Ein Grund, wieso ich hierher an das Mar de Aragón zurückgekommen bin, neben dem allgemeinen, daß die Landschaft hier einen ganz eigenen Reiz hat, ist der ganz spezielle Grund, daß ich im letzten Jahr nur einen Blick aus der Ferne, über den aufgestauten Ebro hinweg, auf die Ruine der Ermita Magdalena werfen konnte. Um sie in halbwegs akzeptabler Auflösung photographieren zu können, mußte ich das 500mm-Spiegeltele (knapp 18facheVergrößerung) auf die Sony schnallen, stabiles Stativ darunter, und wegen schnell treibender Wolken ständig wechselnder Lichtverhältnisse einiges an Geduld und Zeit investieren, bis das Licht genau paßte, um das Photo unter diesem Text zu schießen. Die Ermita im Sonnenlicht, die Berge dahinter im Wolkenschatten.
Die Ermita gleich zu besuchen, stand außer Frage. Ich hätte, um die Distanz von gerade zwei Kilometern zu überbrücken, mal eben gut fünfzig Kilometer zurücklegen müssen, zum guten Teil auf unbefestigten Pisten, zusätzlich einen Fußmarsch von einer dreiviertel Stunde. So jedenfalls Google Maps und Internet. Aber losgelassen hat mich die Idee nie, dieses Jahr sollte es sein!
Ganz so schlimm war der Weg zwar nicht, die Straße ein Stück weit sogar asphaltiert, wenn auch arg wellig und nur teilweise notdürftig geflickt. Die letzten zehn Kilometer allerdings unbefestigt, davon die letzten zwei recht heftig. Herunterschalten bis zum Kriechgang, so gut wie möglich Schlaglöchern und Steinen ausgewichen, immer wieder sich durch zu eng stehendes Gestrüpp hindurchgezwängt. Solche Fahrten sind es, die das gewöhnlich etwas zerkratzte Äußere des Herrn Magirus verursachen, besonders vorn an den Ecken und den Seiten. Aber der Gute ist zum Glück hart im Nehmen, und wir kommen im Rückwärtsgang auch überall wieder raus, wo wir im Vorwärtsgang hineingefahren sind 🙂
Auch der Fußmarsch hatte seine Forderungen. An sich ist die Isla Magdalena eine Halbinsel, aber je nach Wasserstand, nach Internet meistens, ist eine Engstelle leicht überflutet. So auch bei meinem Besuch, da hieß es, Schuhe und Socken ausziehen, Hosen hochgekrempelt und durchgewatet. Der Rest ist dann ein Spaziergang über drei Hügel auf einem schmalen Trampelpfad, bevor man an der Rückseite des verlassenen Klosters ankommt.
Die breite Steintreppe hinauf, die zum Teil schon von Büschen erobert wird, und man steht zwischen den Resten der Kirche links und den vier Mauern des Wohnhauses, in dessen Grube man drei Stockwerke tief hinunterschauen kann. Der Blick nach oben zeigt einige verkohlte Restbalken, die frei vor dem blauen Himmel in der Luft schweben. In der anderen Richtung geht der Blick in das von herabgefallenen Deckensteinen übersäte Kirchenschiff, in der Mitte wachsen schon einige Bäumchen. Ein mißtrauischer Blick nach oben ~ was kommt von da als nächstes herunter, und wann? Nun ja, was lose war, wird wohl schon gefallen sein, was sich nicht entscheiden konnte hoffentlich noch bis nach meinem Besuch warten . . .
Während ich um die Apsis herumschleiche, höre ich sich über mir etwas regen, Geräusche mit dabei, die sich mit Vogelgezwitscher nicht wirklich beschreiben lassen. Da oben hat wohl der schwarze Milan sein Nest, der die ganze Zeit um die Ruine kreist und immer wieder über dem offenen Dach sichtbar wird. Was sich da regt und nach Nahrung ruft, werden seine Nachkommen sein. Später sehe ich auch noch einen Falken von der Zinne starten, und sogar einen kleineren Adler meine ich zu sehen.
Was aber wirklich eindrucksvoll ist, sind die Fresken, vor allem in den Kuppeln über der Apsis. Eine reich verzierte Orgie in Ocker- und Gelbtönen. Kein Gold, so reich war die Ermita wohl nicht, aber die nächste Annäherung daran. Die zwei Bilder mit den Sternchen um den Kommentar lassen sich wie üblich durch Klick vergrößern, um die Details bewundern zu können.
Bei meinen Recherchen im Internet, die leider nicht sehr ergiebig waren, habe ich einen Artikel im Heraldo gefunden, in dem es um die Ermita geht. Bilder sind keine dabei, und die Übersetzung von Google ist, naja, aber besser als nichts, oder als das, was der werte Blogger sonst verstehen würde 🙁 Sei es, wie es sei, der Regisseur Carlos Saura hat einen Film für den aragonesischen Pavillion auf der Expo in Zaragoza 2008 gedreht, Sinfonia de Aragón, der auch auf Youtube zur Verfügung steht. Die Ermita taucht bei Minute 5 im ersten von zwei Teilen auf. Anschauen lohnt sich . . . (Thema der Expo war Wasser, und darum geht es in dem Film auch).
In dem Artikel wird die Frage gestellt, ob die Ermita renoviert, gerettet werden soll, die Saura ‚aus dem Vergessen zurückgeholt‘ hat. Nun, das ist inzwischen schon wieder neun Jahre her, und an dem Wochenende, das ich mir zu meiner Exkursion ausgesucht habe, war ich alleine, bis auf die vielen motorisierten Boote der Angler, die die Isla Magdalena umschwirren. Es gibt wenige (unschöne!) Anzeichen dafür, daß ab und an Menschen hier sind, von einer Restaurierung der Ermita ist aber rein gar nichts zu bemerken. Das würde, glaube ich, auch wenig Sinn machen. Der Verfall ist schon viel zu weit fortgeschritten, die Architektur der Kreuzgewölbe scheint mir (Laie, der ich bin) ein wenig zu sehr improvisiert zu sein ~ weshalb die auch alle abgestürzt sind.
Vielleicht ist es auch nicht schlecht, die Ermita einfach in Ruhe und Schönheit sterben zu lassen. Der Wandel, also auch die Vergänglichkeit aller Materie, alles Seins, ist etwas, was wir viel zu oft verdrängen. Manchmal kommt es mir so vor, als ob das Motiv für die Bemühungen um den Erhalt kulturellen Erbes oft nur ein Festhalten an Vergangenem ist, ein Bemühen darum, die Welt so zu erhalten, wie sie ~ vielleicht ~ einmal war. Aber eine restaurierte Ermita Magdalena wäre nicht das erhaltene Alte, sondern zum größten Teil eine Nachbildung. Und in gewisser Hinsicht ein Fake ~ aber das ist ja gerade In!