die Wohnungen selbst für einen Appel und ein Ei ersteigerten, der offiziell erzielte Erlös bei weitem nicht den Kredit tilgte, der Besitzer, der oft schon Jahre monatlich für die Wohnung bezahlt hatte, diese zwar loshatte, aber weiter die monatlichen Raten zu bezahlen hatte ~ eine Schuld zu tilgen, die er sein Leben lang mit sich herumzutragen hat. Mir kommt ein Spruch von F.K.Waechter in den Sinn: Die Bürde des Menschen ist unantastbar . . . eine satirische Überspitzung des ersten Artikels unseres Grundgesetzes.

Ebenso und bedeutend mehr unantastbar ist offensichtlich das Recht der Banken, Gewinne zu realisieren. Banken werden als systemrelevant mit Milliarden gerettet, Menschen können vor die Hunde gehen!

Nach dem selben Muster, aber in größeren Maßstab läuft die Debatte über die verschuldeten südlichen Eurostaten, im Besonderen momentan Griechenland. Da ist, wir erinnern uns, eine linke Regierung gewählt worden, die die Reformforderungen der Troika ablehnt. Denn diese ‚Reformen‘ schlagen, wir ahnen es nicht nur, wir wissen es und können es nachlesen, vor allem auf die ärmere Bevölkerung durch. Die Reichen haben ihr Vermögen schon ins Ausland gebracht, zahlen legal, wie die Reeder, oder illegal, wie die besserverdienenden Selbstständigen, wenig oder gar keine Steuern. Abhängig Beschäftigten sind die Wege der Steuersparmodelle versperrt, ihr Anteil wird gleich von Lohn, Gehalt und der Mehrwertsteuer weggefressen. Gespart wird, wo es den nicht Vermögenden weh tut: Gesundheit, Bildung, (vor allem soziale) Infrastruktur.

Die deutsche Politik ist sich mit dem deutschen Michel vor allem in Gestalt des Forenleserbriefschreibers der großen Onlinezeitschriften einig: Verträge müssen erfüllt werden, Schulden müssen bezahlt werden! Mal abgesehen davon, daß es mir bei so machen Äußerungen so manchen Politikers und so manches Foristen die Fußnägel hochrollt ~ das deutsche Recht kennt den Begriff der Sittenwidrigkeit, der Verträge ungültig macht und aufhebt. Es spricht viel dafür, daß der oben beschriebene Sachverhalt des spanischen Wohnungsbesitzers wie auch die Forderungen der Troika, die jetzt mal eben umgetauft worden ist, den Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllen.

Die EU, an deren Spitze der Zögling von Goldmann Sachs Mario Draghi steht, hat mit dem Versprechen wirtschaftlicher Prosperität in den €uroraum gelockt, und Goldmann Sachs hat Griechenland dabei geholfen, seine Bilanzen zu fälschen, damit es die Vorgaben schafft. Auch Deutschland hat großes Interesse an der €uro-Mitgliedschaft von Griechenland gehabt, hat zum Beispiel für Milliarden Waffen, veraltete Bestände aus Bundeswehr und NVA auf Kredit an die Griechen verkauft.

Ich sags mal so: Wenn ich bei jemanden Begehrlichkeiten wecke oder verstärke, ihm zur Erfüllung dieser Begehrlichkeiten Kredit gebe, obwohl ich genau weiß, daß der die nie und nimmer zurückzahlen kann, und ihn hinterher in Geiselhaft nehme, diese Kredite trotz allem zurückzuzahlen; wenn das nicht sittenwidrig ist, was sind dann gute Sitten? Wenn eine finanzwirtschaftsgesteuerte Immobilienblase platzt, in eine europaweite Wirtschaftskrise eskaliert und deswegen ein Kreditnehmer seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, hat dieses Kreditinstitut als Teil der Ursache das Recht, sich eine momentan nicht verkaufbare Immobile unter den Nagel zu reißen und den Kreditnehmer auf die Straße zu setzen und ihm dann noch weiter Geld abzupressen?

Wir mästen spätestens seit Maggie Thatcher und in Deutschland Helmut Kohl die Finanzwirtschaft durch Entfesselung der Märkte, die unkontrolliert im Nanosekundentakt ihre Margen aus der Wirtschaftsleistung ziehen. Der Wähler hat nicht mehr wirklich die Wahl, wenn auch sozialdemokratische Parteien die Konservativen rechts überholen, wie das Helmut Schröder mit der Agenda 2010 gemacht hat.

An dieser Stelle sollten wir einmal mit der Mär aufräumen, daß die schmarotzenden Griechen, Portugiesen, Spanier sich mit den Finanzhilfen der Troika (will heißen, auf Kosten vor allem der deutschen Steuerzahler) ein lässiges Leben machen. Die vielen hundert Milliarden €uro landen garantiert nicht bei ‚den Griechen‘, ‚den Portugiesen‘, ‚den Spaniern‘, die landen über eine nanosekundenkurze Umleitung bei den großen Banken und Hedgefonts, die schon in den Jahren und Jahrzehnten vorher ihre Gewinne mit den Krediten und Staatsanleihen gemacht haben. Sie landen bei den Vermögenden, vor allem im Norden, auch in Deutschland. Die Befürchtung, diese Hilfszahlungen müßten irgendwann vom deutschen Steuerzahler getragen werden, sind allenfalls insofern real, daß im Fall der Fälle auch bei uns der sogenannte ‚Kleine Mann‘ zur Kasse gebeten würde, wie jetzt schon in Griechenland, Portugal und Spanien. Die ‚Großen‘ haben zu viel Erfahrung, sich um ihre Verantwortung zu drücken, schieben ihre Gewinne ins Land der gefälligsten Steuergesetzgebung, wie zum Beispiel Luxemburg, wo man ~ als Konzern ~ oft weniger als ein Prozent bezahlt.

Das Problem ist ein weltweit agierendes Finanzsystem und deren Profiteure, die allem Anschein nach auch alle Politiker in der Tasche haben, zumindest die, die an der Macht sind. Die erst an die Macht kommen, sacken sie zu Zeiten dann schon noch ein.

Man kann so tun, als ob dieses Finanzsystem von Gott gegeben und unabänderlich wäre, oder wie Frau Merkel das ausdrückt, ‚alternativlos‘ ist. Man kann hingehen, und die ’soziale Marktwirtschaft‘ in ‚marktkonforme Demokratie‘ umtaufen. Neusprech für Kapitalismus, für Diktatur des Kapitals.

Jedenfalls setzt man sich laut einer aktuellen Studie dem Verdacht aus, linksextremistische Ansichten zu pflegen, wenn man die Zustände kritisiert. Frau Merkel und ihre Alternativlosigkeit werden vom Verdacht des Extremismus freundlicherweise ausgenommen . . . Herr Schroeder, was wundern sie sich? Ich wundere mich allenfalls über seltsame Definitionen und Fragestellungen.

>>>>> Für heute Schluß, ich hab auch noch anderes zu erledigen. Übermorgen weiter. Um solange Mißverständnissen vorzubeugen: Ich bin für den €uro, für Demokratie, für SOZIALE Marktwirtschaft. Für die Würde des Menschen, für ein Leben in Freiheit. Aber Politik und Finanzwirtschaft sollten für die Menschen da sein, nicht der Mensch für die Politik und das Kapital! <<<<<

27. und 28. Februar 2015, weiter im Text!

Im vorletzten Abschnitt ein paar Korrekturen angebracht, da war ich wohl nicht mehr ganz konzentriert bei der Sache . . . pünktlich zum Thema erschien kurz nach dem Post der vorangehenden Ausführungen dann ein Artikel von Harald Schuhmann auf Zeit Online, der ziemlich deutlich beschreibt, auf welche Weise mit Griechenland umgegangen worden ist, und auch die Zielrichtung, die die sogenannten Reformen haben. Das Ganze praktischerweise ohne demokratische Kontrolle (womit sich auch wieder der Kreis schließt zum Banner oben rechts ~ auch TTIP, der kleine Bruder CETA und TISA werden hinter verschlossener Tür verhandelt. Bevor der Vertragstext vorliegt, soll man nicht diskutieren, hinterher ist es plötzlich zu spät, läßt sich nichts mehr ändern. Demokratie mutiert zur Realsatire).

Deutlich wird auch, daß die ganze sogenannte Rettungsaktion nur inzeniert wurde, um die Fehlinvestitionen des (privaten) Finanzsektors zu retten ~ und als Staatschuld entweder von Griechenland (oder allgemeiner der südeuropäischen Länder, bzw bei endgültiger Pleite der staatlichen Retter der wirtschaftlich starken €uro-Länder des Nordens) zu verlagern. Das alte Spiel: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.

Man sollte jetzt nicht den Denkfehler begehen, daß diese Milliardenbeträge, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen, um je nach Neusprech Griechenland, Spanien, Portugal, ‚den €uro‘ oder ‚die Banken‘ (systemrelevant!) zu retten, wirklich und wahrhaftig reales Geld darstellen. Sie werden aus dem Nichts heraus, Draghi sei Dank, in dem Moment, wo diese Hilfskredite vergeben werden, von den Zentralbanken ‚geschöpft‘, will heißen erzeugt, und würden bei Zurückzahlung auch wieder verschwinden . . . wenn sie denn zurückbezahlt werden könn(t)en. Es handelt sich sozusagen um zusätzliches, virtuelles Geld, das nur dazu erzeugt wird, den Renditewünschen der großen Investoren gerecht zu werden . . .

Nun denn, dann ist es ja nicht weiter schlimm, oder? Wenn es nicht real ist, dann können wir den Reichen und Schönen ihr Spielgeld lassen, nicht wahr? Ganz so einfach ist das leider nicht 🙁

Auch wenn es sich bei diesem Monopoly auf der einen Seite nur um Spielgeld handelt (seit der Loslösung vom Gold in der zweiten Hälfte des letzen Jahrhunderts hat sich die Geldmenge exponentiell vervielfacht), verringert sich dadurch, daß Otto Normal, abhängig Beschäftigter, nicht im selben Maß mehr Geld verdient, anteilmäßig die Geldmenge, die bei den sogenannten ‚kleinen Leuten‘ hängenbleibt. Es findet eine Konzentration des Reichtums statt, eine Umverteilung von Unten nach Oben. Darüber wundern sollten wir uns allerdings nicht, denn genau zu diesem Zweck ist dieses System ja auch erfunden worden 😉

Erinnern wir uns an eine kleine deutsche Partei mit einem großen ‚F‘ (wie Fuck!) im Kürzel, die zum Glück keine große Rolle mehr spielt, und hoffentlich nie mehr. Über Jahrzehnte hinweg hat sie ihre Macht als Mehrheitsbeschafferin in Koalitionen ausgespielt und gegen die Umverteilung gewettert. Gemeint war allerdings die Umverteilung von Geld, das eigentlich sogenannten ‚Leistungsträgern‘ zustünde, in die Sozialkassen. Das denjenigen zugute kommt, die es sich in der ’sozialen Hängematte‘ bequem gemacht hatten, Stichwort ’spätrömische Dekadenz‘. Die wahre Umverteilung ging von unten nach oben, beklagt wurde eine virtuelle von oben nach unten. Mit diesem Argument wurde Harz IV eingeführt und die Renten gekürzt und umgebaut, Mensch sollte nur noch eine Minimalrente bekommen, sollte zusätzlich privat vorsorgen. Zum Wohle des Finanz- und Versicherungssektors, mit dem zu erwartenden Ergebnis einer baldigen massiven Altersarmut. Wie sich jetzt zeigt, sehen sich in Zeiten der Finanzkrise, in denen niedrige bis negative Zinsen realisiert werden, die großen Lebensversicherungen nicht in der Lage, positive Renditen auszuzahlen. Der privat vorsorgende Bürger erhält weniger Geld zurück, als er einbezahlt hat, weil, was Wunder, der Rest für Provisionen bei den Versicherungsgesellschaften hängengeblieben ist. Auf diese Weise werden sogar diejenigen um ihr Geld beschissen, die sich eine private Vorsorge leisten konnten, geraten in Gefahr, im Alter in Armut zu rutschen. Von denen, die es sich nicht leisten konnten, weil am Ende des Geldes noch jede Menge Monat übrig war, von denen, die bei Arbeitslosigkeit und Harz IV gezwungen wurden, ihr angespartes ‚Vermögen‘ zu verbrauchen, denen, die für einen Lohn unter dem Existenzminimum arbeiten mußten, ganz zu schweigen. Es rollt eine Welle von Altersarmut auf uns zu, unaufhaltbar . . . unaufhaltbar?

Wie wurde Norbert Blüm nicht verlacht, als er die Rente als ’sicher‘ bezeichnete. Mit Blick auf den demographischen Wandel (die Deutschen sterben aus!) wurde von von interessierter (Lobby-)Seite vorgerechnet, daß immer weniger junge Menschen für die immer mehr werdenden alten Menschen immer mehr Geld einzahlen müßten, was notgedrungen zum Zusammenbruch des Rentensystems führen müßte. Deswegen unausweichlich, alternativlos: Kürzung der Rente, private Vorsorge . . .

Wie oben bemerkt, das geht schief. Bei genauerer Analyse sieht man allerdings auch, daß diese Lobbyinduzierte Argumentation am Kern des Problems vorbeigeht. Die staatliche Rente war als ‚Generationenvertrag‘ angelegt, will heißen, die jeweils arbeitende Generation versorgt die aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen mit, weil die ja früher für die noch nicht arbeitende Generation gesorgt hatten. Logisch, oder? Jede aktive Generation baut auf der Leistung vorhergehender Generationen auf, jede noch nicht aktive Generation ist auf die jetzt arbeitende angewiesen.

Das System würde auch weiter funktionieren, wenn man das denn wollte. Aber es wird mit Bedacht zu Grunde gerichtet! Nicht nur, daß der Finanzminister in Zeiten knapper Kassen immer wieder seine Finger im Rententopf hatte und sich da für Dinge bediente, die mit der Rente nichts zu tun hatte. Wenn man z.B. aus politischen Gründen bei der Wiedervereinigung Rentner integriert, die vorher nicht ins System einbezahlt haben, ist das, zwar berechtigt, aber wie bei der kürzlich eingeführten Mütterrente eine gesamtpolitische, will heißen aus Steuern zu finanzierende Aufgabe, die eben nicht aus Beiträgen gedeckt sind.

Was aber viel durchschlagender ist: Im Prinzip ist unsere Rentenversicherung als durch Beiträge finanzierter Pool angelegt, in dem nur das Bruttoeinkommen abhängig Beschäftigter Personen als Bemessungsgrundlage dient. Wenn, wie zumnindest in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, die Produktivität pro eingesetzter Arbeitsstunde immer weiter ansteigt, beschleunigt durch immer weiter umgesetzte Automatisierung und Computerisierung, ohne daß die Lohn- und Gehaltsentwicklung der Produktivitätsentwicklung nachfolgt, hat das selbstverständich auch Auswirkungen auf die Rentenkasse. Wenn wie in den zurückliegenden neoliberalen Jahren Arbeitsplätze zuerst nach Osteuropa, dann in den fernen Osten bis nach China exportiert werden, dann hat das Auswirkungen auf die Rentenkasse. Wenn deswegen die Arbeitslosigkeit auf 5 Millionen steigt, nach den alternativlosen Regeln des Marktes das Lohnniveau in den freien Fall übergeht, ein immer größerer Anteil der Bevölkerung im Wirtschaftsprozess nicht mehr gebraucht und abgehängt wird, Arbeitslose in prekäre Scheinselbständigkeit gelockt (wer erinnert sich noch an die sogenannte Ich-AG?) oder nach einem Jahr in Harz IV entsorgt werden, wenn ein dereguliertes Finanzsystem den Vermögenden nahelegt, ihr Geld in einer virtuellen anstatt in der realen Wirtschaft zu vermehren, ohne sie steuermäßig adäquat an den Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen, während für die abhängig Beschäftigten der Reallohn nach Inflationsausgleich ständig sinkt, wird dieses, und zwar nicht nur das Rentensystem, sondern die Gemeinschaft selbst, kollabieren.

Geld ist ganz offensichtlich genug da. Trotz immer wieder induzierter Krisen wächst die Wirtschaft insgesamt immer weiter, der Finanzminister freut sich jedes Jahr über gestiegene Steuereinnahmen, jedes Jahr ein neuer Rekord. Und jedes Jahr jammert der Finanzminister, daß für diese oder jene dringende Aufgabe kein Geld vorhanden wäre, und jedes Jahr konzentriert sich immer mehr Vermögen bei denen, die viel, sehr viel haben, und noch viel mehr, immer mehr haben wollen . . .

Wenn denn, wie gezeigt, die wirtschaftlichen und politischen Rahnenbedingungen so gestaltet sind, wie sie sind, stehen Wirtschaft und Politik in der Verantwortung: Laut Grundgesetz ist nicht die Bürde, sondern die Würde des Menschen unantastbar. Ich bezweifle, daß ein Bezieher von Harz IV, ein Arbeitsloser oder Praktikant ohne Aussicht auf einen Job, ein Rentner unterhalb des Armutsniveaus die Würde seines eigenen Daseins spürt.

Möglichkeiten gäbe es, wenn man die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen würde. Die naheliegenste: Bedingungsloses Grundeinkommen für alle, zumindest €uropaweit. Finanzieren wir nicht Rettungsschirme für Staaten oder Banken mit Milliardenbeiträgen, schöpfen wir nicht Geld durch Kredite über Banken. Schöpfen wir monatlich Geld, indem wir jedem Bürger das zum würdevollen Leben (nicht Luxusleben!) notwendige Grundeinkommen überweisen, der mit seinem Konsum die Wirtschaft genau in dem Maß antreibt, wie Mensch das braucht. Denn der Mensch, nicht der €uro, sollte das Maß der Dinge sein. Und halten wir die Geldmenge über eine Besteuerung des Finanzsektors auf stabilem Stand. Stellen wir das Finanzsystem vom Kopf auf die Füße: Eine Revolution im wahrsten Sinn des Wortes 😉

Von der Virtualität des Geldes . . . ¡quiXote! repariert den Kapitalismus ;-}

Die im letzten Artikel aufgestellte Behauptung, die Natur des Geldes sei eine mehr virtuelle als reale, bedarf wohl noch einer Erläuterung. Wer sich da genauer hineinarbeiten möchte, dem sei neben dem Artikel in der Wikipedia der Artikel von Eugen Kreutzer empfohlen. Recht anschaulich auch der Film von Claus Strigel: Der Schein trügt
Soweit ich mich entsinne, stammt auch diese Anekdote aus seinem Film:
Da findet ein Mensch einen 1000-€uro-Schein, überlegt, ob er ihn im Fundbüro abgeben soll. Aber der Reiz, den für sich, für eine Anschaffung zu verwenden, ist viel zu groß. Er erfüllt sich mit dem Schein einen Wunsch, gibt das Geld aus. Der Film verfolgt nun den weg des Scheines, mit dem von Mensch zu Mensch, von Laden zu Handwerker, Geschäfte getätigt werden, bis der Schein zuletzt als Bezahlung wieder beim Finder landet. Viel ist erreicht: Anschaffungen getätigt, Arbeiten wurden erledigt, Wünsche erfüllt. Alle Beteiligten haben profitiert.
Der Witz an der Geschichte: Es gibt keine 1000-€uro-Scheine, das Geld war Falschgeld, zu keinem Zeitpunkt reales Zahlungsmittel. Es hat funktioniert, weil alle daran glaubten ~ und weil der Schein wieder zum Finder zurückgewandert ist.
Doch nur der kleinste Teil des Geldes ist wirklich als Banknote oder Münze „real“ in unserer Welt vorhanden, der weitaus größere Rest existiert nur als Buchung in den Datenbanken der Geldinstitute. Und sogar das „harte“ Geld wird zu einem Stück Papier oder Metall ohne Wert, wenn es von den Zentralbanken wieder eingesammelt und geschreddert wird. Ein Stück Materie mit Symbolwert, rein virtuell . . .
In der Realität der Geldwirtschaft wird Geld von den Zentralbanken (Deutsche Bundesbank, Europäische Zentralbank) „herausgegeben“, die Banken können sich von den Zentralbanken Geld zu niedrigen Zinsen, in den letzten Jahren gut unter der Inflationsrate leihen (müssen also im Prinzip weniger an Wert zurückzahlen, als sie bekommen). Dieses Geld können sie dann zu höheren Zinsen weiterverleihen ~ bis zu 15,32% beim Überziehungskredit . . . Die Banken sind echt arm dran!
Zum Bedingungslosen Grundeinkommen:
Das ist keine spinnerte Idee, das ist eine ernsthaft diskutierte Idee, wie man das Zusammenleben in unserem Staat neu organisieren könnte. Da es weitestgehend vorhandene Sozialleistungen (Harz IV, Wohnungsgeld, Erziehungsgeld, Herdprämie ;-}, Grundsicherung ect) ersetzen und mit schon vorhandenem Einkommen der Bürger verrechnet würde, wäre es auch finanzierbar. Man könnte sich vor allem den ganzen Wasserkopf der restriktiven Kontrollmechanismen und die daraus entstehenden Personalkosten sparen . . .
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der Vergangenheit schon darüber mokiert, daß die Sätze für HarzIV nicht ausreichend und auch nicht korrekt berechnet wären. Zuständig ist das Gericht, weil eine ausreichende Grundsicherung für die in Artikel 1 garantierte Menschenwürde nötig sei. Kürzlich hat es nachgelegt und auch Asylbewerbern den selben Satz an Unterhaltsleistungen zugesprochen. Vor allem unsere sogenannten christlichen Parteien tun sich nämlich sehr schwer mit den praktischen Auswirkungen der Menschenwürde auf den Haushalt . . .
Nebenbei bemerkt: Nicht aus unmittelbarer Erfahrung, ich hab mich da ja so weit als möglich herausgezogen; aber wie in aller Regel Menschen in unserer Republik um ihre ihnen zustehenden Mittel betteln müssen, und wie dann Ansprüche aus zum Beispiel Kindergelderhöhungen dann auf eine Grundsicherung angerechnet werden, so daß ausgerechnet bei denen, die kein Geld haben, hinterher weniger übrig bleibt als vor der Erhöhung ~ das hat mit Menschenwürde aber auch wirklich gar nichts zu tun! Noch ein Argument für das Bedingungslose Grundeinkommen. Bin gespannt, wann das Thema vor dem Verfassungsgericht landet!
Das erste Argument gegen das Bedingungslose Grundeinkommen ist in der Regel, daß dann niemand mehr arbeiten würde . . . sicher wäre es nicht mehr möglich, Menschen für einen Hungerlohn arbeiten zu lassen, der bei Vollzeitbeschäftigung nicht einmal das Überleben einer Familie ermöglicht, sodaß man mit HarzIV aufstocken muß. Es wäre auch nicht mehr möglich, einen „Mitarbeiter“ wie den letzten Dreck zu behandeln, weil Chef ja was Besseres ist und Leistungsträger der Gesellschaft (auch wenn er im Ernstfall keine Schraube in eine Mutter bekommt!).
Aber wir reden hier nur über eine Grundsicherung, nicht über Luxus. Essen, Wohnen, eine rudimentäre Teilhabe an Kultur. Für mehr muß wie bisher etwas getan werden. Tausend €uro sind hier nur ein Anhaltswert, der im Raum steht und im Lauf der Zeit auch immer wieder angepasst werden muß!
Und es ist wahrlich nicht so, daß der Mensch nicht arbeiten will. Es gibt auch genug Arbeit neben der bezahlten Lohnarbeit, zum Beispiel Erziehung, Pflege, Ehrenamtliches oder Künstlerisch-Kulturelles, um nur einiges zu erwähnen. Es soll auch Leute geben, die für sehr wenig Geld ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren.
Und dann: Gebt dem Menschen als Perspektive seichte Unterhaltung in HD-Qualität, Bier und Chips, und ihr bekommt übergewichtige Risikofaktoren für unser Gesundheitssystem, der Rest fließt durch die Kanalisation. Gebt ihm als Perspektive Sinn, und er baut baut Pyramiden oder Kathedralen (das waren keine Sklaven!). Vielleicht und hoffentlich fällt uns da sogar noch was Besseres ein ;-}
Und jetzt laßt uns Nägel mit Köpfen machen. Laßt uns die €urokrise nutzen, um das marode Finanzsystem vom Kopf auf die Füße zu stellen, den Kapitalismus reparieren!
Wie oben beschrieben läuft bis jetzt die Geldschöpfung von den Zentralbanken über die Banken hinunter zum Bürger und Verbraucher. Drehen wir das um! Stellt euch mal vor, die Europäische Zentralbank würde das Geld nicht mehr über die Banken schöpfen, sondern indem es den Bürgern der EU ein bedingungsloses Grundeinkommen von sagen wir 1000€ jeden Monat überweisen würde. Wirtschaftsförderung pur, Steigerung der Binnennachfrage! Über den Handel und Dienstleitungen würde das Geld dann wieder bei den Banken landen, die dadurch mit den Mitteln versehen würde, Kredite an die Wirtschaft zu geben, damit Investitionen getätigt werden könnten. Die Zocker der Banken könnten weiter Monopoly spielen, ohne das untere Drittel der Gesellschaft in Armut und Suizid zu treiben, müßten aber ihre Verluste selber ausbaden. Und die Geldmenge würde durch eine Finanztransaktionssteuer stabil gehalten, wieder abgeschöpft, damit das System im Zaum bleibt . . .
Ich bin Laie, trotzdem: Nachdenken! Dieser Blog heißt übrigens nicht umsonst Notizen aus der Aussenwelt ;-} Die Lösung für Probleme, die aus Systemfehlern entstehen, können wohl nur von ausserhalb des Systems kommen . . .
Zum Schluß noch eine Entschuldigung für das Fehlen von Photos ~ ist anstrengender, lange Texte zu lesen, als einfach nur Bilder zu schauen, gelle?

Privat oder Bund ~ ja wat denn nu?

Privateigentum oder Bundeseigentum? Die Verwirrungen der Politik
Privateigentum oder Bundeseigentum? Die Verwirrungen der Politik

Erlaubt mir, dieses Photo, das ich im Pfälzerwald auf einem Radausflug gemacht habe, zu einer kleinen gedanklichen Exkursion in die Politik zu benutzen, in dem ich auch noch eine Erklärung für diesen „Stop Indect“-Tag einschiebe, über den die meisten von euch wohl einfach hinwegsehen . . .
Der Begriff des Eigentums, wem was gehört, was das bedeutet und was er mit seinem Eigentum anstellen kann, ist ein Schlüsselbegriff für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Ob es Privateigentum an Produktionsmitteln geben sollte oder nicht war über einen guten Teil des letzten Jahrhunderts ein Streitpunkt der politischen Systeme, der uns mehr als einmal an den Rand eines nuklearen Schlagabtauschs mit letztlich unvorstellbaren, und für einige später geborene nicht einmal mehr angedachte Folgen gebracht hat.
In diesem Fall bringt der Aufsteller dieses Schildes ~ im Auftrag des Bundes?, und wohl vor allem im Bestreben, die Kosten für die Pflege und den Unterhalt der Straße zu minimieren und die Risiken für die Folge der Sparmaßnahmen auf den Benutzer abzuwälzen ~ das Kunststück fertig, zwei gegensätzliche Begriffe ganz in der Tradition des Orwellschen Doublethink wiedersinnig zu vereinen, um Welt zu manipulieren und sich der Verantwortung zu entziehen. Denn Bundeseigentum kann per Definition kein Privateigentum sein, es ist Allgemeineigentum, Eigentum der Gemeinschaft der Bürger!
Eigentum wird von unserem Grundgesetz Artikel 14 garantiert, in Satz 2 wird aber festgestellt, daß Eigentum auch verpflichtet ~ „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Und das ist etwas, was die radikalsten Verfechter des Eigentums in aller Regel vergessen . . .
Für mich Spinner, dem der Anblick von Natur gefällt, die sich den Asphalt zurückerobert, war es trotzdem eine schöne Straße ;-}
Sorgen macht mir allerdings, daß Doublethink bzw dessen Artikulierung als Newspeak sich schon so weit in die politische und mediale Kultur verbreitet hat, daß das vielen Akteuren wohl gar nicht mehr bewußt ist. Man kann sich aber sicher sein, daß etliche sehr wohl wissen, was sie tun, nämlich ihre eigenen Interessen verfolgen, ohne Rücksicht auf Verluste, hauptsache, es sind nicht die eigenen . . . Und der sogenannte „kleine Mann auf der Straße“ läßt sich oft genug an der Nase herumführen . . . Das Internet als Informationsbörse macht die Situation leider nicht besser. Wenn ich die Kommentare zu vielen Artikeln der Onlinepresse verfolge, wird mir ganz anders. Jeder Depp kann seine Meinung verbreiten, und die größten Deppen haben offensichtlich das größte Bedürfnis, ihre Meinung der Öffentlichkeit auf die Augen zu drücken! Dazu gehören oft genug national gesinnte „Patrioten“ bis hin zu dunkelbraun gefärbten „aufrechten Bürgern“ . . .
Zur Sache, zum Anlaß, dem Aufhänger. Ein Artikel von Focus Money: Sparkurs weiter verschärft Ich zitiere hier ordentlich ;-} : . . . Mit dem verschärften Sparprogramm will sie die Auflagen der Geldgeber erfüllen … bislang schärfsten Steuererhöhungen im Rahmen des Sparprogramms vor, die sich für einen durchschnittlichen Arbeiter auf bis zu drei Monatsgehälter summieren können . . .
Nun, was würdet ihr tun, wenn man euch mal eben drei Monatsgehälter aus der Tasche zieht? Wo ihr eh mal gerade so zurechtkommt, oder beim Ende des Geldes noch jede Menge Monat übrig ist?
Der deutsche Michel regt sich darüber auf, daß SEIN GELD zur Rettung von Griechenland, Spanien, Portugal verwendet wird . . . aber ist das wirklich so? . . .
Um die Auflagen der Geldgeber zu erfüllen, wird da gespart, wo es am einfachsten ist, beim kleinen Mann (und das ist bei uns in Deutschland genauso), der sich nicht wehren kann. Denn die Steuern des kleinen Mannes werden an den Fiskus überwiesen, bevor er sie zu Gesicht bekommt, den Rest des Geldes trägt er zu seinem Vermieter, in den Supermarkt, zur Tankstelle, es bleibt einfach nichts über, was man ins Ausland transferieren oder gewinnbringend investieren kann . . . An die Gelder der wirklich Reichen kommt der Staat nicht so einfach heran, die versickern über die Banken und sogenannte Steuersparmodelle oder gleich auf illegalem, aber wirksamem Weg in Steueroasen. Und an dieses Geld geht kaum eine Regierung ran, nicht nur, weil das schwieriger ist, sondern auch, weil die Mächtigen der Welt in der Regel selbst nicht zu den Ärmsten gehören oder eine politische Karriere auch deshalb eingeschlagen haben, um in dem großen Monopoly irgendwann mitspielen zu können.
Wohin geht das Geld, das die Geberländer (gefühlt vom Michel: WIR Deutschen) an die Südländer überweisen? Direkt an die Geldgeber, sprich die großen Banken in den Nordstaaten. Damit die Reichen noch reicher werden! Zahlen tuts der kleine Mann, hier wie dort! Profitieren tut der Kapitalsektor, die Finanzwirtschaft, und mit ihnen diejenigen, die ihr Geld international investieren können, hier wie dort. Kapital ist die Flüssigkeit, die entgegen der Schwerkraft nach oben fließt, zu denen, die eh schon mehr als genug haben.
Zurück zu dem Photo: Auch im Finanzsektor hat sich die Bedeutung des Begriffs Eigentum verschoben. Solange die Gewinne sprudeln, sind die natürlich Privateigentum, geht die Zockerei schief, müssen die Banken gerettet werden, weil systemrelevant, werden Verluste vergemeinschaftet. Alternativlos, wie es unsere Bundesmerklerin immer wieder sagt. Gehts den Banken wieder besser, gehören die Gewinne selbstverfreilich wieder den Banken, den Investoren, auch wenn der eine oder andere Staat dabei pleite geht. Im Gegenteil, es läßt sich jede Menge Kohle machen, wenn man einen Staat in die Pleite treibt, indem man auf die Pleite eines Staates wettet! Zahlen tuts der kleine Mann. Hört auf zu schreien, daß ihr nicht „die Griechen“, „die Portugiesen“, „die Spanier“ alimentieren wollt, schreit lieber, daß ihr nicht mehr den Finanzsektor Zuckerchen geben wollt!
Um es mal auf den Punkt zu bringen: Die Gläubigerbanken haben Kredite gegeben. Eine Bank, die einen Kredit vergibt, sollte sich vorher vergewissern, ob es realistisch gesehen möglich ist, daß dieser Kredit zurückgezahlt wird. Wenn der Kreditnehmer das nicht kann, hat sie Pech gehabt und sollte das nächste Mal besser aufpassen. Gibt sie einen Kredit, obwohl sie weiß, daß der Kreditnehmer den Kredit nicht zurückzahlen kann, dann ist das sittenwidrig. Wenn eine der größten Investmentbanken der Welt (Goldman Sachs, JP Morgan) einem Staat (Griechenland) beim Frisieren der Bilanzen hilft um ihm die Zugangskriterien zum Euroraum zu ermöglichen, dann ist das schlicht Betrug. Der Finanzsektor hat sich verzockt, also sollte er die Verluste einstecken können wie vorher die Gewinne.
Für uns Normalmenschen, die wir nicht von den Erträgen unseres Kapitals leben können, gilt der Tip ~ kein Allheilmittel, trotzdem hilfreich ~ lebt von dem, was ihr habt, was ihr verdient, so weit als möglich. Verzichtet auf das neuste Gadget, auf das neueste Auto, auf den Urlaubsflieger ins transkontinentale Paradies. Und keine Bank kann euch so schnell unter Druck setzen.
Und für die Staaten, die Länder, die Gemeinden sollte eigentlich das selbe gelten. Nur das findet nicht statt. Es ist anscheinend immer noch einfacher, jedes Jahr ein höheres Steuereinkommen zu generieren (über Verbrauchssteuern wie die Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, und ähnliches funkt das fast automatisch ~ wenn die Preise steigen, steigt auch das Steueraufkommen) und den Rest über Kredite zu finanzieren. Jede Interessengruppe schickt ihre Lobbyisten, um ihren Einfluß auf die Politik zu nehmen. Je mehr Geld die Interessengruppe hat, desto mehr Einfluß, desto sicherer kommt noch mehr Knete zurück. Umkehrschluß: Wer kein Geld hat, hat keinen Einfluß, und wird immer mehr ausgenommen, und so klafft die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander, auch und besonders bei uns in Deutschland. Und so fließt das Geld immer dahin, wo schon viel Geld ist, die Reichen werden reicher, die Armen immer ärmer, national, international. Das System heißt Kapitalismus, das Werkzeug (Neo-)Liberalismus. Die Ausrede Globalisierung . . . „alternativlos“
Europa als Idee war mal sehr viel mehr als der €uro. Es war auch die Idee eines gemeinsamen Kulturraums, in dem Menschen in Freiheit und Sicherheit leben können. Mir kommt es so vor, als ob Europa inzwischen nur noch €uro und €urokrise wäre. Wir geben dem €uro, und vor allem denen, die gerne mit dem €uro, mit vielen €uros, mit so vielen wie möglichen €uros spielen wollen, zu viel, viel zu viel Einfluß in unserem und auch im öffentlichen Leben.
Nach außen wird Europa zur Festung ausgebaut, das Asylrecht, Bestandteil des deutschen Grundgesetzes wie auch der Deklaration der Menschenrechte, so weit reduziert, daß es schon fast nicht mehr existent ist. Damit ja nicht die, die auch von unserer Politik, mit der Macht des Geldes oder der (bei uns produzierten) Waffen, durch Unterstützung totalitärer oder Neuspech „autokratischer“ Regime entweder direkt in Leben oder Freiheit bedroht oder in Armut getrieben werden, damit die nicht bei uns auftauchen und auch ein Stückchen Freiheit, Glück, Wohlstand beanspruchen . . .
Die Armut der dritten Welt ist genauso durch das System der Finanzwirtschaft im Kapitalismus wie die (besonders seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ~ danach hat der Kapitalismus die soziale Maske abgelegt) immer weiter zunehmende Verarmung der unteren Schichten in den Ländern der ersten Welt. Auch bei uns in Europa suchen immer mehr Menschen die Mülltonnen der Überflußgesellschaft ab, um ihr Leben fristen zu können. Diese Menschen haben sich nicht aus Faulheit in die soziale Hängematte fallen lassen ~ sie werden schlicht und einfach nicht mehr gebraucht, um den Fluß des Geldes zum Geld in Gang zu halten. Denn wir exportieren nicht nur durch Subventionen soweit verbilligte Hähnchen, daß kein Betrieb in Afrika damit konkurrieren kann, wir exportieren nicht nur Waffen und Überwachungstechnik (Geduld, Geduld, INDECT kommt gleich!), nein, wir exportieren vor allem auch Arbeitsplätze in die Staaten der Schwellenländer. Den Gewinn machen die großen Konzerne, die sozialen Kosten werden ~ wieder mal ~ sozialisiert, vergemeinschaftet, dem Staat, der Allgemeinheit aufgehalst . . .
In Europa dreht sich alles nur noch um die (€uro-) Krise, und während eine Erhöhung irgendeines Budges im sozialen Sektor um wenige €uro als nicht finanzierbar abgelehnt wird, sind „unbeschränkte“ Rettungsschirme in der Größe von hunderten und aberhunderten Milliarden €uros für den Finanzsektor „alternativlos“ und werden aus dem demokratischen Entscheidungsprozess ausgeklinkt, ja, die vom Finanzsektor ermauschelten Entscheidugsträger (Beispiel Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, der früher Vicepräsident der Investmentbank Goldman Sachs war und heute noch Mitglied der G30, der Group of Thirty, einer Lobbyorganisation der Großbanken ist), werden schon im Voraus von jeglicher juristischer Verfolgung für ihr Handeln freigestellt (Artikel 32 ESM) ~ ein Freifahrschein, die eigenen und die Taschen der Auftragsgeber zu füllen . . . unsere Demokratie ist schon lange zur Lobbykratie pervertiert!
Parallel dazu läuft von der EU finanziell unterstützt die Forschung an Verfahren, durch breit angelegte informationstechnische Verknüpfung von Daten öffentlicher Videokameras inklusive Videodrohnen, Daten aus Internet, sozialen Netzwerken, Emailverkehr, Telefonverkehr vorausschauend „abweichendes Verhalten“ zu detektieren, um „Verbrechen“ verhindern zu können, bevor sie überhaupt entstehen . . . INDECT ist nur eines der Forschungsvorhaben, die die EU kräftig finanziell unterstützt Man muß sich mal in Ruhe vor Augen führen, was da abgeht: Wir alle sollen sowohl im realen öffentlichen Raum als auch im virtuellen Raum der Bits und Bytes einer vollautomatisierten Überwachung unterworfen werden ~ während gleichzeitig, um den Fluß des Geldes zum Geld zu garantieren, die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter geöffnet wird, sozialer Sprengstoff gelegt wird, der vorraussehbar zu mehr Widerstand führen wird. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Was gibt es zu tun?
Die bestehende Umverteilung / Konzentration des Kapitals stoppen!
Brecht die Macht des Finanzsektors!
Demokratie, nicht Lobbykratie!
Bedingungsloses Grundeinkommen, möglichst weltweit!
Utopie? Selbstverständlich, aber Utopien sind eine Richtschnur. Man braucht einen Punkt am Horizont, auf den man sich zubewegt, damit man sich nicht im Wirrwarr um einen herum verirrt!
Und nicht vergessen: Obwohl kaum etwas so großen Einfluß auf unser Leben hat wie Geld, das wir in der Tasche haben oder eben auch nicht ~ Geld ist eine rein virtuelle Sache, letztlich nur Nullen und Einsen auf den Servern der Banken. DER Glaubenssatz unserer Zeit, vergleichbar mit dem Glauben an den christlichen Gott im Mittelalter. Damals wurden Kathedralen gebaut, heute Bankhochhäuser. Und ~ an Geld ist kein Mangel, es ist offensichtlich genug davon da, hunderte von Milliarden. Und wenn man mehr braucht, kann man genauso offensichtlich ganz einfach noch ein paar hundert Milliarden neu generieren, kein Problem! ;~}
Nachtrag am Samstag, dem 27.10.2012
Heute Nacht ist mir noch ein Artikel von Attac über den Weg gelaufen ~ der Konflikt wird aktuell auch in Spanien von den Sicherheitskräften schon mit Gewalt angegangen. In Griechenland sowieso schon seit länger . . .
Parallel dazu legt unsere Regierung ein Gesetz vor, das den Internetprovidern eine Schnittstelle vorschreibt, die Sicherheitsbehörden ~ und zwar ohne richterlichen Vorbehalt ~ Zugriff auf die IP-Adressen von Benutzern des Internets gibt, sozusagen in Echtzeit. Über diese Schnittstelle sollen die Behörden die Benutzer identifizieren können und sogar Zugriff auf PINs und Passwörter bekommen, z.B. für Email und Speicherdienste (Cloud). Und zwar auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hin, das die bisherige Praxis der Weitergabe von Nutzerdaten, Passwörtern und PIN-Codes als teilweise verfassungswidrig eingestuft hat! Anstatt den Zugriff zu beschränken, werden alle Zäune niedergerissen! Der Unterschied zu totalitären Staaten in der Überwachungs-Gesetzgebung schrumpft in Deutschland und der EU langsam gegen NULL!