Corona zum Dritten . . .

Nun hab ich mich ein wenig schlau(er) gemacht, was diese von den Politikern so dahergewünschte Handyapp betrifft. Was gar nicht so einfach ist, denn vernünftige Informationen über diese spezielle App sind noch nicht einmal in den auf Technik spezialisierten Medien zu finden. Und als Warnung im Voraus: es wird ein wenig technisch, aber ich bemühe mich darum, verständlich zu bleiben.

Die Idee dahinter ist, dass inzwischen die meisten Leut ein Smartphone spazieren tragen, das über Bluetooth Kontakt mit anderen Geräten aufnehmen kann, und zwar in der Variante LE (für Low Energy, was für einen niedrigen Stromverbrauch sorgen soll). Wenn ein Handy also einem anderen Handy so nahe kommt, dass der Mensch (und nicht das Handy, man sollte das tunlichst nicht verwechseln) sich anstecken könnte, tauschen die Geräte Daten aus und speichern sie jeweils auf den Geräten. Dann soll im Fall eines positiven Tests der positiv Getestete eine Nachricht an die im Zeitraum des Infektionsrisikos Getroffenen schicken können/sollen/müssen, damit die sich vorsichtshalber testen lassen können/sollen/müssen und sich in Quarantäne begeben ~ können oder sollen oder müssen?

Soweit also die Idee, was sagt die Technik dazu?

Bluetooth LE ist eine Kurzstreckenfunktechnik mit einer Reichweite von 10 bis 30 Metern. Distanzmessung ist prinzipiell in gewissen Grenzen möglich und wird auch schon länger für gewisse meist industrielle Zwecke verwendet. Zum Beispiel können Einkaufskörbe mit einem Bluetooth-Empfänger ausgestattet werden. Wenn sich der Korb zu weit von einem Sender wegbewegt, werden die Räder blockiert. Die Distanzmessung erfolgt dabei in der Regel über die Signalstärke, definiert über vier Kategorien Unknown (unbekannt), Immediate (bis 50 cm), Near (bis 2 m) oder Far (bis 30 m). Die Genauigkeit liegt dabei zwischen einem und drei Metern. Schon die Reichweitenspezifikation zwischen 10 und 30 Metern legt ja nahe, dass es da durchaus Schwankungen geben kann. Schon der menschliche Körper, der ja zum großen Teil aus Wasser besteht, schluckt die Handystrahlen und dämpft das Signal und minimiert die Signalstärke. Und die Empfangsfähigkeiten der unterschiedlichen Handys werden auch nicht alle dieselben sein.

Die neue Bluetooth-Version 5.1 könnte die Messung verbessern, weil sie auch die Richtung feststellen kann, aus der das Signal kommt und so genauere Daten liefert. Nur ist diese Version nur auf den neuesten Handys implementiert, in meinem z.B. nicht. Auf die proklamierten (freiwilligen?) 60% Teilnehmer der Bevölkerung kommt man damit ganz sicher nicht.

Dazu kommt noch, daß in den bis jetzt realisierten Anwendungen zumindest einer der kommunizierenden Geräte fest installiert ist, wie zum Beispiel der Sender (Beacon, Funkfeuer) an der Tür des Supermarkts, der die Einkaufskörbe anfunkt. In Produktions- bzw Logistikumgebungen werden viele Beacons installiert, um jederzeit den Standort z.B. von Werkzeugen, Material oder Menschen feststellen zu können. Dann sind durch Triangulationn von mehreren Beacons serverbasiert auch genauere Messungen bis in den Zentimeterbereich möglich.

Im vorgesehenen Szenario fungiert jedes Handy als Beacon, die Standorte sind jeweils flexibel und nicht definiert, man wird sich also auf eine relativ ungenaue Messung verlassen müssen. Wenn wir den Status ‚Near‘ als kritisch definieren, also bis zwei Metern, dazu eine Unsicherheit von einem bis drei Metern berücksichtigen, dann wird es mehr falsch-positive als richtige Alarme geben. Welche Konsequenzen soll das für die Betroffenen haben? Alle testen und in Quarantäne stecken, weil auch ein negativer Test nicht unbedingt Sicherheit bringt? Wie viele Betroffene wird es im relevanten Zeitraum von sagen wir einmal 14 Tagen geben? Und mit wie vielen hatten die dann Kontakt? Das multipliziert sich ~ ein Fass ohne Boden.

Zudem ist Bluetooth nicht unbedingt als sicherste Funktechnik berühmt. Und für diese App muss jedes Gerät so eingestellt sein, dass es für alle anderen Geräte sichtbar und offen ist. Normalerweise stellt man sein Handy aber aus gutem Grund so ein, dass es nur mit den schon gekoppelten (am besten PIN-gesicherten) Geräten Verbindung aufnimmt und ansonsten unsichtbar ist. Bei Nicht-Gebrauch bleibt Bluetooth aus Sicherheitsgründen besser ausgeschaltet. Freilich ist es so, dass ausgerechnet die Politiker und Funktionsträger, die für unsere Sicherheit verantwortlich sind, auch dafür bekannt sind, dass sie am liebsten Vollzugriff auf alle unsere Geräte hätten . . .

Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) hat eine (an sich in der DSGVO §35 vorgeschriebene) Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für eine Corona-App erstellt und bemerkt, dass keine der bis jetzt diskutierten Apps wirklich die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

Zitate:

Punkt1: „Die in den Diskussionen vielfach betonte Freiwilligkeit der App-Nutzung ist eine Illusion. Es ist vorstellbar und wird auch bereits diskutiert, dass die Nutzung der App als Voraussetzung für die individuelle Lockerung der Ausgangsbeschränkungen gelten könnte. Das Vorzeigen der App könnte als Zugangsbarriere zu öffentlichen oder privaten Gebäuden, Räumen oder Veranstaltungen dienen. Denkbar ist, dass Arbeitgeberïnnen solche Praktiken schnell adaptieren, weil sie mittels freiwillig umgesetzter Schutzmaßnahmen schneller ihre Betriebe wieder öffnen dürfen. Dieses Szenario bedeutet eine implizite Nötigung zur Nutzung der App . . . “

Punkt2: Ohne Intervenierbarkeit und enge Zweckbindung ist der Grundrechtsschutz gefährdet. So besteht ein hohes Risiko fälschlich registrierter Expositionsereignisse (falsch positiv), die zu unrecht auferlegte Selbst-Isolation oder Quarantäne zur Folge haben (zum Beispiel Kontaktmessung durch die Wand zwischen zwei Wohnungen). Um dem zu begegnen, bedarf es rechtlicher und faktischer Möglichkeiten zur effektiven Einflussnahme, etwa das Zurückrufen falscher Infektionsmeldungen, die Löschung falsch registrierter Kontaktereignisse zu einer infizierten Person und das Anfechten von infolge der Datenverarbeitung auferlegter Beschränkungen. Eine solche Möglichkeit sieht bisher keines der vorgeschlagenen Systeme vor. „Beim Datenschutz geht es genauso wenig um den Schutz von Daten, wie es beim Sonnenschutz um den Schutz der Sonne geht oder beim Katastrophenschutz um den Schutz von Katastrophen.“ spitzt Jörg Pohle vom FIfF zu.

Und so weiter, und so fort . . .

So weit, so gut. Oder schlecht.

Misstrauisch macht mich auch die Erfahrung, dass diese Techniken in aller Regel Begehrlichkeiten bei den jeweiligen staatlichen Stellen erwecken und einmal gezogene rechtliche Sicherheitszäune geschleift werden. Dann werden Verfahren wie die Analyse von Handydaten mittels IMSI-Catchern oder Daten von Mautstationen nicht nur wie ursprünglich angekündigt für schwere Verbrechen, Terror und Verschwörungen gegen das Grundgesetz verwendet, sondern mutieren zum Allerwelts-Verfahren von Demonstrationen bis hin zum kleineren Diebstahl.

Diese Corona-Krise ist seit dem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes an den Bundestag von 2012/13 an für die Politik vorhersehbar gewesen. Man hätte sich gesetzgeberisch vorbereiten können, um vernünftige Maßnahmen und Regeln im Ernstfall in der Schublade zu haben, und materiell (Schutzkleidung, Masken, Intensivmedizin) hätte man vorsorgen können. Das ist nicht geschehen. Stattdessen werden auf dem Verwaltungsweg Grundrechte eingeschränkt, und zwar nach Gusto bis auf die Gemeindeebene herunter, wo dann die Gemeindevorsteher ihren Ermessensspielraum auch zum Ausleben ihrer eigenen Vorurteile ausnutzen können. Was ist ein zu sperrender öffentlicher Ort? Ein ganzer Baggersee, wo tausende Menschen im Abstand von zwei Metern Platz hätten? Ein Aussichtspumkt auf einem Berg mitten in der Pampa? Wo dann ein einzelner alleiniger Wanderer auf einem Platz von geschätzt 300 m² von den Ordnungshütern angemault wird, weil da ja auch andere Menschen kommen könnten?!

Überhaupt fühlen sich anscheinend ein gewisser Teil der Ordnungshüter dazu berechtigt, ihre Antipathien auszuleben. Neulich stand ich auf einem Park&Ride Parkplatz, weil ich eine Freundin zu einem distanzierten Spaziergang treffen und mit dem Fahrrad durch die Stadt zum Treffpunkt radeln wollte. Ich war kaum angekommen, da hält ein Polizeiwagen an und ein Beamter meint, ich dürfe da mit dem alten Herrn Magirus nicht stehen, da der Platz nur für PKW vorgesehen wäre. Mein Hinweis darauf, dass der alte Herr noch nie etwas anderes als Personen transportiert hätte und auf die fünf anderen Nicht-PKW, drei Sprinterklasse-Lieferwagen, ein Sprinterklasse-Bus und ein Wohnmobil, war fruchtlos. Ich musste wegfahren, die anderen wurden nicht beanstandet. Und das, obwohl in einem der Lieferwagen ganz offensichtlich der Fahrer für eine Pause auf dem Fahrersitz saß. Aber darum geht es schließlich nicht. Es geht um die alte Aversion gegen das fahrende Volk. Es geht um Kontrolle. Das tausendjährige Reich lässt grüßen!

Artikel 11GG: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet

Artikel 2GG: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit . . .

Artikel 3GG: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Aber die einen sind eben gleicher, und die anderen weniger gleich. Machen kannst du im Ernstfall wenig bis nichts . . .

Schon deswegen ist Vorsicht angesagt im Umgang mit der Einschränkung von Grundrechten!

Corona zum zweiten ~ es ist nicht alles Gold, was glänzt . . .

ein goldener Sonnenuntergang am Rhein
ein goldener Sonnenuntergang am Rhein

Mir geht es, glaube ich, wie den meisten: Sowohl zu Corona selbst, als auch zu den Nachrichten darüber, als auch zur Politik, die gemacht wird, habe ich ein ausgesprochen gespaltenes Verhältnis. Aber es ist nun einmal so, dass wir alle damit konfrontiert sind, alle unser Leben darauf einrichten müssen. Die einen allerdings mehr als die anderen . . .

Die großen Entscheidungen in dieser ~ unvorhersehbaren? ~ Krise werden getroffen von Menschen, die ein regelmäßiges und durchaus auskömmliches Einkommen aus unserem Staatsäckel überwiesen bekommen, Monat für Monat. Die leben in der Regel in einem großen, alleinstehenden Haus mit noch größerem Garten, da fühlt sich Zu-Hause-bleiben-müssen ganz anders an als in einer kleinen Einzimmer-Kellerwohnung. Ganz ab davon die Menschen, die ~ in den letzten Jahren immer mehr ~ gar kein Zuhause mehr haben, die auf der Straße leben. Was soll mit denen geschehen? Alle in eine Auffangstation bringen, damit sie sich gegenseitig anstecken können? An diese Menschen dachte in der großen Politik noch keiner, in dieser Krise auch niemand, zumindest von den Entscheidungsträgern. Unsere Abgeordneten gehören schließlich zum allergrößten Teil einer Gruppe von Berufen an, die man sitzend indoor ausüben kann, auch vom Homeoffice aus (weswegen da und in den Medien auch so viel davon die Rede ist). Arbeiter gibt es im Bundestag nicht mehr, es sei denn, sie verstecken sich in der Rubrik Sonstiges. Ein Problem unserer Demokratie ist, dass unsere Volksvertreter zu immer größerem Anteil aus einer absoluten Oberschicht kommen, so auch denken und Entscheidungen treffen. Und wer wie Gerhard Schröder aus einer armen Arbeiterfamilie kommt, wechselt offenbar liebend gerne ans andere Ende des sozialen und finanziellen Thermometers.

Nun sind wir hier, will heißen in Baden-Würthenberg, noch vergleichsweise gut dran. Wir dürfen unsere Wohnung verlassen, ohne uns erklären zu müssen, sofern wir uns nicht zu mehr als zu zweien treffen und einen Abstand von anderthalb Metern einhalten. Für Familien gibt es eine Ausnahme, die Polizei schwärmt aus, um offensichtliches Fehlverhalten anzumahnen. Öffentliche Plätze sind tabu, wobei die Definition eines öffentlichen Platzes der Definition der Gemeindeführer überlassen ist, was nicht immer ganz sinnig erscheint ~ ich bin als alleiniger einsamer Besucher eines Aussichtspunktes im Kaiserstuhl von der Polizei ermahnt worden. Auf einem Schild stand Campingplatz gesperrt, wobei die Gemeinde das nie als Campingplatz gestattet hatte, und ich zu Fuß auf einem Wanderweg unterwegs war . . .

Trotzdem gibt es Einschränkungen auch für mich, der ich in meinen rollenden fünfzehn Quadratmeter unterwegs bin, Wohnraum, Home-Office und im Notfall gegebenenfalls auch Quarantänestation. Wohnmobilstellplätze und damit auch Ver- und Entsorgestationen für Wasser, Abwasser und Toilette sind gesperrt. Waschsalon geschlossen. Große Vorräte an Lebensmitteln oder Toilettenpapier (HarrHarrHarr! 🙂 ) kann ich nicht anlegen. Das alles erfordert erweitertes Management. Nicht nur, daß auch an die Bedürfnisse der in den letzten Jahren immer größeren Gemeinde der mobil Wohnenden niemand gedacht hat, schnappen in dieser Situation wieder die Ressentiments gegenüber dem ‚fahrenden Volk‘ auf, und der eine oder andere Ordnungshüter fühlt sich ermutigt, einen mir gegenüber nie genau spezifizierten Paragraphen aus dem Sack springen zu lassen, nach dem ich nur eine einzige Nacht in meinem Fahrzeug verbringen dürfte, und auch nur zur Wiederherstellung meiner Fahrtüchtigkeit, und schon gar nicht in meiner Heimatstadt! Böse Welt! Als ob es den Artikel 11 unseres Grundgesetzes nicht gäbe, der die Freizügigkeit garantiert: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Kein Zeitlimmit, Ausnahmen nur in durch Gesetze festgelegten Fällen, die normalerweise nicht zutreffen. Und in Artikel 3 Satz 1: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Das Problem ist nur, dass einige Gesetze aus Kaiserzeit und dem unseligen Tausendjährigen Reich nie an das Grundgesetz angepasst worden sind und immer noch Bestand haben. 🙁

Aber lassen wir einmal die Befindlichkeiten dieser doch recht speziellen Menschengruppe, zu der ich gehöre. Lassen wir es mit der Erkenntnis bewenden, daß ein Aufenthalt im Freien mit genügend Platz um sich herum die Möglichkeit bietet, sich in gehörigem Abstand zueinander zu bewegen und damit die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Obwohl mir gestern im völlig überlaufenen Kaiserstuhl manchmal Bedenken gekommen sind. Ich hoffe, daß das Virus sich nicht in so weiten Wolken verbreitet wie das Parfüm der einen oder anderen Dame, die mir auf meinen Spaziergängen begegnet sind 🙂 Ansonsten ist das menschliche Zusammenleben per Verordnung und deren Interpretation an die Gefahr angepasst worden. Man darf die meisten Supermärkte nur noch mit Einkaufswagen betreten, auch wenn man nur ein Päckchen Tomaten kaufen will ~ um Abstand zu garantieren. Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Wenn zwei Damen mit Einkaufswagen, eine links und eine rechts im Gang, die Gelegenheit ergreifen, ein ausführliches Schwätzchen zu halten, kann man entweder ein halbes Stündchen Wartezeit einlegen, oder man wischt mal so eben dazwischen durch 🙁 Mund-Nasenmasken sind immer noch ein seltener Anblick, und zugegeben: mein Schlauchtuch fühlt sich auch nicht besonders bequem an, dazu das garantierte Unverständnis. Ich bin froh, wenn ich es beim Verlassen des Marktes wieder entfernen kann. Aber was tut man nicht alles für seine Mitmenschen . . .

Wenn man die Deutschen Medien betrachtet, dann bewundert die ganze Welt den Umgang der Deutschen Regierung mit der Pandemie, grundsätzliche Kritik ist wenn überhaupt eher zurückhaltend. Naja, aber der österreichische Standart und die Neue Züricher Zeitung haben ein Thema aufgebracht, das in Deutschland nur auf ganz, ganz kleiner Flamme gekocht wird. Die Bundesdrucksache 17/12051 des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung (von 2012, veröffentlicht 2013) ist eine Risikoanalyse für den Bevölkerungsschutz und beschreibt ab S. 57 das Szenario eines „außergewöhnlichen Seuchengeschehens“. Die schützenswerten Güter werden kategorisiert und nacheinander aufgeführt: Mensch, Umwelt, Volkswirtschaft und sog. immaterielle Güter (dazu zählen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, politische Auswirkungen, psychologische Auswirkungen und die Schädigung von Kulturgut). Das Dokument beschreibt anhand eines provisorisch Modi-SARS genannten Virus (Zitat:) „solche Gefahren und Ereignisse, die eine potentielle Bundesrelevanz haben, das heißt bei deren Bewältigung der Bund in besonderer Weise im Rahmen seiner (grund-)gesetzlichen Verantwortung gefordert sein kann.“ Die Parameter des Rechenmodells unterscheiden sich etwas von denen der aktuellen Pandemie (soweit die Parameter überhaupt statistisch schon sicher erfassbar sind), aber was da geschieht, ähnelt verteufelt dem, was wir in den letzten Wochen beobachten konnten. Die Regierung hält den Ball flach, aus gutem Grund: nach der Modellrechnung verläuft die Pandemie über drei Phasen fast drei Jahre.
Don’t panik! Don’t panik! Don’t panik!
Und deutsche Medien schweigen überwiegend. Denn was passiert, wenn man den Leuten zuruft, sie sollten nicht in Panik verfallen? Geeenau!

Aber man könnte stattdessen wenigstens die Frage stellen, wieso der Bundestag in den Jahren seit spätestens 2013 nicht dazu in der Lage war, konkrete Vorsorgemaßnahmen in Gesetze zu gießen, um im Ernstfall schon einmal zu wissen, wie man vorgehen sollte. Und dafür Sorge zu tragen, genügend Schutzmaterial, vor allem für das medizinische Personal, aber auch die einfachen Masken für die Bevölkerung zu bevorraten. Chance verpasst, verantwortlich: keiner! (zugeben muss man allerdings, dass ausführlich gelästert wurde, als massenhaft Tamiflu gehortet wurde . . .)

Jetzt versprechen sich alle das Heil von einer Handy-App, die die Zurückverfolgung von Infektionsketten und damit die Isolierung von Virenträgern vereinfachen soll. Ich hab mir die Berichte darüber angeschaut, es fällt ja in mein berufliches Feld als (allerdings nicht allwissenden) Telekommunikationsfachmann. Die App soll mittels Bluetooth Low Energy mit anderen Smartphones in der Nahzohne Kontakt aufnehmen, die Begegnungen sollen nur auf den Handys gespeichert werden und im Fall einer Infektion die Betroffenen benachrichtigt werden. Nur hat Bluetooth LE eine Reichweite von immerhin zehn Metern. Preisfrage: wie viele Handys passen mit Sicherheitsabstand von anderthalb Metern in einen Zehn-Meter-Kreis? Aus Sicherheitsgründen muß zur Kontaktaufnahme eine fünfstellige PIN bestätigt werden. Sollen die Leut ihre Köpfe zusammenstecken, damit sie sich auch bestimmt anstecken? Oder soll auf eine Standart-PIN zurückgegriffen werden wie bei Mäusen, damit auch alle im Zehn-Meter-Kreis gespeichert werden, womit in wenigen Tagen ein paar Tausend Verdachtsfälle zusammengesammelt werden? Mir (als Nicht-Allwissender) ist zumindest keine Möglichkeit bekannt, die Distanz von zwei Smartphones über Bluetooth halbwegs exakt zu messen. Fazit: auch wenn alles In ist, was mit Smartphone zu tun hat ~ daran glaub ich nicht! Das ist eine Augenauswischerei, der feuchte Traum einer einfachen Lösung.

Laßt uns alle Mund-Nasen-Masken tragen, wenn wir uns auf die Pelle rücken müssen. Das ist eine einfache und mitmenschliche Möglichkeit.

Noch eines zum Schluß ~ jede Menge Menschen geraten in dieser Krise über kurz oder lang (und es wird eher lang sein) in finanzielle Schwierigkeiten, ich übrigens auch. Denn alle meine Pläne wurden in den letzten Wochen über den Haufen geworfen. Einige meiner Leser werden sich noch daran erinnern, dass ich zur letzten Europawahl Engagement für ein Bedingungsloses Grundeinkommen veröffentlicht hatte. Wäre es nicht eine schöne Sache, wenn in dieser (und der nächsten und übernächsten, sie kommen bestimmt!) Krise ein Bedingungsloses Grundeinkommen all die Menschen absichern würde, die in ihrer beruflichen oder menschlichen Situation keine Rücklagen zu bilden imstande sind? Nicht nur Künstler (oder freischaffende Non-Profit-Photographen und Blogger), sondern auch all die, die auf Grund der neoliberalen Politik der letzten vierzig Jahre unten aus der Gesellschaft herausgefallen sind? Die technische Entwicklung wird in den nächsten Jahren noch viel mehr Menschen aus dem Wohlstand katapultieren, davon viele, die das bis jetzt nicht für möglich halten.

Eine sehr pfiffige Lösung die Wirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, läßt sich auf economy4mankind.org nachlesen. Das Projekt einer Steuerreform, die in ihrer Simplizität auch Friedrich Merz überzeugen müsste, weil es nur noch zwei Steuern gibt: eine Umsatzprovision, die im Gegensatz zur Umsatzsteuer nicht von den Unternehmen als durchlaufendem Posten verbucht werden kann, und eine Minderbeschäftigungssteuer, die von den Unternehmen bezahlt werden muss, die bei hohem Umsatz zu wenig Beschäftigte haben. Sie könnten dieser Steuer entgehen, indem sie für NULL Stunden Arbeitszeit das Grundeinkommen für entsprechend viele nötige Mitarbeiter (vom Jobcenter vermittelt) übernehmen, damit sie unter die Pflichtgrenze fallen. Und wieso sollten nur Aufsichträte und Berater, ehemalige Politiker ohne oder mit wenig Gegenleistung ein Gehalt beziehen?

Das Konzept entbehrt nicht pfiffig intelligenter und provokanter Seitenhiebe, die die neoliberale Praxis umdrehen, zum Beispiel den Passus, daß niemand zu einem NULL-Stunden-Job bei einer Firma gezwungen werden kann ~ womit eine Firma, die Dinge tut, die weder vom ethischen noch vom demokratischen Standpunkt her akzeptabel wären, ganz schnell in die Insolvenz getrieben werden könnte 🙂

Nun gehe ich nicht davon aus, dass Herr Merz sich allzusehr vor dem Projekt economy4mankind fürchtet. Die Mächtigen (auch unsere Regierung, unser Parlament, unsere Parteien) dieser Welt werden schon dafür sorgen, daß alles so bleibt wie es ist, und Geld, Kapital, weiter von unten, von uns Vielen, zu den Wenigen ein Prozent oder Promille nach oben fließen. Denn das Andere, eine Ökonomie für die Menschheit, für die Vielen, das wäre ja Demokratie, oder?

Links:
economy 4 mankind Webseite des Projekts mit Erläuterung des Konzepts
Bundesdrucksache 17/12051
Statistik zur Berufszugehörigkeit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Nochmal vom Bundestag selber
Eliten ~ die wahre Parallelgesellschaft von Michael Hartmann, Soziologe und Elitenforscher
Telepolis ~ warum Frauenquoten nicht genug sind

am Rhein . . .

Sonnenuntergang am Rhein
Sonnenuntergang am Rhein

Nach einem turbulenten Wochenende auf dem trotz Corona wegen des brillianten Wetters total überlaufenen Kaiserstuhl habe ich mich an eine ruhigere Stelle am Rhein zurückgezogen. Erholung ist angesagt 🙂

stillgelegte Kiesverladestation am Rhein
stillgelegte Kiesverladestation am Rhein
Kiesverladestation ~ Blick aus dem Leitstand
Kiesverladestation ~ Blick aus dem Leitstand