Konquista

* 'individuelle' Architektur mal fünfhundert ~ ein jeder soll sein Türmchen haben! *
* 'individuelle' Architektur mal fünfhundert ~ ein jeder soll sein Türmchen haben! *

Der Mensch ist ganz offensichtlich ein Herdenvieh. Das merkt man nicht nur an der ‚individuellen‘ Architektur, die in rauhen Massen dicht nebeneinandergeklatscht auch nur den Eindruck eines Krebsgeschwürs macht, das sich in die Landschaft frißt. Dabei ist das hier noch eine vergleichsweise ’nette‘ Urbanication, wie man das hier nennt. Jeder soll sein Türmchen haben! Ansonsten wurden hier an der Küste viele Tausende, eher Millionen Wohneinheiten dicht an dicht aneinandergeklatscht. Als die Immobilienblase dann geplatzt ist, blieben viele dieser Siedlungen unvollendet, stehen leer, manchmal leben wie auch in diesem Projekt Menschen darin ~ teils mit provisorisch fliegend verlegten Wasser- und Stromleitungen . . .

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kein Campingplatz ~ ein normaler Parkplatz in Strandnähe
kein Campingplatz ~ ein normaler Parkplatz in Strandnähe

Genauso ‚individuell‘ reisen die jedes Jahr zahlreicher werdenden Wohnmobiltouristen, Rentnerpaare zumeist, die dem kalten Winter in Nord- und Mitteleuropa entfliehen möchten. Nicht nur aus Deutschland, auch aus Holland, Großbritannien, Belgien, Dänemark, Schweden, sogar Iren wurden schon gesehen. Wer will es ihnen verdenken? Vor der nicht unbegründeten Furcht, ausgeraubt zu werden, rotten sie sich in der Regel in Haufen zusammen, dicht an dicht, als hätten sie sich die Architektur zum Vorbild genommen.

schöne Aussicht? ~letztes Jahr war es hier noch verboten . . .
schöne Aussicht? ~letztes Jahr war es hier noch verboten . . .

Mancherorts findet dann leider der spanische Bürger, der ein Wochenende am Strand verbringen möchte, keinen Platz mehr, um sein Auto abzustellen, und auch die Strandlinie ist zugeparkt mit Plasticos (wie der Bus- und LKW bewohnende Teil der Meute die einfach gekauften Standartwohnmobile etwas abfällig nennt).

Policia und Camper ~ traut vereint?
Policia und Camper ~ traut vereint?

Da wie auf diesem Bild die meisten der Parkplätze nur für PKW ausgelegt sind, kann ein einziges oder zwei Wohnmobile einen ganzen oder zumindest einen großen Teil eines Parkplatzes blockieren wie auf dem Bild oben.

Schon in den letzen Jahren hatte ich den Eindruck, daß in jedem Winter dreimal so viele Wohnmobiltouristen unterwegs sind wie im Jahr davor. So lange sie sich in Haufen konzentrierten und mir die etwas außerhalb liegenden ‚freien‘ Plätze in der Landschaft übrigließen, störte mich das nicht sehr. Aber auch die werden immer mehr von den Plasticos erobert. Die Konquista ist voll im Gange.

Gestern mußte ich bei der Ankunft an einem meiner traditionellen Haltepunkte auf dem Weg nach Süden feststellen, daß schon drei Plasticos da standen, wo ich in den letzten Jahren gemütlich und in Ruhe alleine mit Blick auf die Salinen stand. Die modernen technischen Möglichkeiten mit Satellitennavi für jeden und Internet führen dazu, daß jeder in einem Forum, Blog oder einfach über Email oder jetzt gar WhatsApp & Co einen entdeckten Standplatz für jeden verfügbar machen kann. Und es gibt genug Leutchen, die durch solche Posts ihre Reputation aufpolieren möchten . . .

Nicht umsonst wird man in diesem Blog nie konkrete Angaben für die schönen Plätze finden. Nicht nur gehört für mich das Suchen dieser Perlen mit dazu zum Vagabundenleben, es ist leider absehbar, daß sonst im nächsten Jahr drei, sechs, oder auch ein Dutzend Plasticos da stehen . . .

Bedauerlicherweise zerstört der Tourist, egal welcher Couleur, schon seit je her genau das, was er sucht in fremdem Land oder fremder Kultur. Auch der Rucksacktourist oder der Reisende mit einem alten Magirusbus tut das (sogar wenn er keine Geodaten veröffentlicht). Man weckt Begehrlichkeiten, schon gar wenn man einen Blog schreibt und mit schönen Bildern pflastert . . .

Das funktioniert so ähnlich wie bei der Eroberung des wilden Westens a la Lederstrumpf. Die ersten Trapper wie Daniel Boone waren wenige, keine Siedler, sie hinterließen kaum Spuren in der neuentdeckten Welt (sogar wenn sie wie Danny Boone schießwütige Arschlöcher waren). Aber die, die sie beladen mit Fellen zurückkehren sahen und ihren Erzählungen vom Wildreichtum der Wälder lauschten, die wollten diesen Reichtum auch haben und drängten westwärts, immer mehr, immer weiter. Was die Pioniere weiter nach Westen trieb, wodurch wieder die Zivilisation weiter nach Westen zog, bis der Pazifik dem ein Ende bereitete.

Für die Natur war das eine Megakatastrophe: Wo vorher Abermilliarden von Tieren ~ auf vier Beinen wie Büffel, mit Flügeln oder Flossen ~ in schier unglaublichen Mengen lebten, wurden die, die man essen konnte, vor allem aber die, die man in klingende Münze verwandeln konnte, unerbittlich bejagt bis zur Ausrottung. Riesige alte Wälder mit tausende Jahre alten Bäumen verwandelten sich in Bauholz, Streichhölzer oder Papier für die Medien der Zeit, die Zeitungen. Wer sich darüber informieren möchte, lese das Buch des kanadischen Biologen, Autors und Umweltschützers Farley Mowat, der leider im letzten Jahr gestorben ist: Der Untergang der Arche Noah – Vom Leiden der Tiere unter den Menschen. Rowohlt, 1987, ISBN 3498042971. (Sea of Slaughter 1984) Unglaublich, was vorher war, Depressionen gesichert, wenn man die Motive und die Methodik sieht, wenn man das Vorher mit dem Nachher, dem Jetzt vergleicht. Wie es der englische Titel treffender sagt: Eine Metzelei, ein Schlachten. Der Mensch als Pest des Planeten Erde.

Dumm nur, daß man auch als leicht soziophob veranlagter Mensch nichtsdestotrotz Mensch und damit Teil des Problems bleibt. Auch und gerade wenn man sich aus der Menge raushält bleibt der alte Herr Magirus ein sichtbarer Fleck in der Landschaft, ein Reiz, mal zu schauen, ob man da nicht auch . . .

Wenn ich aufs Frühjahr zu über das Landesinnere zurückfahre, wird das ruhiger werden ~ bis die Herde auch da hin nachfolgt. Nur verteilt sich das dann auf eine größere Fläche. Aber wie Farley Mowat es beschrieben hat: Manchmal ist sogar ein Riesenkontinent zu klein 🙁