Ebro und stolpern über Geschichte . . .

Eremita de Santa Maria Magdalena de Berrús
Eremita de Santa Maria Magdalena de Berrús

Also Ebroaufwärts, auf der C-12 läßt es der alte Herr Magirus laufen, daß es eine Pracht ist. Mit für unsere Verhältnisse rasend schnellen siebzig bis achzig Stundenkilometern flitzen wir in weiten Bögen den Fluß hinauf. Nicht immer direkt am Ufer entlang, aber da, wo wir ihn sehen können, ein durchaus beeindruckender und sehr schöner Fluß. Stellenweise die spanische Variante des Rheins um die Lorelei, nur ohne die Zwangsjacke von Eisenbahnen und Bundesstraßen, die unseren Vorzeigefluß verschandeln. Viel Wasser zur Zeit, ganz offensichtlich, denn die Füße der Bäume am Ufer stehen alle im Wasser. Keine Bilder, denn ein leichter Nieselregen lädt dezent zum Weiterfahren ein, und während der Fahrt wird nicht photographiert, zu gefährlich!

Wolken über dem Ebro ~ nach dem Regen
Wolken über dem Ebro ~ nach dem Regen

Ab Flix steigen wir dann um auf die TV-7411, um am Fluß zu bleiben. Ein paar Kilometer Bahnhof und Industrieanlagen, dann windet sich die kleine Straße am Ufer entlang, biegt aber nach einer Weile ab und wir klettern die Berge hinauf, wo ich an einer Abzweigung anhalte, denn ein Schild macht auf eine ‚Ermita de Santa Maria Magdalena de Berrús‘ aufmerksam. Anschauen? Anschauen! Und da bei der Ermita ein großer offizieller Grillplatz mit Parkmöglichkeit ist, wir schon neunzig Kilometer gefahren sind und der alte Herr Magirus einen Platz mit Aussicht über die sanft gewellte Erosionslandschaft (wenn man oben auf der Kante steht, sieht man sehr gut, daß die ‚Berge‘ die ausgewaschenen Überreste einer dicken Sedimentschicht sind. Weit schweift der Blick bis zum Horizont über eine ‚Ebene‘ von gleich hohen Gipfeln) findet, fällt die Entscheidung, daß wir hier zumindest für eine Nacht bleiben, obwohl es noch gar nicht so spät ist.

der alte Herr Magirus, Magdalena, Windräder, Strommast und Leitungen . . .
der alte Herr Magirus, Magdalena, Windräder, Strommast und Leitungen . . .

Ein Schild informiert den interessierten Besucher, daß das romanische Kirchlein 1968 Stein für Stein vom Ufer des Ebros hier hinauf auf den Berg transportiert und wieder aufgebaut wurde. Von drei Gemeinden der Umgebung gibt es Prozessionen hierher . . . soweit, so gut. Aber was bedeuten wohl die Worte ‚Trinxeres de Berrús‘ auf den Wanderwegschildern? Ein kleiner Spaziergang sollte das wohl klären können . . .

Kurz darauf macht mich eine Art Graben neugierig, der sich vom Weg weg am Hang entlang schlängelt. Weil ich dem natürlich folgen muß, stolpere ich nicht zum ersten Mal über Zeugnisse des spanischen Bürgerkriegs. Schon vor der offiziellen Gedenkstätte wird klar, um was es sich handelt: Schützengräben! Hier hat sich die republikanische Armee eingegraben, um die im Tal liegende Straße abzusichern, um die Armee Francos vom Vorstoß an den Ebro zu hindern. Vergeblich . . .

trinxeres de Berús ~ Schützengraben
trinxeres de Berús ~ Schützengraben

1938 ~ in der Schlacht am Ebro standen sich im gesamten Gebiet meines diesjährigen Aufenthalts Francisten/Faschisten mit Unterstützung der Legion Condor, also deutsche Luftwaffe und die Republikaner gegenüber, der Kampf wurde von beiden Seiten mit brutaler Härte geführt, mit vielen Toten. Tortosa, die Stadt, in der ich die Nacht nach dem Ebro-Delta verbracht habe, wurde von der Legion Condor wohl fast komplett zerstört, genauso das vorhin erwähnte Flix. Auch der Ort Corbera d’Ebre wurde von der Legion zerbombt und und die Ruinen sind als Denkmal bis heute vorhanden. Die Einwohner wurden umgesiedelt.

links Schützengraben, Tal mit Straße, Ebro aufgestaut rechts im Bild
* links Schützengraben, Tal mit Straße, Ebro aufgestaut rechts im Bild *
Gedenktafel bei den trinxeres de Berrús
Gedenktafel bei den trinxeres de Berrús

Jetzt sitze ich seit Stunden an diesem Artikel und fühle mich nach den Recherchen zunehmend sprachlos. Ich zitiere also nur noch ein Zitat aus dem Artikel auf Wikipedia, ein auf Spanisch, Englisch und Französisch verlesener Aufruf, den der Cellist Pau Casals während eines Konzerts in Barcelona am 17. Oktober 1938 über das Radio an die Weltöffentlichkeit richtete:

„Machen Sie sich nicht des Verbrechens schuldig, dem Mord an der Spanischen Republik tatenlos zuzusehen. Wenn Sie es zulassen, dass Hitler in Spanien siegt, werden Sie die nächsten sein, die seinem Wahnsinn zum Opfer fallen werden. Der Krieg wird ganz Europa, wird die ganze Welt erfassen. Kommen Sie unserem Volk zu Hilfe!“

Obwohl in den International Brigades viele Ausländer für die Republik kämpften, auch Deutsche, taten sich die europäischen Staaten damit schwer, denn es ging ja gegen die Volksfront. Italien und Deutschland waren eh auf der Seite Francos . . . das Ergebnis ist bekannt . . .